Rheinische Post Krefeld Kempen

Sommer erarbeitet sich das Gefühl

- VON GEORG AMEND

Borussias Torwart hält seinen ersten Bundesliga-Elfmeter und das 0:0 in Frankfurt. Mit der Offensive ist er unzufriede­n.

FRANKFURT Fast genau zwei Jahre hat es gedauert, bis Yann Sommer dieses spezielle Gefühl wieder erleben konnte: Am 8. April 2015 hatte Borussias Torwart im Elfmetersc­hießen der DFB-Pokalparti­e gegen Arminia Bielefeld den Versuch von Marc Lorenz gehalten. Nun, am 1. April 2017, parierte der 28-Jährige den Strafstoß von Marco Fabián, Stürmer in Diensten der Frankfurte­r Eintracht. Damit hielt Sommer das 0:0 fest, mit dem sich beide Mannschaft­en am Ende trennten. Es war zugleich der erste Elfmeter, den Sommer in der Bundesliga gehalten hat. „Traurig, traurig“, fand er diese Bilanz bei „Sky“, garnierte dies aber mit einem smarten Lächeln.

Immerhin war der Schweizer Nationalke­eper als „Penaltykil­ler“zu Borussia gewechselt, beim FC Basel hatte er sich diesen Beinamen verdient, da er im Schnitt jeden dritten Elfer pariert hatte. Und dann diese Bilanz in Gladbach: 29-mal trat ein Schütze vor Fabián gegen Sommer an, 25-mal war der Ball drin, einmal rettete die Latte, zweimal trafen die Gegner das Tor nicht – so blieb nur die Parade gegen Lorenz im Pokal. „Ich glaube, insgeheim hat ihn das schon gewurmt, dass er so lange keinen Elfer gehalten hat“, sagte sein Kapitän Lars Stindl. „Wir haben im Training diese Woche relativ häufig Elfmeter geschossen. Er hat hart daran gearbeitet und wurde nun dafür belohnt. Er hält zu wichtigen Zeiten einfach ganz wichtige Bälle.“

Darin eingeschlo­ssen waren in Frankfurt auch Paraden gegen Branimir Hrgotas Flachschus­s im Strafraum (59.) und gegen den Kopfball von Haris Seferovic unmittelba­r vor dem Strafstoß, den Oscar Wendt mit einem Handspiel verursacht hatte.

So recht passte das 0:0 der Borussen in Frankfurt nicht zum Rest. Mit diesem Unentschie­den hat Borussia die Richtungsf­rage, die hinter der Dienstreis­e nach Hessen stand, nicht beantworte­t. Dabei hatte der Klub die vergangene­n beiden Wochen doch ganz nachhaltig genutzt, um Antworten zu geben auf offene Fragen. Zunächst wurde am Donnerstag die Frage nach der Zukunft des hochbegabt­en Mo Dahoud geklärt – mit negativem Ausgang für die Borussen. Doch hielt sich die Betroffenh­eit in Grenzen, einst als Marco Reus ankündigte, wie nun Dahoud von Gladbach zu Borussia Dortmund zu wechseln, gab es lauteres Wehkla-

Sommer selber sagte: „Heute war das Glück mal auf meiner Seite. Irgendwann musste es ja mal so kommen. Elfmetersc­hießen ist halt auch eine Glückssach­e. Es braucht eine richtige Entscheidu­ng, und dann muss der Elfmeter auch so geschossen sein, dass man als Torhüter dran kommt. Und das war heute so.“Dabei hatte Fabián hart nach links unten geschossen, doch Sommer hatte sich voll in die Ecke geschmisse­n. „Natürlich wurmt einen als Torhüter das“, gab Sommer mit Blick auf die bisherige Bilanz zu. „Wenn man so viele Elfmeter bekommen und gen. Jetzt wie damals erklärte Sportdirek­tor Max Eberl, dass es „Sch....“sei, derartiges Talent zu verlieren, doch gleichwohl geht es weiter: „Der Verein hat sich in den vergangene­n Jahren einen besonderen Stellenwer­t erarbeitet, weil wir junge Spieler finden, mit ihnen arbeiten und sie entwickeln. Natürlich müssen wir sie dann leider oft auch verkaufen. Trotzdem haben wir die Möglichkei­t, das Geld wieder investiere­n zu können, um wieder neue Talente zu finden und einen neuen Weg zu gehen. Das ist ein Stück weit eine Sisyphos-Arbeit. Aber es macht unglaublic­h viel Freude“, sagte Eberl.

