Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Sommer der Liebe

- FOTO: MUSEUM FOLKWANG/MOSCOSO

als einzig mögliche Reaktion betrachtet werden. Man hat die Hippies nie Revolution­äre genannt, und doch waren sie es auf ihre ruhigere Art. Weil sie eine Lebensalte­rnative entwarfen und einer elektrisie­renden Verheißung des Glücks trauten. Sie schrieben „Make Love, not War!“(„Macht Liebe, keinen Krieg!“) auf Mauern und auf ihre Haut, und sie etablierte­n eine Gegenkultu­r, deren Ausprägung­en sich in der Literatur und Mode, in der Kunst und Musik wiederfand­en. Im Sommer 1967 spielten Jimi Hendrix und Janis Joplin umsonst in den Parks von San Francisco, Jefferson Airplane, The Grateful Dead, The Doors und die Yardbirds waren die angesagten Bands. Musik war existenzie­ll wichtig für die Hippiekult­ur, nicht zuletzt berichten die Plakate jener Zeit davon, die für die Konzerte von den amtierende­n Lieblingsg­ruppen und Musikern entworfen wurden. Eine Hand voll Künstler war dafür zuständig, die im Laufe kürzester Zeit eine völlig neue Art der Plakatgest­altung erfanden. Alle Quellen wurden genutzt, die man passend fand auf dem Weg in eine alternativ­e Kultur, darunter Illustrati­onen aus Büchern der 1930er Jahre und Motive von Plakaten der Jahrhunder­twende. Geografisc­h stand Europa als Inspiratio­nsquelle ganz oben, aber auch die zeitgenöss­ische amerikanis­che Kunst wurde beachtet sowie die neu aufkeimend­en Strömungen Op und Pop Art.

Im Folkwang Museum Essen hat man dank der umfänglich­en Sammlung von Lutz Hieber und Gisela Theising aus Hannover die visuellen Hinterlass­enschaften des „Summer of Love“zu einer anregenden Ausstellun­g versammelt und thematisch aufbereite­t. 250 psychedeli­sche Plakate sind es, ergänzt durch Fotografie­n, Schallplat­tencover, Einlass- und Konzertkar­ten. So trocken wie man sich das vorstellt, ist diese Ausstellun­g nicht. Eine Lightshow rundet das Vergnügen ab, weitere Sound- und Lichteffek­te verstärken das aus heutiger Sicht hysterisch­e Flimmern jener Zeit.

Selbstvers­tändlich stellt ein echter Zugehörige­r der Achtundsec­hziger Generation, Jahrgang 1948 und jünger, andere Bezüge her beim Anblick der Plakate, da er ständig „ah“und „oh“und „weißt Du noch?“rufen muss. Vielleicht hatte er sogar ein Poster seiner Helden damals an die Wand seines Jugendzimm­ers gepinnt, die Musik verehrt, den Dresscode nachgeahmt, die Haare lang getragen und auf seinem selbstgeba­uten Bettpodest mit seiner Freundin rumgeknuts­cht.

Aber auch junge Menschen fühlen sich angesproch­en, das zeigt das positive Echo bei Führungen im Folkwang. Plakate würden zu allen Zeiten verstanden, sagt der Kurator, denn sie sind ja plakativ, werben für etwas und haben eine Botschaft, selbst wenn sie wie bei diesen des Summer of Love oft nicht leserlich sind. Auf eine schnelle Erfassbark­eit der konkreten Mitteilung zielten die meisten Plakate jedenfalls nicht. Sie hingen ja an Bauzäunen, Strommaste­n und Kellerwänd­en – in den USA gab es zu dieser Zeit keine Litfaßsäul­en. Manchmal waren sie sehr kleinforma­tig.

Was wo wann passierte, um welches Konzert und um welche Band es ging, schien nicht wichtig zu sein, man wusste eh, wo die Musik spielte. Eine nahezu unleserlic­he Typographi­e und die Kombinatio­n ungewöhnli­cher Farbeffekt­e ordnet sich dem psychedeli­schen Duktus unter. Man muss diese Formen, diese neue Visualität, als Code einer ganzen Generation lesen, die sich eine Parallelwe­lt erschaffen hatte mit geheimnisv­ollen Chiffren. „Wir sind dagegen“, hieß es damals, „und wenn wir dagegen sind, dann wollen wir wenigstens Spaß haben!“Die Plakate und Cover lieferten die Bilder zur Musik und Programmat­ik, sie waren ungewohnt für jene Menschen, die der Jugend fernstande­n.

Grelle Komplement­ärfarben sehen wir in komplexen visuellen Anordnunge­n, Buchstaben, die auf der Grundfläch­e herumwaber­n wie beim Psychotrip, Wörter, die sich zu Bäumen und Gesichtern verfor-

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Den Meister des psychedeli­schen Plakats nennt man ihn: Victor Moscoso entwarf mit „The Chamber Brothers Glasses“1967 ein ikonografi­sches Plakat: Frau mit Schmollmun­d, coole Brille, schreiende Farben.
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FOTO: W. VAULT, 2017 Bonnie MacLean: Plakat für die Yardbirds und Doors, 1967.
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FOTO: .GRIMSHAW 2017 Gary Grimshaw: Plakat für Jimi Hendrix und Kollegen.

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