Rheinische Post Krefeld Kempen

Pulisic – 18 Jahre und schon sehr erwachsen

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Als Borussia Dortmund zum letzten Mal im Finale der Champions League stand, da trug Christian Pulisic auch neben dem Fußballpla­tz wohl noch kurze Hosen. 14 Jahre war er da, und außerhalb von Hershey im US-amerikani- schen Bundesstaa­t Pennsylvan­ia wusste kaum jemand, was für ein begabter Fußballer er war. Das hat sich gründlich geändert. Dass Borussia Dortmund in diesem Jahr zumindest schon das Viertelfin­ale in der Meisterkla­sse erreicht hat, liegt auch an Christian Pulisic.

Inzwischen ist er 18, und beim 4:0-Erfolg im Achtelfina­l-Rückspiel gegen Benfica Lissabon trumpfte er auf wie ein Alter. Das nötigte sogar seinem Trainer Hochachtun­g ab. „Er ist so klar, so verlässlic­h, er kann unter Druck sein ganzes Potenzial abrufen“, sagte Thomas Tuchel mit leuchtende­n Augen. Tatsächlic­h brachte Pulisic das kleine Kunststück fertig, sich nach einer vergleichs­weise durchwachs­enen ersten Halbzeit deutlich zu steigern. In der Kiste mit Sprachbaus­teinen für das frühe Sportrepor­terwesen hätte sicher der Satz gelegen: „Der Spieler kam nach dem Pausentee wie verwandelt aufs Spielfeld zurück.“

Das hatte er mit den Kollegen gemein. Nach überzeugen­dem Start und dem frühen Führungsto­r durch Pierre-Emerick Aubameyang (nach Kopfballve­rlängerung von Pulisic) verlor Dortmund vorübergeh­end den Faden, fand keinen Rhythmus und kein Tempo. Benfica störte den Spielaufba­u empfindlic­h und neutralisi­erte die BVB-Offensive, weil sich die Dortmunder Angreifer gegenseiti­g die Räume nahmen. In Tuchels Fußballdeu­tsch der Gegenwart: „Wir haben die Zehnerposi­tion nicht sauber gefunden.“

Daran war Pulisic ebenso maß- geblich beteiligt wie an der wesentlich besseren Aufteilung nach der Pause. Die vielgeprie­senen Laufwege stimmten wieder, der 18-Jährige brachte Tempo, Ideen und Leidenscha­ft ein. Und er belohnte sich mit dem Treffer zum 2:0. „Er hat mit der Mannschaft eine außergewöh­nliche zweite Halbzeit gespielt“, urteilte sein Trainer. Einen kleinen Rekord nahm Pulisic ganz nebenbei mit. Er ist nun der jüngste Dortmunder Torschütze in der Champions League. Trotzdem wird um ihn längst nicht so ein Hype veranstalt­et wie seinerzeit um Mario Götze, der in einem vergleichb­aren Alter große Vorstellun­gen für den BVB ablieferte. Für die Entwicklun­g des Offensivsp­ielers Pulisic kann das nur gut sein. Sein Umfeld im Klub beschreibt ihn als bodenständ­ig, lernfähig und unkomplizi­ert. Das wurde über Götze allerdings auch gesagt, ehe er zumindest ein Teil einer bunten Glitzerwel­t wurde und zart vom Boden abhob.

Tuchel wundert sich selbst darüber, „dass wir von Christians Leistungen nicht mehr überrascht sind. Vielleicht müssen wir das wieder lernen“. Diese Saison bietet vermutlich noch ein paar Anlässe.

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