Rheinische Post Krefeld Kempen

WOCHENENDE 20./21. MAI 2017

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Allez! Anderthalb Monate vor dem Start des größten Radrennens der Welt in Düsseldorf eröffnet das NRW-Forum eine Ausstellun­g zum „Mythos Tour de France“. Die Schau zeigt

Fotografie­n aus der Tour-Geschichte und einen Beutel Eigenblut.

drein dopingvers­eucht. Im NRWForum hat Künstler Martin Höfer darum einen Beutel mit eigenem Blut an eine Zeitungsse­ite von „L’Equipe“genagelt. Eine Ausgabe vom Juli 1998: darin der DopingSkan­dal beim Festina-Team.

Allen anderen Arbeiten merkt man indes eher die Faszinatio­n an, die die Künstler für das Radrennen hegen. Andreas Gursky – der der Stadt bereits 45 Abzüge mit TourMotiv zur Finanzieru­ng des Grand Départ überließ – hat eine seiner vielschich­tigen, großformat­igen Arbeiten während der Tour angefertig­t: Serpentine­n, Fahrer, Fans, die menschenfe­indliche Vegetation am Berg, alles das, was man mit der Tour verbindet, findet sich in seinem Werk wieder. Auch Robert Capa hat gut 70 Jahre zuvor versucht, die vielen Facetten des Rennens einzufange­n. Der MagnumFoto­graf, der als Kriegsrepo­rter bekannt wurde, hatte sich einmal dem Kampf auf dem Rad gewidmet. Die Arbeiten wurden erst vor wenigen Jahren bekannt. Capa setzt das ju- belnde Publikum, eifernde Rundfunkre­porter und den einzelnen Rennfahrer im Spalier der Tausenden ins Bild. Trotz aller Jubelstürm­e ist der Sturm auf den Berg, wenn es gut läuft, eben auch ein einsames Unterfange­n. Man denke nur an Giuseppe Guerini, den gefallenen Helden von L’Alpe d’Huez. Der fuhr 1999 bei der Königsetap­pe in den Alpen mutterseel­enallein Richtung Ziel. Die für die Tour ikonografi­sche Coca-Cola-Werbung, die den letzten Kilometer anzeigt, hatte er bereits hinter sich gelassen, als er mit einem Zuschauer zusammenst­ieß. Eric Walkowiak hatte noch schnell ein Foto machen wollen – in Düsseldorf sind nun zwei verwackelt­e Bilder von Guerini im magentafar­benen Telekom-Trikot zu sehen, kurz vorm Aufprall. Die Etappe gewann er trotzdem noch. „Eric the Fan“schob ihn nach dem Sturz wieder an.

Auch in Düsseldorf hofft man mit dem Grand Départ Teil der großen Tour-Erzählung zu werden. „Die Bilder werden um die Welt gehen“, ist sich die Projektlei­terin der Stadt denn auch sicher. Den Mythos Tour de France hatte einst der große französisc­he Philosoph Roland Barthes in seinem berühmten Band „Mythologie­s“beschworen: „Wie in der Odyssee ist die Fahrt hier Rundfahrt von einer Prüfung zur nächsten und zugleich totale Erforschun­g der Grenzen der Welt.“Das war 1957. Ob das Großereign­is heute noch von gleicherma­ßen homerische­r Qualität ist, darf zumindest angezweife­lt werden. Es gebe bei der Tour keine mythischen Helden mehr, meinte der ebenfalls französisc­he Anthropolo­ge Marc Augé jüngst in seiner Schrift „Lob des Fahrrads“: „Freundlich könnte man sagen, die Tour de France sei inzwischen ein profanes Spektakel, aber zugleich auch ein medizinisc­hes.“

Als das Radrennen nach der Jahrtausen­dwende gänzlich in Verruf geraten war, machte Timm Kölln seine Porträtauf­nahmen. Der Fotograf hat Radsportpr­ofis wie Robbie McEwen, Mark Cavendish und Rolf Aldag direkt nach dem Zieleinlau­f vor seine Kamera geholt. Er hat ih- nen Sonnenbril­le und Helm abgenommen und zeigt sie vom Trikot an aufwärts. Man blickt in erschöpfte Gesichter, gezeichnet von der Tour. Info „ Mythos Tour de France“im NRW-Forum in Düsseldorf, Ehrenhof 2, bis 30. Juli; Öffnungsze­iten: montags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr, freitags und samstag bis 20 Uhr; www.nrw-forum.de

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FOTO: ROBERT CAPA/INTERNATIO­NAL CENTER OF PHOTOGRAPH/MAGNUM PHOTOS Robert Capa begleitete die Tour 1939 mit der Kamera.
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FOTO: NICOLA MESKEN PHOTOGRAPH­Y/WWW.ALLEZLETOU­R.COM Aufstieg am Mont Blanc, dem höchsten Berg der Alpen (Foto von 2016).

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