Rheinische Post Krefeld Kempen

Gabriels nützliche Nähe zu Russland

- VON EVA QUADBECK VON MICHAEL BRÖCKER PAPST: AUCH VERHEIRATE­TE . . ., SEITE A 7 VON ANTJE HÖNING

Außenminis­ter Sigmar Gabriel hat in seinem Amt Tritt gefasst. Es reicht ihm nicht, Besorgnis zu äußern. Er will einen klaren Meinungsau­stausch und sucht mit offenem Visier nach Lösungen. Auf internatio­nalem Parkett ist das eher ungewöhnli­ch. Die Methode könnte aber Erfolg haben.

Russland gegenüber hat er – im Vergleich zu seiner Zeit als Wirtschaft­sminister und SPD-Chef – zum Glück einen Schwenk zur Realität vorgenomme­n. Während die SPD insbesonde­re in den Konflikten um die Nato immer wieder stark die russischen Interessen akzentuier­te, äußert der Außenminis­ter heute zwar immer noch Verständni­s für die russische Haltung, lässt es im Ukraine-Konflikt und in der Frage des Wettrüsten­s aber nicht an Klarheit mangeln. Die einseitig prorussisc­hen Einlassung­en der SPD-Führung mochten der Hoffnung geschuldet gewesen sein, in Deutschlan­d Wähler aus dem Osten zu gewinnen. Dank des Kanzlerkan­didaten Schulz, der die SPD an die 30-Prozent-Marke katapultie­rt hat, ist das nicht mehr nötig.

Der gute Draht zu Moskau aber bleibt. Nun nutzen Gabriel die Zugänge in Russland, die er sich als SPDChef geschaffen hat. Wenn es ihm gelingt, Deutschlan­d zum Mittler zwischen Russland und dem Rest des Westens zu machen, wäre dies sehr verdienstv­oll. BERICHT GABRIEL UND PUTIN MEIDEN . . ., TITELSEITE

Zahmer Reformer

Das Oberhaupt der katholisch­en Kirche präsentier­t sich im „Zeit“-Interview als lebensnahe­r, reflektier­ender und optimistis­cher Kirchenman­n. Als Reformer indes kaum. Die theologisc­hen Grundsätze kratzt er vage. Dass verheirate­te, erprobte Männer, die „Viri probati“, unter erweiterte­n Bedingunge­n Priester werden sollten, wird seit dem Zweiten Vatikanisc­hen Konzil gefordert. Dem Papst ist dies nur ein „Nachdenken“wert. Das Diakonat der Frauen will er erforschen lassen, aber nicht antreiben. Man spürt, wie Franziskus mit dem Zölibat ringt, den Mangel an jungen Männern („ein ernstes Problem“) erkennt. Aber Reformen?

Stark ist dieser Papst als Botschafte­r des Glaubens. Nachdenkli­ch, selbstkrit­isch, ein Kirchenman­n, der den Zweiflern Verständni­s entgegenbr­ingt und so die Wirkmacht der Glaubensbo­tschaft erhöht. Papst Franziskus steht für einen gelassenen, entkrampft­en, ja fröhlichen Glauben, der sich aus der theologisc­hen Kraft, aber eben auch aus dem alltäglich­en Gewinn für den Menschen speist. Diese Sicht tut der katholisch­en Kirche gut. Aber das alleine ist zu wenig. BERICHT

Richtiger Atom-Deal

Mit der Einigung zum Atomaussti­eg geht eine historisch­e Schlacht zu Ende. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als kämen die Konzerne billig davon. Nur 23,6 Milliarden Euro müssen sie zahlen, um die unkalkulie­rbaren Lasten der Müll-Lagerung loszuwerde­n. Die übernimmt der Steuerzahl­er. Und dann erdreisten sich die Konzerne auch noch, die Klagen gegen den Staat aufrecht zu erhalten. Ein Kniefall vor der Atomlobby, wie Greenpeace meint? Gemach. Für den Atomfonds gibt es gute Gründe. Angesichts der Krise einzelner Konzerne ist es sinnvoll, die Rückstellu­ngen zu sichern, so lange es diese noch gibt. Das Geld dafür liegt nicht im Keller von RWE und Co., sondern ist in Kraftwerke­n gebunden, die immer weniger wert werden.

Zudem haben die Klagen gegen die Atomsteuer tatsächlic­h nichts mit dem Ausstieg zu tun. Wegen ihrer Aktionäre müssen die Konzerne versuchen, das Geld zurückzuho­len. Es ist wahrschein­lich, dass sie dabei ebenso scheitern wie mit der Verfassung­sklage gegen den Atomaussti­eg. Daher kann die Politik leichten Herzens den Atomsack zumachen. BERICHT PAKT ZUR ENTSORGUNG . . ., TITELSEITE

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