Rheinische Post Krefeld Kempen
Archiv: Standortfrage zieht sich hin
In Viersen braucht die Politik mehr Zeit, um zu entscheiden, ob das eigene Stadtarchiv mit dem Kreisarchiv fusioniert werden soll. In Viersen würde man gerne auch das Kreisarchiv haben. Für Kempen kommt das nicht infrage.
KEMPEN/VIERSEN Der Viersener Kulturausschuss wollte sich in seiner Sitzung am Montagabend noch nicht festlegen. In der Kreisstadt gehen die Meinungen nach wie vor auseinander, was die Zukunft des eigenen Stadtarchivs und eine mögliche Fusion mit dem Kreisarchiv betreffen. Es ist ein Thema, das polarisiert. Auf der einen Seite stehen die Befürworter des Standorts Viersen, wie etwa der Viersener Heimatverein, Lehrer oder die SPD, die das Angebot und die Lage in der Stadt schätzen. Auf der anderen Seite stehen Pragmatiker wie etwa die Viersener Liberalen, die die Chance zum Sparen sehen.
Warum die Standortfrage? Anlass ist der Plan von Landrat Dr. Andreas Coenen ( CDU), ein neues Kreisarchiv errichten zu lassen. Dazu muss Coenen wissen, wie viele Besatzungsmitglieder sein „Archiv“-Boot künftig haben wird. Zur Erinnerung: Bisher unterhält der Kreis in der Kempener Burg neben seinem eigenen Archiv noch Archive von sieben der neun Kommunen im Kreis, also von allen außer von Viersen und Willich. Das Burg-Gebäude müsste modernen Brandschutz erhalten – zu teuer. Stattdessen will Coenen ein neues Gebäude.
Warum die Eile? Der Landrat will Fördermittel für den Neubau nutzen: 5,1 Millionen Euro sind möglich. Die kann er nur nutzen, wenn das neue Archiv bis 2020 steht und bezahlt ist. Deshalb drückt er auf das Tempo.
Was will Viersen? Bisher hat sich Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) mit einer Stellungnahme zurückgehalten – obwohl Landrat Coenen diese bereits bis 18. März erbeten hatte. Die Kreisstadt verwies darauf, mehr Zeit für eine Prüfung zu haben. Für den Ersten Beigeordneten der Stadt Viersen, Dr. Paul Schrömbges, als Historiker und Autor selbst Nutzer des Viersener und des Kreisarchivs, sind in der Diskussion zwei Aspekte wichtig: die starke Frequenz und das für den Zweck angepasste Gebäude. „Das Stadtarchiv ist ein der ehemaligen Turnhalle untergebracht, die dafür umgebaut wurde“, sagt er. Soeben sei der Mietvertrag um zehn Jahre verlängert worden. Zudem verfüge das Gebäude über eine Magazinreserve. Schrömbges bezeichnet das Stadtarchiv als „Bürgerarchiv“: „Es hat sehr hohe Besucherzahlen; zudem kommen viele Anfragen per E-Mail und Post an den Stadtarchivar.“Enge Kooperationen bestehen mit Schulen und etwa dem Verein für Heimatpflege. In den vergangenen 20 Jahren seien rund 102 Publikationen erstellt worden, weitere sind geplant. Laut Schrömbges gehe die Stadt zwar „ergebnisoffen in das Gespräch mit Landrat Coenen“. Doch es müsse geklärt werden, wie das jetzige erweiterte Angebot erhalten werden kann, was mit dem Personal geschehe. „Wir wollen uns beim Archiv in Zukunft nicht schlechter stellen“, sagt der Erste Beigeordnete.
Was kostet eine Fusion? Laut Paul Schrömbges seien die Ausgaben nach einer Fusion zurzeit nicht abzuschätzen, weil die Zahl der Partner unklar sei. Er geht von einem Anteil in Höhe von 25,33 Prozent für Viersen aus; Verteilungsschlüssel ist die Zahl der Einwohner.
Wo steht das neue Kreisarchiv? Um den Standort ringen die Kommunen, noch ist diese Frage offen. Die Stadt Kempen – in der dortigen Burg befindet sich das jetzige Kreisarchiv – will es behalten. Die Stadt Willich hat ihre Beteiligung am neuen Kreisarchiv bisher an die Bedingung geknüpft, dass das Gebäude in Willich errichtet wird. Die Kreisliberalen haben bekanntlich das Freilichtmuseum in Grefrath ins Gespräch gebracht. Der Viersener Beigeordnete Schrömbges hatte bereits vor Wochen im Gespräch mit der Rheinischen Post als mögliche Adresse eine städtische Fläche an der Goetersstraße, östlich des Stadthauses und unterhalb des Kreishauses, ins Spiel gebracht.
Was will man in Kempen? Offiziell will die Stadt, dass das Kreisarchiv in Kempen bleibt – wenn schon nicht in der Burg, dann in einem Neubau in zentraler Lage. Nach RPInformationen ist eine Fläche am ehemaligen Arnoldgelände im Gespräch. Das böte sich an, weil im Arnoldgebäude (heutiges Finanzamt) Teile des Kreisarchivs bereits ausgelagert sind. Für die Stadt Kempen ist die Angelegenheit auch deshalb wichtig, weil sie in den 1980er-Jahren ihr eigenes Stadtarchiv treuhänderisch in die Obhut des Kreisarchivs übergeben hat. Eine Rücknahme des Stadtarchivs ist theoretisch zwar möglich, wäre aber mit hohen Kosten (neuer Standort mit neuem städtischen Personal) verbunden.
Viel wichtiger ist der Stadt aber, dass die Burg nach dem Auszug des Kreisarchivs eine sinnvolle Folgenutzung erhält. Dazu läuft – wie mehrfach berichtet – derzeit die so genannte Markterkundung. Im Sommer weiß man dazu mehr.