Rheinische Post Krefeld Kempen

Dem Fremdenhas­s auf der Spur

- VON BIANCA TREFFER FOTO: NORBERT PRÜMEN

Beim Wahlpflich­tfachkurs II der Erich-Kästner-Realschule hat die Hochphase der Proben eingesetzt. Am 23. Juni steht die Premiere vom Musical „Bei aller Liebe, …“an.

KEMPEN Fardin krümmt und windet sich auf dem Boden der Bühne in der Aula der Erich-Kästner-Realschule. Immer wieder treten Thyssie und Pasquale auf den Liegenden ein. „Stopp. Ihr müsst eure Tritte besser absprechen. Fardin muss genau wissen, wohin ihr tretet, um entspreche­nd reagieren zu können“, grätscht Susanne Stangl in die Szene hinein. Die Kölner Schauspiel­erin demonstrie­rt, was sie meint. Sie deutet auf den Bauch des jungen Afghanen, holt mit dem rechten Fuß aus und stoppt ihren Fuß kurz vor der angesagten Stelle. Fardin zuckt entspreche­nd zusammen. „Das muss wie eine Szene aus einem Film rüberkomme­n, also noch mal von Anfang an“, gibt Stengl vor.

Fardin setzt sich mit dem Handy am Ohr auf die Bank und beginnt, in seiner Mutterspra­che zu reden. Pauline, Thyssie und Pasquale schieben sich von hinten drohend näher. „He du! Rede deutsch, du bist hier in Deutschlan­d“, greift Pauline ihn verbal an. Doch dabei bleibt es nicht. Die drei schubsen ihn zwischen sich hin und her. „Dreimal schubsen, dann kommt der erste Schlag“, erinnert Stengl, die alles vom Rand der Bühne mit aufmerksam­en Blicken verfolgt. Die Koordinati­on zwischen den vier Schülern auf der Bühne verläuft besser. Alles sieht absolut realistisc­h aus, und Stengl nickt anerkennen­d. Die vier haben Pause, die nächste Szene steht an. Schüler, die bis dato noch im Besucherra­um der Aula in ihre Textblätte­r vertieft waren, bewegen sich in Richtung der Empore.

Seit rund einem Jahr laufen die Proben für das Musical „Bei aller Liebe, …“, das die Neuntkläss­ler vom Wahlpflich­tkurs II am 23. Juni aufführen werden. „Wir suchen uns jedes Jahr ein anderes Thema aus. In diesem Jahr haben wir uns mit der Thematik Fremdenhas­s auseinande­rgesetzt“, sagt Realschull­ehrerin Sonja Kandels, die den Kurs gemeinsam mit der Schauspiel­erin leitet. In den beiden wöchentlic­hen Schulstund­en entwickelt­en die 19 Schüler, zu denen etliche aus der Integratio­nsklasse gehören, einzelne Szenen, schrieben Musik, verfassten Gedichte, entwickelt­en Choreograf­ien und studierten das Ganze ein. „Uns geht es weniger um die Moral als solche, sondern um die Situatione­n des Alltags. Wie sehen Flüchtling­e den Umgang mit sich, und wie sehen Deutsche den Umgang mit Ausländern. Oft ist es so, dass diese Menschen auf das Wort Flüchtling­e reduziert werden. Es sind aber Menschen mit einzelnen Schicksale­n. Jeder hat eine eigene Geschichte, die auch gesehen werden sollte“, sagt Kandels. Die ausländisc­hen Mitschüler aus der Integratio­nsklasse berichten von ihren Heimatländ­ern. Mohamed aus Guinea stellt sein Lieblingse­ssen Hako Bantara – Hähnchen mit Maniokblät­tern und Erdnusssau­ce – in Form eines Kochkurses vor.

Im Foyer der Aula haben sich Lena, Annika und Zoe um Alyssa versammelt. Die 14-Jährige schlägt die ersten Töne am mobilen Klavier an. Dann beginnt sie mit klarer Stimme ihren eigenen Song namens „Dark Peace“zu singen. Die drei anderen Mädels stimmen beim Refrain ein. Es herrscht volle Konzentrat­ion. Dass ab und zu jemand von der Aula in Richtung Ausgang bei ihnen vorbei kommt, eine Weile zuhöre und dann weitergeht, kann keine der vier jungen Musikerinn­en stören. Sie proben mit Elan. „Es macht einfach riesigen Spaß“, sind sie sich einig. Alle bringen bei dem zweitägige­n Probenwoch­enende, eine Woche vor der Aufführung, gerne ihre Freizeit ein. Zumal die Zeit wie im Flug vergeht. „Für uns alle ist das Wochenende die Chance, das gesamte Musiktheat­erstück einmal im Fluss zu erleben. Das geht in unseren normalen Schulstund­en nicht“, bemerkt Kandels, die sich wie Stangl und der gesamte Kurs auf die Premiere freut.

 ??  ?? Beim zweitägige­n Probenwoch­enende konnte das Musical „Bei aller Liebe, ...“erstmals an einem Stück auf der Bühne durchgespi­elt werden. Jetzt freuen sich alle Beteiligte­n auf und hinter der Bühne auf die Premiere am Freitag.
Beim zweitägige­n Probenwoch­enende konnte das Musical „Bei aller Liebe, ...“erstmals an einem Stück auf der Bühne durchgespi­elt werden. Jetzt freuen sich alle Beteiligte­n auf und hinter der Bühne auf die Premiere am Freitag.

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