Rheinische Post Krefeld Kempen
Privates Konto auf Kanzleibriefbogen?
Auch am vierten Verhandlungstag des Prozesses gegen Lothar und Jessica Vauth blieb es wieder beim bloßen Vorspiel: Die Verteidigung will einen Besetzungseinwand gegen die Zweite Große Strafkammer begründen.
KREFELD / TÖNISVORST Gut gelaunt und aufmerksam sitzen Jessica und Lothar Vauth in der Anklagebank. Dem Tönisvorster Ehepaar wird Untreue im Umgang mit Mandatengeldern und Schädigung der Krefelder Sozietät in 923 Fällen vorgeworfen. Es geht um einen Schaden von insgesamt 1,9 Millionen Euro. Doch, obwohl Lothar Vauth in Untersuchungshaft (im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg) sitzt, gibt es kein Geständnis. Deshalb gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Und noch ist das Gericht kaum zu den Tatsachen gekommen. Bisher hat die Staatsanwaltschaft nur die Anklage verlesen können. Die Verteidigung schlug am ersten Tag ein Rechtsgespräch vor. Nachdem sich die Prozessbeteiligten dabei nicht annähern konnten, kam die Verteidigung mit einem Besetzungseinwand um die Ecke. Die mündliche Begründung durch den Verteidiger Daniel Wölky dauert seitdem an. Sie nahm den zweiten, dritten und gestern den vierten Verhandlungstag voll in Anspruch. Fertig ist Wölky immer noch nicht, weil der Angeklagte im Rollstuhl auch gestern wieder erschöpft war.
Die wenigen Zuhörer stimmten mit den Füßen ab und verließen nach und nach den Gerichtssaal. Und auch die Staatsanwälte lösten sich nach jeweils zwei Stunden ab. Doch die Zweite Große Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Ellen RoidlHock, dazu zwei weitere Richter und zwei Schöffen, übt sich in Geduld. Es wird sicher noch ein, zwei Verhandlungstage dauern, bis die Angeklagten zur Sache vernommen werden können. Die Taten, für die sich das Ehepaar Vauth verantworten muss, liegen gut zehn Jahre zurück. Lothar Vauth hatte da gerade die Session als St. Töniser Prinz hinter sich und den Wahlkampf als SPD-Kandidat für den Landrat im Kreis Viersen noch vor sich. Die Krefelder Sozietät Dr. Stöber, Oehring und Partner – Vauth gehörte zu den Partnern, Jessica Vauth leitete das Büro der Kanzlei – musste in Folge der finanziellen Folgen der vorgeworfenen Untreue und Betrugs Insolvenz anmelden. Der Insolvenzverwalter war bereits als Prozessbeobachter im Publikum. Dass es nach so langer Zeit überhaupt zum Prozess kam, überraschte sehr. Lothar Vauth entzog sich über Jahre der Strafverfolgung, indem er Atteste mit psychischen und organischen Erkrankungen vorlegte.
Um seinen noch nicht gestellten Antrag zum Besetzungseinwand zu begründen, liest Verteidiger Daniel Wölky aus den Unterlagen der Staatsanwälte vor. Jede einzelne Kontobewegung der 923 Fälle wird vorgelesen. Gestern ging es um den Vorwurf, dass die Vauths ein privates Konto auf den Briefbögen der Kanzlei als Konto der Sozietät aufführten. Vorgeworfen werden ihnen 270 Gutschrif- ten, die Mandate der Kanzlei betreffen und auf diesem Konto landeten. Die auf dem angeblichen Privatkonto vereinnahmten Kanzleigelder machen allein über 220.000 Euro aus. Auch Spenden sollen von Konten der Kanzlei unrechtmäßig getätigt worden sein, zweimal für das Heimatbuch des Kreises Viersen und für das Tönisvorster Karnevals Komitee. Aufhorchen lässt der Vorfall Nr. 657: Im Namen des Kollegen Wittmann sollen im Jahr 2008 6000 Euro an den SPD-Unterbezirk Duisburg (Vorsitzender ist Innenminister Ralf Jäger) geflossen sein.
In der Mittagspause durfte sich ein Hausarzt die OP-Narbe bei Lothar Vauth ansehen. Der Angeklagte soll im Dezember am Helios in Krefeld am Herzen operiert worden sein. Der Prozess wird am 25. April fortgeführt.
Erst Karnevalsprinz in Tönisvorst, dann SPD-Kandidat für den Landrat im Kreis Viersen
Vom Kanzleikonto für Heimatbuch, Karnevalskomitee und den SPD-Unterbezirk Duisburg gespendet?