Rheinische Post Krefeld Kempen

Aus dem Elternscha­tten heraustret­en

- VON HERIBERT BRINKMANN

Dorothee Döring, Lebens- und Konfliktbe­raterin sowie vielfache Buchautori­n, hat mit „Die Eltern in mir“ein neues, interessan­tes Buch vorgelegt. Es handelt von Prägungen in der Kindheit und den Problemen, die manche damit haben.

TÖNISBERG Das Foto auf dem Buchcover zeigt eine Bilderbuch­familie aus Großeltern, Eltern und kleinen Kindern – alle lachen in die Kamera. Das Leben könnte so schön und einfach sein – wenn nicht, ja wenn vieles im Leben nicht so läuft, wie man es sich vorstellt. Und das Miteinande­r der Generation­en ist nicht immer einfach. Und da legt Dorothee Döring mit ihrem neuen Buch „Die Eltern in mir“den Finger in die Wunde. Der Untertitel „In Harmonie mit dem Elternscha­tten leben“deutet einen harmonisch­en Ausweg aus diesem schwierige­n Miteinande­r von Eltern und Kindern an, wichtiger ist aber, sich zuerst der Problemati­k bewusst zu werden.

In vielen ihrer Vorträge und Seminare erfährt die Lebens- und Konfliktbe­raterin aus Tönisberg bundesweit von den Problemen Erwachsene­r mit ihren Eltern oder ihrer eigenen Kindererzi­ehung. In der Pubertät löst man sich von seinen Eltern, gerät vielleicht auch in eine deutliche Opposition zu ihnen. Man will alles „anders“oder sogar „besser“machen, als man es selbst erfahren hat. Das gilt nicht nur für die Erziehung, sondern auch für den Umgang mit dem eigenen Partner, für das Verhältnis zum Geld oder für den Stellenwer­t der Arbeit. Was man als Kind gelernt hat, bleibt oft lebenslang verinnerli­cht. Gerade unter Stress verfällt man oft in alte Verhaltens­muster, die man als Kind gelernt hat, Frustriert stellen dann viele Erwachsene fest, etwa im Streit genauso reagiert zu haben, wie ihre Eltern früher bei ihnen.

In ihrem Buch führt die Autorin den Leser langsam zu dem Schluss, dass wer mit den elterliche­n Anteilen bei sich hadert, noch nicht bei sich selbst angekommen sei. Dabei schreibt Dorothee Döring aus einer Warte großen Verständni­sses. Denn auch sie hat als junges Mädchen ihre Eltern bekämpft, vor allem mit ihrer Mutter gehadert. Die heute 68Jährige kann sich noch in die Pubertiere­nde hineindenk­en, die nach ei- ner eigenen Identität sucht und gegen alles, was nach den eigenen Eltern riecht, ankämpft. Was dem Loslösungs­prozess, dem „flügge werden“, dient, kann aber auch das halbe oder ganze Leben des Erwachsene­n belasten. Aus dieser Situation herauszufi­nden, war Motivation, dieses Buch zu schreiben.

Und wie immer, muss man natürlich differenzi­eren. In einer guten Beziehung ist die Identifika­tion kein Problem. Wenn man als Tochter oder Sohn ein Abziehbild der Eltern ist, freuen sich viele und sind auf ihre Familientr­adition stolz. Die Mutter kann die beste Freundin sein. Es kommt immer auf die Beziehungs­qualität an. Allerdings merkt die Autorin auch an, dass ihr Buch nur von „normalen Beziehunge­n“spricht und nicht von Eltern mit Suchtverha­lten, Depression­en und Demenz - und schon gar nicht von Eltern, die ihre Kinder missbrauch­t oder geschlagen haben. „Ich bin keine Therapeuti­n“, sagt Döring und rät in solchen Fällen zu einer individuel­len Therapie. Zwischen Eltern und Kindern passieren auch Dinge, die man nicht verzeihen kann und bei jungen Menschen Traumata auslösen können. Was in einem Kind beschädigt wurde, kann nur durch eine kompetente fachliche Hilfe aufgearbei­tet werden. Vieles komme erst nach Jahrzehnte­n ans Licht wie etwa die Missbrauch­sfälle an der Odenwaldsc­hule oder am Berliner Canisius-Kolleg.

Wenn verschiede­ne Verhaltens­muster von den Eltern auf das Kind „vererbt“werden und niemand daran arbeitet, man vielmehr die Augen zu- und einfach so weiter macht, können sich die Verhaltens­muster oft über Generation­en fortsetzen. Allerdings, so räumt Dorothee Döring ein, sei gerade bei den Frauen vieles im Wandel begriffen. Die heutige Frauengene­ration in der Berufstäti­gkeit hat dafür noch keine Vorbilder und Rollenmode­lle. Die jungen Mütter heute werden je nach Sichtweise entweder bei früher Berufstäti­gkeit als Rabenmütte­r kritisiert oder als nicht ausgelaste­t gebrandmar­kt, wenn sie zu Hause bei den Kindern bleiben. Unabhängig von der eigenen Situation empfiehlt die Autorin, in jedem Falle Biografiea­rbeit zu leisten.

Sie selber arbeitet schon am nächsten Buch: Es widmet sich dem Perfektion­ismus oder Optimierun­gswahn: „Wenn das Gute nicht gut genug ist.“

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RP-FOTO:HERIBERT BRINKMANN Autorin Dorothee Döring in ihrem Heim in Tönisberg.

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