Rheinische Post Krefeld Kempen
ANALYSE Noch
nie gab es so viele Informationen über Krisen und Konflikte. Gleichzeitig war es aber auch noch nie so schwierig, Wirklichkeit und Lüge auseinanderzuhalten. Damit müssen die Medien offen umgehen.
Überprüfung ihres Wahrheitsgehaltes möglich wäre. Und im Wettlauf zwischen Information und Desinformation haben es die Cyberkrieger mit ihren Lügengeschichten nun mal leichter als sorgfältig arbeitende Journalisten. Sie wissen: Wenn es ihnen mit ihren „alternativen Wahrheiten“nur gelingt, bei den Lesern Zweifel an der Darstellung der Medien zu wecken, haben sie schon gewonnen. auch durch akribischen Vergleich von Bildmaterial. Und wenn dies sich als unmöglich erweisen sollte, dann müssen die Medien dies transparent machen: Wenn unsichere Informationen bereits zirkulieren, dann muss wenigstens kenntlich gemacht werden, aus welcher Quelle sie stammen und dass sie unabhängig zunächst nicht überprüft werden konnten. Etliche Journalisten haben die Ausübung ihres Beru- fes in den Kriegsgebieten im Nahen Osten bereits mit dem Leben bezahlt. So wird die Berichterstattung häufig notgedrungen ausgelagert an Bewohner der umkämpften Gebiete. Die Überprüfung der Informationen, die sie an die Außenwelt liefern, ist stets schwierig. Sie ist aber unverzichtbar. Denn wer mag schon glauben, dass diese Ortsansässigen völlig neutral aus Gebieten berichten können, die unter der Herrschaft einer Konfliktpartei stehen? Um Informationen aus lokalen Quellen bewerten zu können, benötigt man Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse, betont der Schweizer Journalist Kurt Pelda, ein erfahrener Kriegsreporter, der allein in den ersten drei Jahren seit Ausbruch des Syrien-Konflikts 2011 über ein Dutzend Mal zur Recherche im Land war. „Man muss ein Netzwerk haben, man muss Leute haben, die einem Dinge erklären, man muss auch Leute mit verschiedenen Ansichten haben“, betont Pelda. Nur dann könne man ein realitätsnahes Bild der Verhältnisse zeichnen. Denn viele Informationen über einen Krieg bedeuten eben noch kein Wissen über den Konflikt.
Ausgewogen zu berichten, keine Verbrechen von keiner Seite zu verschweigen, das bedeute lange noch nicht, dass man als Kriegsberichterstatter neutral bleiben könne, sagt Pelda. Natürlich nehmen auch Journalisten, die mit dem Grauen des Krieges konfrontiert sind, moralische Bewertungen vor. Deswegen ist es schwierig, ja wahrscheinlich unmöglich, vollkommen objektiv über Kriege zu berichten. Aber die Schlussfolgerung kann nicht sein, dass die Medien keine Einordnung und Bewertung mehr wagen, weil ja angeblich alle Kriegsparteien gleich schlimm sind. Und erst recht kann es nicht bedeuten, dass die Presse ihre Arbeit einstellt und die Information über Konflikte und ihre Opfer den Propagandisten überlässt.