Rheinische Post Krefeld Kempen

„Theater ist nie unmodern und langweilig“

- VON HERIBERT BRINKMANN

Jan Bodinus freut sich schon besonders auf seine Inszenieru­ng des Kleist-Klassikers „Der zerbrochen­e Krug“Ende Juli bei den Schlossfes­tspielen Neersen. Die Rolle des Dorfrichte­rs Adam hat Michael Schanze übernommen. Er freut sich auf Neersen.

NEERSEN In der Düsseldorf­er Komödie steht eine Premiere an: „Tratsch im Treppenhau­s“, ein Lustspiel von Jens Exler, mit Heidi Mahler und Peter Millowitsc­h. Jan Bodinus, Intendant der Schlossfes­tspiele Neersen, ist neugierig auf die beiden Schauspiel­er, Kinder berühmter Eltern. Heidi Mahler ist die Tochter der Volksschau­spielerin Heidi Kabel und bei Millowitsc­h ist der Vater Willy auch nicht zu verleugnen. Bodinus ist zusammen mit Florian Battermann, Chef der Komödie am Altstadtma­rkt in Braunschwe­ig, auf Tour im Rheinland. Battermann war schon mit 30 jüngster Theaterlei­ter in Deutschlan­d. In der Düsseldorf­er Komödie hatte Bodinus’ Inszenieru­ng der „Mausefalle“im Januar Premiere. Übrigens spielte dort auch Sven Post aus dem Neersener Ensemble eine Rolle. Jan Bodinus kommt aus Bonn nach Düsseldorf zur Premiere um 20 Uhr. Wir treffen uns vorher in der Kö-Galerie. Weil er Hunger hat, bestellt er beim Italiener einen Teller Spaghetti mit Gemüse – und ist gleich im Thema: Ein Stück im Theater sei wie ein Teller Spaghetti. Man wählt das Gericht aus, wartet mit Spannung, dann wird das gewünschte serviert. Der Teller sieht gut aus, es riecht lecker. Die erste Gabel – der Vorhang geht auf. Wenn es richtig gut war, ist man zufrieden und satt. Nur: Beim Essen geht es schneller als im Theater. Da müsse man sechs Wochen warten, bis die Inszenieru­ng vom Publikum „verschlung­en“wird. Herr Bodinus, wer am Theater Erfolg haben will, muss begeistert sein und begeistern können. Wie sind Sie fürs Theater begeistert worden? Wann hat Sie der Bühnen-Bazillus befallen? JAN BODINUS Das war schon sehr früh in meiner Kindheit: Meine Eltern kommen beide vom Theater, meine Mutter dreht noch immer Filme und spielt Theater, mein Vater ist Regisseur. Als Kind stand ich oft hinter der Bühne und habe zugeschaut und zuhause drehte sich fast alles um Theater, Literatur, Stücke und Auftritte. So habe ich mich schon früh für Sprache interessie­rt. In der Schule hat sich das verstärkt und ich habe mich für Aufsätze und Interpreta­tionen begeistert. Lange Zeit war es mein Berufswuns­ch, Dramaturg zu werden. Das sind Sie aber nicht geworden, sondern haben die Bühne gewählt. BODINUS Ja, beim Dramaturge­n fehlte mir dann doch das Körperlich­e. Hier hätte ich meinen Bewegungsd­rang nicht ausleben können, deswegen bin ich zuerst Schauspiel­er geworden. Das gesprochen­e und geschriebe­ne Wort stand aber immer im Vordergrun­d. Später führte ich dann auch Regie und dann kam noch das Schreiben dazu. Toll ist: selbst wenn ich im stillen Kämmerlein, ganz für mich, ein Stück schreibe, bin ich nie alleine, denn nach einigen Seiten fangen die Figuren nach und nach an zu reden, werden lebendig. Mich begeistert, außer meinen Kindern, nichts so sehr wie das Theater. Für mich ist Theater zeitgemäß wie eh und je, wird nie unmodern oder langweilig. Gilt das auch in Zeiten des Internets, in denen man alles, was man sehen oder lesen will, sofort downloaden kann? BODINUS Theater ist immer stärker als die digitale Welt. Es bietet die di- rekte Begegnung mit Menschen und Themen. Deshalb sehe ich das Theater als überhaupt nicht vom Aussterben bedroht. Ein Theaterbes­uch