Rheinische Post Krefeld Kempen
Gabriels nützliche Nähe zu Russland
Außenminister Sigmar Gabriel hat in seinem Amt Tritt gefasst. Es reicht ihm nicht, Besorgnis zu äußern. Er will einen klaren Meinungsaustausch und sucht mit offenem Visier nach Lösungen. Auf internationalem Parkett ist das eher ungewöhnlich. Die Methode könnte aber Erfolg haben.
Russland gegenüber hat er – im Vergleich zu seiner Zeit als Wirtschaftsminister und SPD-Chef – zum Glück einen Schwenk zur Realität vorgenommen. Während die SPD insbesondere in den Konflikten um die Nato immer wieder stark die russischen Interessen akzentuierte, äußert der Außenminister heute zwar immer noch Verständnis für die russische Haltung, lässt es im Ukraine-Konflikt und in der Frage des Wettrüstens aber nicht an Klarheit mangeln. Die einseitig prorussischen Einlassungen der SPD-Führung mochten der Hoffnung geschuldet gewesen sein, in Deutschland Wähler aus dem Osten zu gewinnen. Dank des Kanzlerkandidaten Schulz, der die SPD an die 30-Prozent-Marke katapultiert hat, ist das nicht mehr nötig.
Der gute Draht zu Moskau aber bleibt. Nun nutzen Gabriel die Zugänge in Russland, die er sich als SPDChef geschaffen hat. Wenn es ihm gelingt, Deutschland zum Mittler zwischen Russland und dem Rest des Westens zu machen, wäre dies sehr verdienstvoll. BERICHT GABRIEL UND PUTIN MEIDEN . . ., TITELSEITE
Zahmer Reformer
Das Oberhaupt der katholischen Kirche präsentiert sich im „Zeit“-Interview als lebensnaher, reflektierender und optimistischer Kirchenmann. Als Reformer indes kaum. Die theologischen Grundsätze kratzt er vage. Dass verheiratete, erprobte Männer, die „Viri probati“, unter erweiterten Bedingungen Priester werden sollten, wird seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gefordert. Dem Papst ist dies nur ein „Nachdenken“wert. Das Diakonat der Frauen will er erforschen lassen, aber nicht antreiben. Man spürt, wie Franziskus mit dem Zölibat ringt, den Mangel an jungen Männern („ein ernstes Problem“) erkennt. Aber Reformen?
Stark ist dieser Papst als Botschafter des Glaubens. Nachdenklich, selbstkritisch, ein Kirchenmann, der den Zweiflern Verständnis entgegenbringt und so die Wirkmacht der Glaubensbotschaft erhöht. Papst Franziskus steht für einen gelassenen, entkrampften, ja fröhlichen Glauben, der sich aus der theologischen Kraft, aber eben auch aus dem alltäglichen Gewinn für den Menschen speist. Diese Sicht tut der katholischen Kirche gut. Aber das alleine ist zu wenig. BERICHT
Richtiger Atom-Deal
Mit der Einigung zum Atomausstieg geht eine historische Schlacht zu Ende. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als kämen die Konzerne billig davon. Nur 23,6 Milliarden Euro müssen sie zahlen, um die unkalkulierbaren Lasten der Müll-Lagerung loszuwerden. Die übernimmt der Steuerzahler. Und dann erdreisten sich die Konzerne auch noch, die Klagen gegen den Staat aufrecht zu erhalten. Ein Kniefall vor der Atomlobby, wie Greenpeace meint? Gemach. Für den Atomfonds gibt es gute Gründe. Angesichts der Krise einzelner Konzerne ist es sinnvoll, die Rückstellungen zu sichern, so lange es diese noch gibt. Das Geld dafür liegt nicht im Keller von RWE und Co., sondern ist in Kraftwerken gebunden, die immer weniger wert werden.
Zudem haben die Klagen gegen die Atomsteuer tatsächlich nichts mit dem Ausstieg zu tun. Wegen ihrer Aktionäre müssen die Konzerne versuchen, das Geld zurückzuholen. Es ist wahrscheinlich, dass sie dabei ebenso scheitern wie mit der Verfassungsklage gegen den Atomausstieg. Daher kann die Politik leichten Herzens den Atomsack zumachen. BERICHT PAKT ZUR ENTSORGUNG . . ., TITELSEITE