Rheinische Post Krefeld Kempen
Der alltägliche Sexismus
DÜSSELDORF Seit NRW-Arbeits- und Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) seine Gegenspielerin von der CDU, Serap Güler, öffentlich als „gut aussehende, schwarzhaarige Dame“bezeichnete, deren Pressemitteilungen „Gott sei Dank“niemand abdrucke, hat die Landesregierung ihre Sexismus-Debatte. Umso mehr, als Schmeltzer diese Äußerung in einen Zusammenhang mit einer Bewertung ihrer politischen Arbeit brachte.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) lässt ihrem Minister den Fehltritt dennoch durchgehen, indem sie seine halbherzige Entschuldigung akzeptiert. Auf die Frage der CDU-Fraktion, ob sie es für tolerabel halte, dass ein Mitglied ihres Kabinetts sexistische Aussagen tätige, heißt es in der Antwort von Franz-Josef LerschMense, dem Chef der Staatskanzlei, im Namen der Landesregierung schlicht: „Nein.“Auch zu einem Gespräch wolle Kraft den Minister nicht einladen. Ebenso knapp fällt die Antwort auf die Frage nach den Konsequenzen aus: „Keine“, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage der CDU.
Die Reaktion der Landesregierung legt nahe, dass die Ministerpräsidentin das Problem offenbar verdrängen will. Doch was als harmloses Kompliment heruntergespielt werden soll, ist in Wahrheit purer Sexismus. Dabei ist es einerlei, ob die Äußerung des Ministers in diesem Kontext positiv oder negativ gemeint war. Entscheidend ist, dass der Minister die Sachebene verließ und ein auf jahrhundertealten Stereotypen basierendes Urteil über eine politische Gegnerin fällte. Dies ist umso bestürzender, als es sich um den Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen handelt.
Wie weit Minister Schmeltzer eigentlich danebengriff, wird noch deutlicher, wenn man den Auslöser des Vorurteils, in diesem Fall das Geschlecht, durch vergleichbare Merkmale ersetzt wie se- xuelle Orientierung oder Herkunft. Wie groß wäre wohl die Aufregung, wenn der Minister einem Politiker aufgrund seiner Homosexualität oder Hautfarbe Komplimente gemacht hätte, statt sich mit den Inhalten seiner Politik auseinanderzusetzen? Das Fatale an solchen Äußerungen ist, dass die Auseinandersetzung über Inhalte dann meist gar nicht mehr stattfindet.
Diese Mechanismen sind lange bekannt. Neu ist, dass Frauen sich öffentlich immer häufiger gegen Sexismus zur Wehr setzen. Und dass die Öffentlichkeit zunehmend sensibel reagiert.
Jüngstes Beispiel ist der Fall des polnischen EU-Abgeordneten Janusz Korwin-Mikke, der nach sexistischen Aussagen für zehn Tage von Aktivitäten des Europäischen Parlaments suspendiert wird. Korwin-Mikke hatte während einer Debatte zur ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen am 1. März gesagt: „Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer, denn sie sind schwächer, kleiner und weniger intelligent.“Parlamentspräsident Antonio Tajani sagte, er werde „solches Verhalten nicht tolerieren“. Indem Korwin-Mikke „alle Frauen“beleidige, habe er „Verachtung für unsere grundlegendsten Werte“gezeigt.
Ein weiterer prominenter Fall war der von Jenna Behrends, einer 26-jährigen CDU-Lokalpolitikerin aus Berlin. Sie hatte im Oktober 2016 mit einem offenen Brief im feministischen OnlineMagazin „Edition F“Aufsehen erregt, in dem sie den Sexismus in ihrer eigenen Partei anprangert. Behrends, die in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Mitte sitzt, hatte darin unter anderem davon berichtet, dass sie von Frank Henkel, damals Innensenator und Landesverbandsvorsitzender, als „große süße Maus“bezeichnet worden sei. Zudem sei ihr unterstellt worden, sie wolle sich für den Sitz in der BVV „hochschlafen“, ihr seien mehrere Affären angehängt worden. Henkel äußerte sich daraufhin enttäuscht über die Form des öffentlichen Briefes und
Janusz Korwin-Mikke offenbarte den Wunsch, das Ganze mit Behrends persönlich zu klären.
Auch an der Eignung von Katja Suding, der FDP-Parteivorsitzenden in Hamburg, wurde öffentlich gezweifelt, indem sie auf ihr Äußeres reduziert wurde. Nachdem die Hamburger FDP mit Suding als Spitzenkandidatin bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 7,4 Prozent geholt hatte, verstieg sich der baden-württembergische GrünenPolitiker Jörg Rupp bei Twitter zu dem Satz: „Muss man sich mal vorstellen: mit Titten und Beinen anstatt Inhalten.“Die Kritik ließ nicht lange auf sich
„Frauen sind schwächer,
kleiner und weniger intelligent als Männer“
EU-Abgeordneter