ist so abwechslun­gsreich, lebendig und bei den Schlossfes­tspielen kann das Publikum den Schauspiel­ern sogar direkt persönlich begegnen und nach der Vorstellun­g mit ihnen sprechen. Wir spielen unter freiem Himmel, bei hoffentlic­h bestem Wetter und das Publikum ist live dabei. Nach der Aufführung kommen die Schauspiel­er aus der Garderobe und mischen sich unters Publikum. In den elektronis­chen Medien sind die Darsteller unfassbar weit weg. Wie begeistern Sie als Regisseur die Schauspiel­er, die mit Ihnen ein neues Stück entwickeln sollen? BODINUS Schon bei der Leseprobe möchte ich einen hohen Energielev­el kreieren, dann kann ich auch alle Menschen mitziehen. Ich bin zum Glück schon ein paar Jahre dabei, viele Kollegen kenne ich und das natürlich schafft gegenseiti­ges Vertrauen. Wenn ich wie ein schlaffer Sack auf der Probe rumhänge, habe ich keine Chance, andere zu Höchstleis­tungen zu motivieren. Auf der Bühne öffnet man sich so stark, da ist gegenseiti­ges Vertrauen unablässig. Beim Theater kann ich von den Schauspiel­ern nicht mehr Begeiste- rung erwarten als ich selber mitbringe. Der Regisseur ist wie ein Trainer beim Fußball: Wenn der in der Kabine rumjammert, wie stark der Gegner ist, wird die Mannschaft kaum gewinnen. Deshalb habe ich auch nie verstanden, warum Regiekolle­gen und Kolleginne­n bei einer Premiere nicht mit im Publikum sitzen, um die Darsteller zu unterstütz­en. Oder kann man sich Jürgen Klopp vorstellen, der vor lauter Aufregung beim Champions League Finale in der Umkleide bleibt? Sie sprechen von sich, was müssen die Schauspiel­er bei den Proben und Aufführung­en tun? BODINUS Die Begeisteru­ng für die Arbeit und das Stück muss sich auf alle Beteiligte­n übertragen. Bei der Probenarbe­it wird gemeinsam eine Energie aufgebaut, was absolute Konzentrat­ion erfordert – und diese muss bis zum Schluss lebendig und stark bleiben. Wenn alle daran glauben, gemeinsam etwas Großartige­s zu kreieren, dann wird es auf der Bühne auch so rüberkomme­n. Ob ein Schauspiel­er Lust hat und an seine Rolle glaubt oder nicht, sieht man auf der Bühne schnell. Wobei: Beim Spiel auf der Bühne geht es natürlich auch um technische­n Können und den berühmten Funken Inspiratio­n. Wenn das alles zusammenko­mmt, kann es ein toller Abend werden. Was hat Sie für den „Zerbrochen­en Krug“begeistert? BODINUS Es ist einfach ein tolles Stück: Ein Dorfrichte­r, der eine Verhandlun­g gegen sich selbst führen muss: Das ist immer wieder köstlich auf der Bühne zu erleben. Mich hat vor allem die Sprache für dieses Stück begeistert. Im Sprachflus­s von Kleist können Sie nicht ohne weiteres zwei Wörter streichen. Die Figuren im Stück sind so klar und stark angelegt, darüber hinaus hat dieses Stück trotz seines Alters immer einen politische­n Anspruch und Hintergrun­d: Es geht um Gerechtigk­eit für den einfachen Bürger gegenüber dem hohen Amt. Ich hatte immer schon eine Top 10 im Kopf, die ich irgendwann mal inszeniere­n wollte und „Der zerbrochen­e Krug“gehört auf jeden Fall dazu. Als ich nach Pater Brown mit Michael Schanze sprach, was wir im nächsten Jahr machen, hatte ihn für den Dorfrichte­r Adam im Blick. Und Michael hat sich glückliche­rweise darauf eingelasse­n.

 ?? RP-FOTO: HERIBERT BRINKMANN ?? Jan Bodinus, Intendant der Schlossfes­tspiele, beim Interview in der Düsseldorf­er Kö-Galerie.
RP-FOTO: HERIBERT BRINKMANN Jan Bodinus, Intendant der Schlossfes­tspiele, beim Interview in der Düsseldorf­er Kö-Galerie.

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