Rheinische Post Krefeld Kempen
Studieren bei den Nachbarn
Weniger Studenten und oft keine Numerus clausus – das Studium in den Niederlanden bietet viele Vorteile. Doch welche Voraussetzungen muss man erfüllen, wie kommt man an den Studienplatz? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
NIMWEGEN Eine Top-Ausstattung in Bibliotheken und Laboren, ein besserer Betreuungsschlüssel und jede Menge Beratung – wegen solcher Voraussetzungen ist das Interesse am Studium in den Niederlanden bei deutschen Abiturienten groß. Und: Auch für gefragte Studiengänge wie Psychologie gibt es hier verhältnismäßig viele Plätze – und das ohne einen Numerus clausus von 1,0. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zum Studium bei den Nachbarn zusammengetragen. Kann ich mich als Deutscher an jeder niederländischen Hochschule für alle Fächer bewerben? Im Grunde ja. Seit der Bologna-Reform studiert man in den Niederlanden wie in Deutschland im Bachelor- und Mastersystem. Allerdings hat jede niederländische Hochschule andere Voraussetzungen. Manche erwarten für ein BioStudium etwa, dass man in der Schule einen Bio-Leistungskurs belegt hat. Andere lassen Auswahltests machen. „Am besten anderthalb Jahre vor dem Abi mit der Planung anfangen“, sagt Eva Folkerts, Koordinatorin der Deutschen Studienberatung an der Radboud Universiteit Nimwegen. Sie rät, Info-Veranstaltungen vor Ort zu besuchen, sich Universitäten und Fachhochschulen anzuschauen und mit Studenten zu sprechen. „In Nimwegen kann man unter dem Motto ,Studieren probieren‘ auch mal in sein Wunschfach hineinschnuppern.“Der Vorlauf ist auch für die vier Fächer wichtig, die über die niederländische ZVS „Studielink“vergeben werden: Psychologie, Medizin, Zahnmedizin und Biomedizinische Wissenschaften. Hier endet die Bewerbungs-Frist am 15. Januar. Wann beginnt das Studium? Früher als in Deutschland, am 1. September. Für alle Studienplätze, die nicht über Studielink vergeben werden, kann man sich bis einen Tag vor Studienstart online einschreiben. Das Studium selbst ist in Quartale gegliedert, an jedes Quartal schließen sich die Klausuren an. „Wir haben aufgrund dieser Struktur auch keine drei Monate Semesterferien im Sommer“, sagt Eva Folkerts.
Sobald die ersten Sonnenstrahlen kommen, spalten sich die Studierenden an der Universität in zwei Lager.
Zum einen sind da die Glücklichen, die locker alles bis Semesterende schieben können, sich jetzt draußen in der Sonne fläzen und um nichts anderes sorgen als um einen möglichst streifenfreien Teint.
Und dann sind da diejenigen, die jetzt schon büffeln, was das Zeug hält – und zwar drinnen in der Bibliothek, fernab von frischer Luft und Sonnenschein. Um der Versuchung, einfach rauszulaufen, zu widerstehen, sind die Ersten jetzt sogar schon in das Untergeschoss der Bibliothek umgezogen. So merken sie nicht, was sie verpassen. Aber auch die, die noch in den oberen Geschossen lernen, fangen langsam an, seltsame Eigenarten zu entwickeln. Vielleicht ist es das mangelnde Vitamin D, das sie dazu bringt, schon bei den kleinsten Veränderungen aus dem Konzept zu geraten.
So durfte ich mich eines Morgens neulich freuen, die Erste in der zweiten Etage der Bibliothek zu sein. Kein einziger Platz war besetzt, ich wählte einen Welche Chancen habe ich auf einen Studienplatz? Dieselben wie ein niederländischer Abiturient. Beispiel Psychologie – das gefragteste Fach überhaupt unter deutschen Studenten in den Niederlanden. „Wir haben keinen Numerus clausus auf diesem Fach“, sagt Eva Folkerts. „Stattdessen wird ein Auswahltest gemacht.“Die besten Absolventen des Tests – den man übrigens auf Niederländisch oder Englisch machen muss – bekommen einen der 550 Plätze. Egal, von wo aus sie sich beworben haben.
„Bei mir wurde damals Stoff aus einem vorab bekanntgemachten Buch abgefragt“, erzählt Rebecca Fischer. „Wer gut gelernt hatte, hatte auch realistische Chancen, einen Platz zu bekommen.“Fischer studiert in Nimwegen Psychologie im sechsten Semster. Obwohl sie ein sehr gutes Abitur hatte, reichte es nicht für einen Studienplatz in Deutschland. „Statt der Note sind in Stuhl direkt an der Fensterfront. Keine zehn Minuten später bat mich eine Kommilitonin, den Platz zu wechseln. Noch immer war kein einziger Stuhl um mich herum besetzt. Etwa 80 nahezu identische Arbeitsplätze standen zur Verfügung, aber sie wollte ausgerechnet exakt diesen Stuhl. Die Kommilitonin erklärte ganz lieb, dass es ihr bester Lernplatz sei. Was soll man da schon sagen? Natürlich räumte ich den Platz sofort und verlegte meine Arbeitsstätte. Und zwar raus in den Park, schnell, bevor auch ich eindeutig zu viel Bibliotheks-Luft einatmen konnte. Seitdem lerne ich in der Sonne, und das klappt wunderbar.
Wer weiß, vielleicht bekomme ich auf diesem Wege auch diesen neiderregenden, streifenfreien Teint. den Niederlanden Motivation und Fachwissen der ausschlaggebende Punkt, wenn es um die Vergabe der Studienplätze geht“, sagt die Studentin. Was muss ich für ein Studium in den Niederlanden mitbringen? Offenheit. Auch wenn es unsere Nachbarn sind – die Niederländer haben eine andere Kultur, das Bildungssystem ist ein anderes. Und: Mit Deutsch kommt man nicht weit. Bevor man sich einschreiben kann, muss man einen Sprachnachweis erbringen: Niederländisch mindestens auf dem Niveau B2. Für viele Fächer wird zusätzlich Englisch im Abi verlangt. Kostet das Studium etwas? Derzeit erheben die niederländischen Hochschulen eine Gebühr von 2006 Euro jährlich. Das Geld fließt wieder in die Ausstattung der Unis, die sich qualitativ deutlich von vielen deutschen Hochschulen abheben. Finanzieren kann man das Studium über das AuslandsBafög. „Ich rate jedem, zumindest einen Antrag abzuschicken“, sagt Studienberaterin Eva Folkerts. „Denn selbst, wenn man nur winzige Summen Bafög zugesprochen bekommt, erhält man dann die Studiengebühr für das erste Jahr zurück.“ Wie finde ich eine Wohnung? Auf dem niederländischen Wohnungsmarkt sieht es für Studenten leider nicht so rosig aus. Immerhin: Wer sich früh kümmert und von weit her in die Niederlande kommt, hat Chancen auf einen Wohnheimplatz über das Studentenwerk (in Nimwegen: SSHN). Ansonsten sind die Wohnungen etwas teurer als in Deutschland. „Ich rate, erstmal ein Zimmer zur Untermiete zu suchen, auch wenn es nur für ein halbes Jahr ist“, sagt Eva Folkerts. „Von dort aus findet man dann immer was Langfristiges.“
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