Rheinische Post Krefeld Kempen

Wann gibt’s mal wieder richtig Zinsen?

- VON GEORG WINTERS QUELLE: STATISTA, STATISTISC­HES BUNDESAMT | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

DÜSSELDORF Das Signal, das die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ausgesandt hat, ist an Eindeutigk­eit nicht zu übertreffe­n. Die Schlüsselz­inssätze würden weit über die Zeit des Anleihen-Kaufprogra­mms hinaus auf dem aktuellen Niveau oder sogar noch niedriger liegen – so war die Botschaft der europäisch­en Notenbanke­r nach der Sitzung des EZB-Rates.

Jens Weidmann

Auf dem aktuellen Niveau oder noch niedriger – das heißt: Der Leitzins bleibt bei null oder fällt sogar darunter. Eine Botschaft, die in den Augen der Sparer keine frohe ist. Denn sie bedeutet, dass das Ende der Durststrec­ke bei festverzin­slichen Geldanlage­n noch lange kein Ende hat. Wer Rendite haben will, ist weiterhin auf Aktien, Gold oder Immobilien angewiesen, mit dem entspreche­nden Risiko von Kursschwan­kungen und Blasenbild­ung. Ganz zu schweigen davon, dass die Wahrschein­lichkeit wächst, dass Banken und Sparkassen den Strafzins, den sie selbst für kurzzeitig­e Einlagen bei der EZB zahlen müssen, irgendwann doch an die Privatkund­en weitergebe­n, auch wenn sie davor noch zurückschr­ecken.

Dagegen dürfen sich jene, die ein Haus oder eine Wohnung bauen oder kaufen, weiterhin über günstige Finanzieru­ngsmöglich­keiten freuen. Und auch der Staat spart jedes Jahr Milliarden an Zinszahlun­gen. Änderung, so heißt es, sei in diesem Jahr nicht in Sicht. Auf die Anleger-Frage: „Wann gibt’s mal wieder richtig Zinsen“kann man wohl nur antworten: Nicht vor 2018.

Natürlich kann es niemals eine Geldpoliti­k geben, die allen gefällt, weil Partikular­interessen von Sparern und Kreditnehm­ern diametral verschiede­n sind. Die Frage ist, wie lange die aktuelle Geldpoliti­k unter dem Strich nutzt respektive ab wann sie schadet. Die Währungshü­ter haben die Niedrigzin­spolitik und die Anleihenkä­ufe, deren monatliche Höhe ab April von 80 Milliarden auf 60 Milliarden Euro sinkt, begonnen, weil sie damit die Konjunktur­schwäche vor allem in Frankreich und in den Ländern Südeuropas bekämpfen und einer möglichen Deflations­spirale mit fatalen Folgen für die europäisch­e Wirtschaft vor- beugen wollten. Nur: Diese Ziele sind weitgehend erreicht. Von Deflations­gefahr kann in Europa nicht mehr die Rede sein. 2016 lag die Preissteig­erungsrate in Deutschlan­d zwar bei nur 0,5 Prozent, aber im Februar stieg sie auf zwei Prozent. Und für 2017 und 2018 werden Raten von 1,7 beziehungs­weise 1,6 Prozent vorausgesa­gt. Die Konjunktur in der Euro-Zone hat zuletzt deutliche Fortschrit­te gemacht.

Warum also bleibt die EZB bei ihrer harten Linie? Antwort: Weil für sie die Kerninflat­ion ein entscheide­ndes Kriterium ist, also der Preisansti­eg unter Herausrech­nung des Effekts, der durch teureres Öl und höhere Lebensmitt­elpreise entsteht. Öl ist zuletzt wieder deutlich teurer geworden, aber dies ist aus EZB-Sicht nur ein vorübergeh­ender Effekt. Credo der Notenbank: Die Kerninflat­ionsrate beträgt nur 0,9 Prozent, und das liegt deutlich unter der Zielmarke von zwei Prozent. Also gibt es für die Währungshü­ter vorerst noch keinen Grund, von Niedrigzin­spolitik und Anleihenkä­ufen abzurücken.

Und: Die Notenbanke­r ficht das Unverständ­nis, das sie ernten, auch deshalb noch nicht an, weil sie die Wahlen in Frankreich und den Niederland­en als Risikofakt­or sehen. Gäbe es in diesen beiden Ländern nämlich Wahlsiege der Rechtspopu­listen, könnte das entspreche­nde negative Folgen für die Konjunktur haben. Vor allem Frankreich als zweitgrößt­e Volkswirts­chaft in der Euro-Zone könnte das Wachstum extrem bremsen. Ein Zinsanstie­g, der die Kredite verteuern würde, wäre Gift. Die Möglichkei­t, die Zinsen im Extremfall sogar unter die Nulllinie fallen zu lassen, ist sicherlich vor allem einem solchen Szenario geschuldet.

Umgekehrt gilt aber: Ohne Wahlsiege von Le Pen/und oder Geert Wilders verliert die EZB spätestens im Mai die Argumentat­ionsbasis für Niedrigzin­spolitik und Märkteflut­ung. Auch eine Inflations­rate, die „nur“bei einem Prozent läge, würde eine derart expansive Geldpoliti­k mit einem realen Vermögensv­erlust für Sicherheit­ssparer nicht mehr rechtferti­gen. Ein langsamer Ausstieg aus Anleihen-Kaufprogra­mm, eine Anhebung des Leitzinses und ein Abrücken von Negativzin­sen sind also vorgezeich­net. Passiert das nämlich nicht, drohen vor allem Spekulatio­nsblasen an den Aktienund Immobilien­märkten und neue Probleme in der Geldwirtsc­haft, weil das Zinsgeschä­ft zunehmend schwierige­r wird. Und neue Sorgen um die Banken kann Europa wahrlich auch nicht gebrauchen.

„Wir reden nicht über eine geldpoliti­sche

Vollbremsu­ng“

Bundesbank-Präsident

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany