Rheinische Post Krefeld Kempen

Privates Konto auf Kanzleibri­efbogen?

- VON HERIBERT BRINKMANN RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ

Auch am vierten Verhandlun­gstag des Prozesses gegen Lothar und Jessica Vauth blieb es wieder beim bloßen Vorspiel: Die Verteidigu­ng will einen Besetzungs­einwand gegen die Zweite Große Strafkamme­r begründen.

KREFELD / TÖNISVORST Gut gelaunt und aufmerksam sitzen Jessica und Lothar Vauth in der Anklageban­k. Dem Tönisvorst­er Ehepaar wird Untreue im Umgang mit Mandatenge­ldern und Schädigung der Krefelder Sozietät in 923 Fällen vorgeworfe­n. Es geht um einen Schaden von insgesamt 1,9 Millionen Euro. Doch, obwohl Lothar Vauth in Untersuchu­ngshaft (im Justizvoll­zugskranke­nhaus Fröndenber­g) sitzt, gibt es kein Geständnis. Deshalb gilt nach wie vor die Unschuldsv­ermutung. Und noch ist das Gericht kaum zu den Tatsachen gekommen. Bisher hat die Staatsanwa­ltschaft nur die Anklage verlesen können. Die Verteidigu­ng schlug am ersten Tag ein Rechtsgesp­räch vor. Nachdem sich die Prozessbet­eiligten dabei nicht annähern konnten, kam die Verteidigu­ng mit einem Besetzungs­einwand um die Ecke. Die mündliche Begründung durch den Verteidige­r Daniel Wölky dauert seitdem an. Sie nahm den zweiten, dritten und gestern den vierten Verhandlun­gstag voll in Anspruch. Fertig ist Wölky immer noch nicht, weil der Angeklagte im Rollstuhl auch gestern wieder erschöpft war.

Die wenigen Zuhörer stimmten mit den Füßen ab und verließen nach und nach den Gerichtssa­al. Und auch die Staatsanwä­lte lösten sich nach jeweils zwei Stunden ab. Doch die Zweite Große Strafkamme­r unter Vorsitz von Richterin Ellen RoidlHock, dazu zwei weitere Richter und zwei Schöffen, übt sich in Geduld. Es wird sicher noch ein, zwei Verhandlun­gstage dauern, bis die Angeklagte­n zur Sache vernommen werden können. Die Taten, für die sich das Ehepaar Vauth verantwort­en muss, liegen gut zehn Jahre zurück. Lothar Vauth hatte da gerade die Session als St. Töniser Prinz hinter sich und den Wahlkampf als SPD-Kandidat für den Landrat im Kreis Viersen noch vor sich. Die Krefelder Sozietät Dr. Stöber, Oehring und Partner – Vauth gehörte zu den Partnern, Jessica Vauth leitete das Büro der Kanzlei – musste in Folge der finanziell­en Folgen der vorgeworfe­nen Untreue und Betrugs Insolvenz anmelden. Der Insolvenzv­erwalter war bereits als Prozessbeo­bachter im Publikum. Dass es nach so langer Zeit überhaupt zum Prozess kam, überrascht­e sehr. Lothar Vauth entzog sich über Jahre der Strafverfo­lgung, indem er Atteste mit psychische­n und organische­n Erkrankung­en vorlegte.

Um seinen noch nicht gestellten Antrag zum Besetzungs­einwand zu begründen, liest Verteidige­r Daniel Wölky aus den Unterlagen der Staatsanwä­lte vor. Jede einzelne Kontobeweg­ung der 923 Fälle wird vorgelesen. Gestern ging es um den Vorwurf, dass die Vauths ein privates Konto auf den Briefbögen der Kanzlei als Konto der Sozietät aufführten. Vorgeworfe­n werden ihnen 270 Gutschrif- ten, die Mandate der Kanzlei betreffen und auf diesem Konto landeten. Die auf dem angebliche­n Privatkont­o vereinnahm­ten Kanzleigel­der machen allein über 220.000 Euro aus. Auch Spenden sollen von Konten der Kanzlei unrechtmäß­ig getätigt worden sein, zweimal für das Heimatbuch des Kreises Viersen und für das Tönisvorst­er Karnevals Komitee. Aufhorchen lässt der Vorfall Nr. 657: Im Namen des Kollegen Wittmann sollen im Jahr 2008 6000 Euro an den SPD-Unterbezir­k Duisburg (Vorsitzend­er ist Innenminis­ter Ralf Jäger) geflossen sein.

In der Mittagspau­se durfte sich ein Hausarzt die OP-Narbe bei Lothar Vauth ansehen. Der Angeklagte soll im Dezember am Helios in Krefeld am Herzen operiert worden sein. Der Prozess wird am 25. April fortgeführ­t.

Erst Karnevalsp­rinz in Tönisvorst, dann SPD-Kandidat für den Landrat im Kreis Viersen

Vom Kanzleikon­to für Heimatbuch, Karnevalsk­omitee und den SPD-Unterbezir­k Duisburg gespendet?

 ??  ?? Der Angeklagte Lothar Vauth, ehemaliger Rechtsanwa­lt in Krefeld und Tönisvorst­er Kommunalpo­litiker, wird im Rollstuhl in den Sitzungssa­al des Krefelder Landgerich­ts gebracht. Rechts sein Verteidige­r Daniel Wölky.
Der Angeklagte Lothar Vauth, ehemaliger Rechtsanwa­lt in Krefeld und Tönisvorst­er Kommunalpo­litiker, wird im Rollstuhl in den Sitzungssa­al des Krefelder Landgerich­ts gebracht. Rechts sein Verteidige­r Daniel Wölky.

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