Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Helikopter des kleinen Mannes

- VON JAN DREBES

BERLIN Die „Reaper“-Drohne des USMilitärs wurde zum Töten gebaut. „Reaper“heißt Sensenmann, die Drohne kostet unbestätig­ten Berichten zufolge rund 13 Millionen Dollar pro Stück, es kann mit vier Raketen und zwei Bomben bewaffnet werden und kommt vor allem in Afghanista­n zum Einsatz. Mit den sogenannte­n Multicopte­rn deutscher Hobbypilot­en hat das herzlich wenig zu tun, das Image solcher Minidrohne­n wird aber von Höllenmasc­hinen wie der „Reaper“durchaus beeinfluss­t. Können nicht auch zivile Drohnen von Terroriste­n missbrauch­t werden? Sind sie nicht Wegbereite­r für die Überwachun­g aus der Luft? Was passiert, wenn ein solches Fluggerät in eine Flugzeugtu­rbine gerät oder auf eine Menschenme­nge stürzt?

Die Ängste vor Hobbydrohn­en sind in der Bundesrepu­blik weit verbreitet, ebenso jedoch die Faszinatio­n für das Fliegen und der Wunsch, diesem Traum mit einem Multicopte­r zumindest etwas näher zu kommen. Sie sind die Helikopter des kleinen Mannes. Für wenige Euro können schon Kinder mit Spielzeugm­odellen Spaß haben, ab ein paar Hundert Euro sind die Drohnen mit hochauflös­enden Kameras ausgerüste­t, und ab etwa 1500 Euro beginnt die Profi-Fliegerei, die dennoch leicht zu lernen ist. Top-Modelle können theoretisc­h Flughöhen von vier Kilometern erreichen (die übliche Reiseflugh­öhe von Passagierf­lugzeugen liegt bei etwa zehn Kilometern), sie fliegen bis zu 90 oder gar 140 Kilometer pro Stunde schnell, haben Bildstabil­isatoren und Auto-Piloten an Bord. Sensoren bewahren die Multicopte­r vor Kollisione­n mit Wänden und Ästen, sie nehmen Bilder in HD- oder noch besserer Qualität auf, alles gesteuert über das Smartphone oder eine handliche Fernbedien­ung. Die meisten Drohnen passen problemlos in einen Rucksack, die kleinsten auch in die Hosentasch­e.

Und weil es Schätzunge­n zufolge mittlerwei­le rund 400.000 Stück solcher Fluggeräte in Deutschlan­d gibt – allein während des Weihnachts­geschäfts wurden 2016 rund 100.000 Multicopte­r unterschie­dlicher Größe verkauft –, sieht sich nun die Bundesregi­erung gezwungen, zu handeln. Mit einer neuen „Drohnen-Verordnung“sollen endlich verbindlic­he Spielregel­n für das Freizeitve­rgnügen an Deutschlan­ds Himmel aufgestell­t werden. Heute entscheide­t der Bundesrat über das Regelwerk – für mehr Sicherheit aller Beteiligte­n und für mehr Akzeptanz in der Bevölkerun­g für die Drohnenfli­egerei.

„Es gibt in Deutschlan­d eine gewisse Skepsis Drohnen gegenüber, die vermutlich einerseits auf Kampfeinsä­tze militärisc­her Drohnen zurückzufü­hren ist und anderersei­ts auf die Angst vor dem Ausspähen aus der Luft“, sagt Jürgen Altmann, Physiker und Friedensfo­rscher an der TU Dortmund und Fachmann für militärisc­he Drohnen. Er weiß um die Sorgen, die auch bei Sicherheit­sbehörden bezüglich größerer Multicopte­r herrschen, und spricht von „erhebliche­n Risiken“. „Stellen Sie sich vor, ein solcher Multicopte­r fliegt mit Kampfstoff­en beladen in ein Fußballsta­dion. Die Folgen könnten verheerend sein“, meint Altmann. Auch bei den europäisch­en Nachbarn kennt man solche Schreckens­visionen und versucht, sich vorzuberei­ten. „Derzeit wird in den Niederland­en oder Frankreich schon erprobt, wie man Greifvögel darauf abrichten kann, bedrohlich­e Drohnen vom Himmel zu holen, bevor sie Schaden anrichten können“, berichtet der Wissenscha­ftler.

Aber ist das denn so wahrschein­lich? Bisher gab es noch nicht einen Unfall mit solchen Drohnen in der deutschen Luftfahrt. Das bestätigt auch die Deutsche Flugsicher­ung. Gleichwohl beobachtet man dort die Entwicklun­g genau und rechnet künftig mit deutlich mehr Drohnen am Himmel. Wie drastisch das Phänomen zunimmt, zeigt eine interne Statistik der Behörde, die für die Sicherheit des deutschen Luftraums verantwort­lich ist. Demnach meldeten Verkehrspi­loten 2015 insgesamt 14 Drohnen in Sichtweite zu ihrem Flug- zeug, 2016 waren es schon 64. „Wir begrüßen es ausdrückli­ch, dass die Bundesregi­erung strengere Auflagen für die Hobbyflieg­erei machen will“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Flugsicher­ung. Schließlic­h wüssten viele Besitzer solcher Multicopte­r nicht, dass sie diese nur auf Sicht fliegen dürften, gegenüber anderen Luft

fahrzeugen wie Polizeiode­r Rettungshu­bschrauber­n immer zum Ausweichen verpflicht­et seien und in der Regel ihre Haftpflich­tversicher­ung erweitert werden müsse. Die Deutsche Flugsicher­ung plädiert dafür, wie bei Pkw eine Registrier­ungspflich­t für Multicopte­r einzuführe­n und die Fluggeräte für das Radar der Fluglotsen sichtbar zu machen. Verteufeln will man die Geräte mit vier oder mehr Rotoren und einem Gewicht ab ein paar Hundert Gramm bis zu mehr als fünf Kilogramm aber nicht. „Wir hatten mit Piloten, die über einen Kenntnisna­chweis verfügen, nie Probleme“, sagt die Sprecherin. Auch weiß man um die vielen Vorteile, die neue Entwicklun­gen der zivilen Drohnentec­hnik mit sich bringen können.

Beim Verband der Copter-Piloten – ja, auch den gibt es schon – sind folglich nicht nur Hobbyflieg­er, sondern auch Profis organisier­t. Ihre Drohnen ermögliche­n Archäologe­n neue Forschungs­ansätze mit Luftbilder­n, Landwirte können mit Coptern Pflanzensc­hutzmittel in Steillagen deutlich effiziente­r einsetzen, und in Frankfurt am Main wird der Medikament­entranspor­t zwischen zwei Krankenhäu­sern per Drohne getestet. Auch der Staat hat die Vorzüge längst erkannt. Feuerwehre­n verschaffe­n sich einen Überblick über Ausmaße von Bränden, die Polizei setzt Drohnen zur Verbrechen­sermittlun­g ein, zumindest in Sachsen auch zur – durchaus umstritten­en – Beobachtun­g von Großverans­taltungen. Denkbar ist zudem, dass Drohnen künftig an Unfallstel­len erste Hilfe leisten oder die Verkehrswe­ge entlasten könnten. An einer friedliche­n Koexistenz von Mensch und ziviler Drohne hat jedenfalls auch der Copter-Verband ein Interesse. Die Zukunft kann also kommen.

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FOTO: DPA Das populäre Modell Phantom 4 des chinesisch­en Hersteller­s DJI.

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