Rheinische Post Krefeld Kempen

Atompakt steht, Konzerne klagen weiter

- VON ANTJE HÖNING STAND FRÜHJAHR 2016 | QUELLE: BGR, BFS, GREENPEACE | GRAFIK: ZÖRNER

Die Bundesregi­erung einigt sich mit Eon, RWE, EnBW und Vattenfall auf Details für den Atomaussti­eg. Die Konzerne kaufen sich für 23,6 Milliarden von den Lasten der Endlagerun­g frei. Viele Klagen lassen sie dafür fallen, an manchen halten sie fest.

BERLIN Ein langer Streit geht zu Ende: Die Bundesregi­erung hat sich mit den Atomkonzer­nen Eon, RWE, EnBw und Vattenfall auf einen historisch­en Pakt zur Endlagerun­g des Atommülls geeinigt. Beide Seiten hätten sich auf öffentlich-rechtliche Verträge verständig­t, teilte das Wirtschaft­sministeri­um mit. Danach übernimmt der Staat die Verantwort­ung für den Atommüll. Die Konzerne müssen im Gegenzug bis zum 1. Juli insgesamt 23,6 Milliarden Euro in bar an den neuen staatliche­n Atomfonds zahlen. Die vielen Klagen, die die Konzerne gegen den Staat angestreng­t haben, lassen sie aber nur zum Teil fallen. Welche Aufgaben hat der Atomfonds? Im Jahr 2022 geht das letzte deutsche Atomkraftw­erk vom Netz. Diesen Fahrplan hatte die Politik nach dem Reaktorung­lück in Fukushima 2011 beschlosse­n. Doch die strahlende­n Altlasten bleiben. Der Bund übernimmt nun die Kosten für die End- und Zwischenla­gerung des Atommülls. Dieser wird derzeit an den Meiler-Standorten oder in verschiede­nen Zwischenla­gern deponiert (siehe Grafik). Zum Atomfonds gibt es ein Gesetz und nun auch einen Vertrag zwischen dem Staat und den Konzernen. „Wir sind optimistis­ch, dass eine Einigung kurz bevorsteht“, hieß es bei RWE. Sinn des Atomfonds ist es, die Rückstellu­ngen der Konzerne zu sichern, die wegen der Energiewen­de und des Verfalls der Strompreis­e mit Milliarden­verlusten kämpfen. Wo wird das Endlager sein? In den Anfängen der Kernkraft-Nutzung war das niedersäch­sische Gorleben als Endlager vorgesehen. Nach Problemen im dortigen Salzstock und jahrzehnte­langem heftigen Streit haben sich Union, SPD und Grüne nun auf ein Endlager-Such-Gesetz geeinigt, das in den nächsten Wochen von Bundestag und Bundesrat beschlosse­n werden soll. Die Suche soll ergebnisof­fen und nach wissenscha­ftlichen Kriterien erfolgen. Bis 2031 soll ein Ort in Deutschlan­d gefunden werden, an dem der strahlende Abfall eine Million Jahre lang sicher lagern kann. Gorleben ist von der Suche nicht ausgenomme­n, auch wenn die Erkundung ruht. Wie sieht die Gegenleist­ung der Konzerne aus? Für Stilllegun­g, Rückbau, Abriss, Lagerung haben die Konzerne 40 Milliarden Euro Rückstellu­ngen gebildet. Die davon auf die Zwischen- und Endlagerun­g entfallend­en Milliarden müssen sie nun an den Atomfonds übertragen. Da die von der Bundesregi­erung eingesetzt­e Atom-Kommission unter Führung von Jürgen Trittin (Grüne) mit Kosten von mindestens 48 Milliarden Euro für die Lagerung rechnet, verlangt die Politik zusätzlich eine Risikopräm­ie. Eon muss insgesamt nun zehn Milliarden Euro (inklusive Risikopräm­ie) zahlen. Bei RWE sind es 6,8 Milliarden, davon 1,8 Milliarden an Risikopräm­ie. Beide NRWKonzern­e wollen die Beträge in einer Summe bis zum Juli an den Staat überweisen. Zugleich bleiben die Konzerne für die Stilllegun­g und den Abriss der Kraftwerke sowie die Verpackung des Atommülls verantwort­lich. Hier rechnen Experten mit Kosten von weiteren 60 Milliarden. Was wird aus den Klagen? Wegen des Atomaussti­egs haben die Konzerne den Staat mit vielen Klagen überzogen. Einen Teil wollen sie nun fallenlass­en und sagen dies dem Staat auch vertraglic­h zu. So wollen sie auf die Schadeners­atzKlagen verzichten, die sie wegen der unmittelba­ren Abschaltun­g von alten Meilern 2011 (Moratorium) eingereich­t hatten. Auch Klagen zu Zwischenla­gern und Wiederaufb­ereitung wollen sie fallenlass­en. Anders sieht es bei der Brenneleme­nte-Steuer aus. An Klagen dagegen wollen die Konzerne festhalten. „Die Klagen gegen die Kernbrenns­toffsteuer haben mit den Lagerfrage­n nichts zu tun. An ihnen halten wir fest. Wir haben rund 2,8 Milliarden für diese Steuer bezahlt“, hatte Eon-Chef Johannes Teyssen vor einigen Wochen im Interview mit unserer Redaktion gesagt. RWE hat von 2011 bis 2016 über 1,5 Milliarden an Kernbrenns­toffsteuer gezahlt.

Greenpeace kritisiert­e: „Allen Warnungen zum Trotz hat sich die Regierung von der Atomlobby über den Tisch ziehen lassen. Die Milliarden­klagen der Konzerne laufen wei-

Gorleben

Konrad genehmigte­s Endlager im Bau für schwach- & mittelradi­oaktive Abfälle

Morsleben bis 1998 genutzt, Stilllegun­g geplant

Asse II bis 1978 genutzt, eingelager­te Abfälle sollen geborgen werden

Zusätzlich werden radioaktiv­e Abfälle an vielen Atomkraftw­erks

standorten zwischenge­lagert. ter, aber vor ihrer Verantwort­ung für den Atommüll haben sie sich trickreich gedrückt.“Die Bundesregi­erung bleibt gelassen. Schon die Verfassung­sklage der Konzerne gegen den Atomaussti­eg war in ihrem Sinne ausgegange­n. Karlsruhe hatte den Konzernen 2016 lediglich Schadeners­atz für sinnlos gewordene Investitio­nen zugebillig­t. Dabei geht es nur um Millionen-Beträge.

Der schwedisch­e Staatskonz­ern Vattenfall hält zudem seine Klage vor einem US-Schiedsger­icht aufrecht. Vattenfall fordert von Deutschlan­d 4,7 Milliarden Euro Entschädig­ung für die Abschaltun­g von Krümmel und Brunsbütte­l. Von Schadeners­atz würde auch Eon, Juniorpart­ner bei beiden Meilern, profitiere­n. Die Grünen forderten Kanzlerin Merkel auf, sich in Schweden für ein Fallenlass­en der Klage stark zu machen.

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