Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Diamanten von Nizza
Das Hotelpersonal war bestens auf seine Ankunft vorbereitet, und er wurde wie ein hochgeschätzter Stammgast behandelt. Der Hotelportier in seiner Negresco-Livree mit Zylinder und Gehrock in Scharlachrot und Blau hievte Dumas’ Koffer aus dem Taxi und war offensichtlich hocherfreut, ihn begrüßen zu dürfen. Das galt auch für das Empfangskomitee in der Rezeption. Selbst der Page, der den Koffer in seine Suite hinaufbrachte, schien die Augenblicke bis zu seiner Ankunft gezählt zu haben.
Was die Unterbringung betraf, hätte er sich nichts Besseres erhoffen können. Allein der Ausblick – auf die Promenade des Anglais und die endlose Weite des azurblauen Mittelmeers – war die Kosten der Suite wert, wie er fand. Und irgendjemand hatte sich nicht lumpen lassen und einen Eiskübel mit einer Flasche Champagner, Dom Perignon, auf dem Beistelltisch deponiert. Wie zuvorkommend und aufmerksam. Dumas öffnete den Umschlag, der mit dem Champagner geliefert worden war. Der darin enthaltene Zettel stammte von Coco: Papa – sei so nett und heb einen Schluck für mich auf. Bin heute Abend gegen halb sieben bei dir. C Xx.
In ihrem Büro unweit des Hotels telefonierte Coco gerade mit Kathy Fitzgerald. Die Anrufe erfolgten immer häufiger – sie tauschten sich mindestens einmal am Tag aus –, weil sich Coco die größte Mühe gab, Kathy bei den Vorbereitungen für die Party zu helfen.
„Da wäre noch etwas, das Ihnen Spaß machen könnte“, sagte Coco. „Ich habe gerade mit Elena und Sam gesprochen, diesen netten Ameri- kanern. Sie haben einen Freund, Philippe, der Korrespondent für Salut! ist – Sie wissen schon, dieses Hochglanz-Gesellschaftsmagazin. Sam meinte, dass Philippe sich freuen würde, mit seiner Fotografin auf einen Sprung vorbeizukommen und einen Artikel über Ihre Party zu schreiben. Was halten Sie davon?“
Kathy zögerte anstandshalber wenigstens zwei Sekunden lang. Aber Begeisterung lange zurückzuhalten war nicht ihre Sache. „Wow! Was für ein fantastisches Andenken an den Abend. Wären Sie so nett, alles zu arrangieren?“
„Selbstverständlich. Ich nehme an, dass Philippe Sie vor der Party noch etwas näher kennenlernen möchte. Wäre das in Ordnung für Sie?“
„Klar doch – und Coco, vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich weiß es wirklich zu schätzen.“
Sams Anruf in den frühen Abendstunden erreichte Philippe und Mimi in der gähnenden Leere und Dunkelheit des Club Croisette, der jüngsten Bereicherung des Nachtlebens von Cannes. Wie Philippe dem Clubbesitzer erklärt hatte, wollte Mimi einen kurzen Blick auf die Örtlichkeiten werfen, bevor sie mit den Aufnahmen begann. Der Mann betete atem- und schier endlos eine Litanei aller Berühmtheiten herunter, die später am Abend zur Eröffnung des Clubs geladen waren. Der Anruf, wenngleich kurz, stellte daher eine willkommene Unterbrechung dar.
„Ich hoffe, ich störe dich nicht beim Poledance-Training für heute Abend? Wie ist der Club?“– „Prima. Aber Sam, ich bin gerade beschäftigt.“– „Ich beeile mich. Halt dir am Dreiundzwanzigsten den Abend frei. Wir haben einen netten kleinen Auftritt für dich arrangiert. Ich ruf dich später noch mal an.“– Philippe wandte sich wieder dem Clubbesitzer zu. „Und Sie glauben wirklich, dass die Carla Bruni kommt?“Der Clubbesitzer nickte, und Philippe dachte nur, Hauptsache, sie fängt nicht an zu singen.
Nach der Vorbesichtigungstour nahmen Mimi und Philippe ein frühes Abendessen im Miramar Plage ein, einem Strandrestaurant an der Croisette.
„Nun, was hältst du von dem Club?“, fragte Philippe.
Mimi trank einen Schluck Wein und betrachtete die Sonne, die gerade hinter dem Horizont zu versinken begann. „Ich weiß nicht recht.“Sie deutete mit einer weit ausholenden Geste auf das Panorama, das sich vor ihnen ausbreitete. „Verglichen damit ist es schwierig, wegen eines finsteren Lochs in der Erde ins Schwärmen zu geraten, auch wenn noch so viel Geld investiert wurde, um ihm einen glamourösen Anstrich zu verleihen. Diese Schickeria-Treffpunkte wirken immer deprimierend, solange sie leer sind; sie kommen besser zur Geltung, wenn sie mit Menschen vollgepfropft werden. Aber keine Sorge – ich bin sicher, dass ich trotzdem ein paar gute Aufnahmen machen kann.“
Philippes Handy klingelte. Wie versprochen, rief Sam wieder an, um ihnen ein paar Einzelheiten über die Party bei den Fitzgeralds und die Gäste zu erzählen, die Coco eingeladen hatte. „Klingt nach einer interessanten bunten Mischung“, fügte er hinzu. „Und ich weiß, dass Elena sich freuen würde, Mimi wiederzusehen, was längst geschehen wäre, wenn du sie nicht ständig auf Trab halten würdest. Und, was sagst du?“– Philippe dachte einen Augenblick nach. Allem Anschein nach waren die A-Promis bei dieser Party dünn gesät, doch der Glamour von Cap Ferrat war immer ein Plus, und reiche Amerikaner, die sich amüsierten, boten eine willkommene Abwechslung nach all den Europäern und Russen, die keine Manieren besaßen. „Ok. Warum nicht?“, sagte er. 14. KAPITEL Trotz der Anforderungen und Pflichten, die ihm als Chronist der Festivitäten von les people auferlegt waren, blieb Philippe noch Zeit, über seinen Knüller nachzudenken – den Exklusivbericht, der die wahre Geschichte hinter den ungelösten Juwelendiebstählen enthüllen sollte. Das führte wiederum zur Weiterentwicklung einer Idee, die sich schon seit geraumer Zeit in seinem Hinterkopf festgesetzt hatte: Eine Serie über die Häuser der Reichen und Berühmten zu machen. Die Raubüberfälle verliehen diesem Vorhaben nun eine weitere spannende Dimension, wie er fand. Es war offensichtlich, dass die Opfer wenn schon nicht berühmt, so doch zumindest reich waren. Und die rätselhaften Umstände, die mit den Diebstählen einhergingen, erfüllten sämtliche Voraussetzungen für die Sensationsstorys, die Leserinnen und Leser von Salut! unwiderstehlich fanden.
Die größte Herausforderung bestand darin, die Besitzer zu überreden, ihm Zugang zu ihren Häusern zu gewähren. Er war jedoch sicher, dass ihn seine alte Verbündete, die menschliche Natur, dabei unterstützen würde; es erstaunte ihn noch heute, dass der Reiz, zur Prominenz zu gehören, verlockend genug war, um Leute zu veranlassen, einem Einblick in ihr Privatleben zuzustimmen, gleich welcher Art.
(Fortsetzung folgt)