Rheinische Post Krefeld Kempen
Sommer erarbeitet sich das Gefühl
Borussias Torwart hält seinen ersten Bundesliga-Elfmeter und das 0:0 in Frankfurt. Mit der Offensive ist er unzufrieden.
FRANKFURT Fast genau zwei Jahre hat es gedauert, bis Yann Sommer dieses spezielle Gefühl wieder erleben konnte: Am 8. April 2015 hatte Borussias Torwart im Elfmeterschießen der DFB-Pokalpartie gegen Arminia Bielefeld den Versuch von Marc Lorenz gehalten. Nun, am 1. April 2017, parierte der 28-Jährige den Strafstoß von Marco Fabián, Stürmer in Diensten der Frankfurter Eintracht. Damit hielt Sommer das 0:0 fest, mit dem sich beide Mannschaften am Ende trennten. Es war zugleich der erste Elfmeter, den Sommer in der Bundesliga gehalten hat. „Traurig, traurig“, fand er diese Bilanz bei „Sky“, garnierte dies aber mit einem smarten Lächeln.
Immerhin war der Schweizer Nationalkeeper als „Penaltykiller“zu Borussia gewechselt, beim FC Basel hatte er sich diesen Beinamen verdient, da er im Schnitt jeden dritten Elfer pariert hatte. Und dann diese Bilanz in Gladbach: 29-mal trat ein Schütze vor Fabián gegen Sommer an, 25-mal war der Ball drin, einmal rettete die Latte, zweimal trafen die Gegner das Tor nicht – so blieb nur die Parade gegen Lorenz im Pokal. „Ich glaube, insgeheim hat ihn das schon gewurmt, dass er so lange keinen Elfer gehalten hat“, sagte sein Kapitän Lars Stindl. „Wir haben im Training diese Woche relativ häufig Elfmeter geschossen. Er hat hart daran gearbeitet und wurde nun dafür belohnt. Er hält zu wichtigen Zeiten einfach ganz wichtige Bälle.“
Darin eingeschlossen waren in Frankfurt auch Paraden gegen Branimir Hrgotas Flachschuss im Strafraum (59.) und gegen den Kopfball von Haris Seferovic unmittelbar vor dem Strafstoß, den Oscar Wendt mit einem Handspiel verursacht hatte.
So recht passte das 0:0 der Borussen in Frankfurt nicht zum Rest. Mit diesem Unentschieden hat Borussia die Richtungsfrage, die hinter der Dienstreise nach Hessen stand, nicht beantwortet. Dabei hatte der Klub die vergangenen beiden Wochen doch ganz nachhaltig genutzt, um Antworten zu geben auf offene Fragen. Zunächst wurde am Donnerstag die Frage nach der Zukunft des hochbegabten Mo Dahoud geklärt – mit negativem Ausgang für die Borussen. Doch hielt sich die Betroffenheit in Grenzen, einst als Marco Reus ankündigte, wie nun Dahoud von Gladbach zu Borussia Dortmund zu wechseln, gab es lauteres Wehkla-
Sommer selber sagte: „Heute war das Glück mal auf meiner Seite. Irgendwann musste es ja mal so kommen. Elfmeterschießen ist halt auch eine Glückssache. Es braucht eine richtige Entscheidung, und dann muss der Elfmeter auch so geschossen sein, dass man als Torhüter dran kommt. Und das war heute so.“Dabei hatte Fabián hart nach links unten geschossen, doch Sommer hatte sich voll in die Ecke geschmissen. „Natürlich wurmt einen als Torhüter das“, gab Sommer mit Blick auf die bisherige Bilanz zu. „Wenn man so viele Elfmeter bekommen und gen. Jetzt wie damals erklärte Sportdirektor Max Eberl, dass es „Sch....“sei, derartiges Talent zu verlieren, doch gleichwohl geht es weiter: „Der Verein hat sich in den vergangenen Jahren einen besonderen Stellenwert erarbeitet, weil wir junge Spieler finden, mit ihnen arbeiten und sie entwickeln. Natürlich müssen wir sie dann leider oft auch verkaufen. Trotzdem haben wir die Möglichkeit, das Geld wieder investieren zu können, um wieder neue Talente zu finden und einen neuen Weg zu gehen. Das ist ein Stück weit eine Sisyphos-Arbeit. Aber es macht unglaublich viel Freude“, sagte Eberl.