Er hatte von Dahoud eine klare Entscheidu­ng gefordert, um den keinen gehalten hat, muss man was ändern oder sich anders darauf vorbereite­n. Man möchte der Mannschaft das Gefühl geben, dass auch in so einer Situation der Torhüter da ist. Das war in den letzten Wochen ein bisschen schwierig, aber jetzt ist es einfach schön, dass es mal gelungen ist.“Der Schweizer sagte aber auch: „Schön, dass ich den Elfmeter gehalten habe, und der Punkt, den wir mitnehmen, ist gut, aber wir hätten lieber ein besseres Spiel gemacht, uns mehr Tormöglich­keiten erarbeitet. Das ist uns nicht gelungen.“ Kopf des jungen Mannes von diesem Thema freizumach­en für die Rest-Saison, aber auch, um Ruhe reinzubrin­gen in den Klub. Weswegen er auch noch mal klarstellt­e, dass Andreas Christense­n zurückgehe­n wird zum FC Chelsea. In dieser Sache gibt es ebenfalls nun die reine Klarheit, kein Hin und Her mehr. Als Eberl über Dahoud und Christense­n sprach, war klar: Auch er muss sich festlegen in der Bayern-Frage. Das hatte er da längst getan, allein fehlte bis Samstag die Bekanntmac­hung, und wer in den vergangene­n Tagen mit Eberl sprach, spürte seine Erleichter­ung. Eberl wusste, dass er ohnehin heute bei der Mitglieder­versammlun­g hätte Farbe bekennen

Und das, obwohl Trainer Dieter Hecking erstmals seit zwei Monaten, dem 3:0-Sieg gegen den SC Freiburg am 4. Februar, wieder sein „36Tore-Trio“Stindl, Raffael und Thorgan Hazard komplett auf den Rasen schicken konnte. Das verpuffte indes mit Ausnahme weniger guter Dribblings von Raffael. So lautete das Fazit von Manager Max Eberl: „Das Beste ist ein Punkt und dass Yann Sommer einen Elfmeter gehalten hat und sich für die harte Arbeit der vergangene­n Wochen belohnt hat. Er hat das diese Woche mit Uwe Kamps auch separat trainiert. Dass müssen, und dass es Schwarz-WeißGrün sein müsste, das wusste er auch. Nun ist raus, dass es Gladbach statt Bayern ist, bis 2022, fünf weitere Jahre also, 23 sind es dann insgesamt, und womöglich macht er noch das Vierteljah­rhundert voll mit einer weiteren Verlängeru­ng. Möglich ist aber auch, dass das BayernThem­a wiederkomm­t irgendwann. Im Fußball ist heute nie alle Tage. Was aktuell aber zählt ist: Eberl ist und bleibt Borusse. Das gibt den Fans das nötige Gefühl von Sicherheit und Vertrauen.

Eberl wird daher heute wieder Beifall erhalten, wenn er seine Rede hält bei der Mitglieder­versammlun­g. Gleichwohl wird er auch die so sich Training so schnell umsetzen lässt, wusste ich auch nicht.“Immerhin weiß sein Torwart jetzt, wie es sich anfühlt, in der Bundesliga einen Elfmeter zu halten.

Sommer brachte die Hände zur rechten Zeit an den Ball. Tony Jantschkes linke Hand hingegen geriet sozusagen „unter die Stollen“von Ante Rebic. „Ich bin erstens auf die Hand gefallen, dann kamen die Stollen komplett drüber“, sagte Jantschke, der zur Pause raus musste. Er zog sich eine Handprellu­ng zu. Mittwoch gegen Hertha dürfte er wohl wieder dabei sein.

Gut, dass nun einige Themen abgeschlos­sen sind

seltsame Zick-Zack-Saison erklären müssen, die tolle Europa-Abende und Pokalträum­e zu bieten hat, aber auch Problemsit­uationen in der Liga inklusive eines Trainerwec­hsels. Er wird von Zielen sprechen für diese Spielzeit, in der von Nichts bis ganz viel drin ist. Sogar, dass Eberl das von ihm vielzitier­te „Blech“in Händen hält. Bei so viel Offenheit ist es ganz gut, wenn ein paar Themen abgeschlos­sen werden. Dass Eberl von nun an etliche Spekulatio­nen über eventuelle neue Dahouds und Christense­ns kommentier­en muss, ist für Gladbach eine gute Nachricht. Denn er bastelt an der Zukunft des Klubs, die auch die seine ist.

Karsten Kellermann

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Yann Sommer hält den Elfmeter von Marco Fabián (verdeckt). Das sehen Bastian Oczipka, Patrick Herrmann, Michael Hecto (v. li.) aus nächster Nähe.

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