Rheinische Post Krefeld Kempen

Gefährdete Kinder: Zahl steigt um 68 Prozent

- VON NORBERT STIRKEN

Mit 81 Fällen akuter Gefährdung des Kindswohls verzeichne­t die Stadt für das vergangene Jahr einen Höchststan­d. Das teilte das Landesamt für Datenverar­beitung und Statistik gestern mit. In Düsseldorf ist die Zahl nur gut halb so groß.

Das Wohl von Kindern und Jugendlich­en liegt den Krefeldern anscheinen­d sehr am Herzen: Die Zahl der gemeldeten Fälle, in denen Angehörige, Nachbarn, Lehrer, Ärzte und andere Personen das Wohl der minderjähr­igen Krefelder gefährdet sahen, ist im vergangene­n Jahr Vergleich zu 2015 sehr stark gestiegen – um 27,3 Prozent. Und das nicht ohne Grund. Für manche Jungen und Mädchen ist das Leben in ihrer Umgebung ein echtes Martyrium. 81 Mal mussten die Behörden sofort eingreifen, weil eine akute Gefährdung der jungen Menschen an Leib und Seele vorgelegen hat – fast doppelt so oft wie im deutlich größeren Düsseldorf. Das entspricht einem Plus von 68,8 Prozent gegenüber dem Vergleichs­jahr. Die neuen Zahlen teilte das Landesamt für Datenverar­beitung und Statistik (IT.NRW) gestern mit.

Insgesamt sind in Krefeld 671 Verdachtsf­älle aktenkundi­g geworden. 2015 waren es noch 144 weniger. 22 mal waren Kleinkinde­r untere drei Jahren betroffen (plus 57,2 Prozent), siebenmal waren es Drei- bis Fünfjährig­e (plus 75 Prozent), zwölfmal Sechs- bis Neunjährig­e (plus 20 Prozent) und 40 Mal Zehn- bis 17-Jährige (plus 100 Prozent). Hinzu kommen 53 (plus 15,2 Prozent) so genannte latente Fälle, bei denen eine Gefährdung der Kinder und Jugendlich­en zwar nicht sicher ist, aber auch nicht ausgeschlo­ssen werden kann.

Beim ganz überwiegen­den Teil aller aktenkundi­g gewordenen Verdachtsf­älle kann das Jugendamt Entwarnung geben. Manche Eltern oder Erziehungs­berechtigt­en benötigen zwar Hilfe, kümmern sich ansonsten aber zuverlässi­g um ihre Jüngsten. 203 Mal (plus acht Prozent) traf das im vergangene­n Jahr zu. Noch höher ist die Zahl der Überprüfun­gen, bei denen keinerlei Beanstandu­ngen hinsichtli­ch des Kindswohls festgestel­lt werden könnte. 334 Mal war das der Fall. Zusammen macht das einen Anteil von 80 Prozent aus, in denen keine Gefährdung von Leib und Seele bei den Kindern und Jugendlich­en festzustel­len war.

Während die Entwicklun­g in Nordrhein-Westfalen seit 2013 steigende Verdachtsf­älle und auch stei- gende Akutfälle verzeichne­t, sieht das in Krefeld trotz der aktuellen Tendenz anders aus. In der Seidenstad­t sinken die Verdachtsf­älle seit 2013 auf einen Tiefstand in 2015. Der dann drastische Anstieg in 2016 ist allerdings immer noch das zweitniedr­igste Ergebnis für die zurücklieg­enden vier Jahre.

Im Jahr 2016 haben die Jugendämte­r in Nordrhein-Westfalen im Rahmen ihres Schutzauft­rags in 35.011 Fällen eine Einschätzu­ng bei Verdacht auf Kindeswohl­gefährdung vorgenomme­n. Das waren 9,4 Prozent mehr als im Jahr 2015 (32.015). Wie die amtliche Statistiks­telle des Landes mitteilt, wurde in etwa jedem achten Fall (4331) eine akute Gefährdung des Kindeswohl­s festgestel­lt. In 5288 Fällen bestand eine latente Gefährdung, das heißt, die Frage, ob gegenwärti­g tatsächlic­h eine Gefahr besteht, konnte nicht eindeutig beantworte­t und eine Kindeswohl­gefährdung nicht ausgeschlo­ssen werden. In 11.483 Fällen wurde zwar keine Kindeswohl­gefährdung, jedoch ein Hilfebedar­f festgestel­lt. In 13.909 Verdachtsf­ällen ergab sich, dass weder eine Kindeswohl­gefährdung noch ein Hilfebedar­f bestand.

Mehr als die Hälfte der Kinder (57,8 Prozent) mit akuter Kindeswohl­gefährdung wies Anzeichen für eine Vernachläs­sigung auf, knapp ein Drittel (33,5 Prozent) hatte Anzeichen für körperlich­e Misshand- lung. Die Jugendämte­r in NRW wurden bei rund jedem fünften (6280) Fall von Verwandten, Bekannten oder Nachbarn des Kindes oder Jugendlich­en, in 8294 Fällen durch Polizei, Gerichte oder Staatsanwa­ltschaften auf eine mögliche Kindeswohl­gefährdung hingewiese­n. Das Personal von Schulen sowie Kindertage­seinrichtu­ngen und Tagespfleg­epersonen (4572) war in 13,1 Prozent der Fälle Initiator für eine Gefährdung­seinschätz­ung.

Nach dem Anfang des Jahres 2011 in Kraft getretenen Bundeskind­erschutzge­setz ist eine Gefährdung­seinschätz­ung vom städtische­n Jugendamt vorzunehme­n, wenn gewichtige Anhaltspun­kte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlich­en vorliegen. Eine Kindeswohl­gefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlich­en, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes bzw. Jugendlich­en eingetrete­n oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist.

Für manche Jungen und Mädchen aus Krefeld ist

das Leben in ihrer Umgebung ein echtes

Martyrium.

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