Er hatte von Dahoud eine klare Entscheidung gefordert, um den keinen gehalten hat, muss man was ändern oder sich anders darauf vorbereiten. Man möchte der Mannschaft das Gefühl geben, dass auch in so einer Situation der Torhüter da ist. Das war in den letzten Wochen ein bisschen schwierig, aber jetzt ist es einfach schön, dass es mal gelungen ist.“Der Schweizer sagte aber auch: „Schön, dass ich den Elfmeter gehalten habe, und der Punkt, den wir mitnehmen, ist gut, aber wir hätten lieber ein besseres Spiel gemacht, uns mehr Tormöglichkeiten erarbeitet. Das ist uns nicht gelungen.“ Kopf des jungen Mannes von diesem Thema freizumachen für die Rest-Saison, aber auch, um Ruhe reinzubringen in den Klub. Weswegen er auch noch mal klarstellte, dass Andreas Christensen zurückgehen wird zum FC Chelsea. In dieser Sache gibt es ebenfalls nun die reine Klarheit, kein Hin und Her mehr. Als Eberl über Dahoud und Christensen sprach, war klar: Auch er muss sich festlegen in der Bayern-Frage. Das hatte er da längst getan, allein fehlte bis Samstag die Bekanntmachung, und wer in den vergangenen Tagen mit Eberl sprach, spürte seine Erleichterung. Eberl wusste, dass er ohnehin heute bei der Mitgliederversammlung hätte Farbe bekennen
Und das, obwohl Trainer Dieter Hecking erstmals seit zwei Monaten, dem 3:0-Sieg gegen den SC Freiburg am 4. Februar, wieder sein „36Tore-Trio“Stindl, Raffael und Thorgan Hazard komplett auf den Rasen schicken konnte. Das verpuffte indes mit Ausnahme weniger guter Dribblings von Raffael. So lautete das Fazit von Manager Max Eberl: „Das Beste ist ein Punkt und dass Yann Sommer einen Elfmeter gehalten hat und sich für die harte Arbeit der vergangenen Wochen belohnt hat. Er hat das diese Woche mit Uwe Kamps auch separat trainiert. Dass müssen, und dass es Schwarz-WeißGrün sein müsste, das wusste er auch. Nun ist raus, dass es Gladbach statt Bayern ist, bis 2022, fünf weitere Jahre also, 23 sind es dann insgesamt, und womöglich macht er noch das Vierteljahrhundert voll mit einer weiteren Verlängerung. Möglich ist aber auch, dass das BayernThema wiederkommt irgendwann. Im Fußball ist heute nie alle Tage. Was aktuell aber zählt ist: Eberl ist und bleibt Borusse. Das gibt den Fans das nötige Gefühl von Sicherheit und Vertrauen.
Eberl wird daher heute wieder Beifall erhalten, wenn er seine Rede hält bei der Mitgliederversammlung. Gleichwohl wird er auch die so sich Training so schnell umsetzen lässt, wusste ich auch nicht.“Immerhin weiß sein Torwart jetzt, wie es sich anfühlt, in der Bundesliga einen Elfmeter zu halten.
Sommer brachte die Hände zur rechten Zeit an den Ball. Tony Jantschkes linke Hand hingegen geriet sozusagen „unter die Stollen“von Ante Rebic. „Ich bin erstens auf die Hand gefallen, dann kamen die Stollen komplett drüber“, sagte Jantschke, der zur Pause raus musste. Er zog sich eine Handprellung zu. Mittwoch gegen Hertha dürfte er wohl wieder dabei sein.
Gut, dass nun einige Themen abgeschlossen sind
seltsame Zick-Zack-Saison erklären müssen, die tolle Europa-Abende und Pokalträume zu bieten hat, aber auch Problemsituationen in der Liga inklusive eines Trainerwechsels. Er wird von Zielen sprechen für diese Spielzeit, in der von Nichts bis ganz viel drin ist. Sogar, dass Eberl das von ihm vielzitierte „Blech“in Händen hält. Bei so viel Offenheit ist es ganz gut, wenn ein paar Themen abgeschlossen werden. Dass Eberl von nun an etliche Spekulationen über eventuelle neue Dahouds und Christensens kommentieren muss, ist für Gladbach eine gute Nachricht. Denn er bastelt an der Zukunft des Klubs, die auch die seine ist.
Karsten Kellermann