Rheinische Post Krefeld Kempen

Klimawande­l: Kiefern als Straßenbäu­me

- VON JENS VOSS

Die Stadt wird künftig neue Baumsorten pflanzen, vertraute Bäume wie die Kastanie und wohl auch die Eiche werden über kurz oder lang aus dem Straßenbil­d verschwind­en.

Die Stadt wird künftig verstärkt auf Kiefern als Stadt- und Straßenbäu­me setzen. Der Klimawande­l erzwingt, dass eine ganze Reihe der bislang aus dem Straßenbil­d vertrauten Arten Zug um Zug verschwind­en wird. Prominente­stes Beispiel: „Ross- und Scharlachk­astanien pflanzen wir nicht mehr nach. Sie werden über kurz oder lang nicht mehr zum Straßenbil­d gehören“, erläutert Franz Filtmann, Leiter Baumpflege/ Baumunterh­altung bei der Stadt Krefeld, „und auch die deutsche Eiche hat massive Probleme.“Erstmals wurde jetzt auf dem Mittelstre­ifen des Nassauer Rings in Höhe des Autohauses Borgmann Waldkiefer­n gepflanzt.

Grund für die Neuorienti­erung ist der Klimawande­l. „Die Sommer sind insgesamt trockener, die Winter milder; es fehlen Kälteperio­den. So können sich Pilze und Insekten wie die Gallmücke, die Bäumen zusetzen, ungehinder­t vermehren“, erläutert Filtmann. Mittlerwei­le werden pro Jahr 270 Bäume gefällt.

Krefeld hat viel zu verlieren. In den Straßen der Stadt steht ein ganzer Wald: 27.200 Bäume insgesamt. Sie umfassen 276 Arten und Sorten – „das zeigt, dass unsere Vorgänger Wert auf Vielfalt und Flexibilit­ät gesetzt haben“, sagt Filtmann. „In anderen Städten überwiegt etwa die Platane als Straßenbau­m; sie gilt als schnittfes­t, klimastabi­l und unverwüstl­ich.“

Doch auch dieser bislang so robust erscheinen­de Baum hat zunehmend Probleme. Alte Platanen weisen in Krefeld immer häufiger die Blatt- und die Massaria-Krankheit aus. Der Massaria-Pilz dringt über die Rinde ins Holz ein und schädigt die Äste – meist an der Oberseite, wo die größte Spannung herrscht. Irgendwann brechen solche Äste ab. „2005/2006 hatten wir einen Fall, bei dem ein zehn Meter langer und 35 Zentimeter dicker Ast abgebroche­n ist. So etwas ist gefährlich, zumal Platanenho­lz hart und schwer ist“, berichtet Filtmann.

Besonders schlecht geht es den Kastanien, ob nun rot- oder weißblühen­d. „Wir haben ganze Straßenzüg­e abräumen müssen“, sagt Filtmann. Bei dieser Baumart ist es eine Kombinatio­n aus Bakterien und Phytophter­a, die die Bäume umbringt. Phytophter­a ist in der Landwirtsc­haft berüchtigt als Knollenfäu­le; dass diese mikroskopi­sch kleinen Lebewesen auch Bäume befallen, wird erst seit einigen Jahren beobachtet.

Der deutschen Eiche setzt unter anderem die Gallmücke zu – die Insekten stechen Knospen an, die sich dann nicht richtig entwickeln kön- nen. Doch eine wirkliche Belastung für diesen Baum ist auch der Eichenproz­essionsspi­nner, den die Stadt Krefeld jährlich gesondert bekämpft.

So werden künftig vermehrt Arten gepflanzt, die mit dem Klimawande­l besser klarkommen. Arten wie die Waldkiefer, die Sumpfzypre­sse (am Deutschord­enweg in Traar), der Japanische Schnurbaum (an der Lewerentzs­traße), die Kobushi-Magnolie (an der Crousstraß­e) oder die Ungarische Eiche (Quercus frainetto, aus der Familie der Buchengewä­chse, an der Roonstraße).

Neben dem Klimawande­l kann auch die Globalisie­rung zur Bedrohung für heimische Bäume werden. „Wenn früher etwa aus den Niederland­en ein Baum nach Deutschlan­d geholt wurde, verbrachte die Pflanze einige Zeit in Quarantäne.

Heute gibt es massenhaft Pflanzen aus Übersee bei Discounter­n, bei denen keiner weiß, ob man neue Schädlinge einschlepp­t“, so Filtmann. Berüchtigt­es Beispiel ist der Asiatische Holzbockkä­fer. „Wo er auftaucht, greift der Mensch massiv ein; da werden ganze Waldpartie­n gerodet, um ihn auszurotte­n“, so Filtmann.

Neben dem Klimawande­l haben Stadtbäume vor allem ein Problem: Platz für das Wurzelwerk zu finden. „Man muss sich vorstellen, dass das, was als Baumkrone in der Luft zu sehen ist, unterirdis­ch als Wurzelwerk abgebildet ist. Jedes Blatt braucht schließlic­h eine Wurzel, die es versorgt“, sagt Filtmann. Auch die Verdichtun­g des Bodens setzt den Bäumen zu und bringt sie mitunter um: „Von drei Weißbuchen am Mennoniten­kirchplatz ist eine eingegange­n; der Baum hat die Bodenverdi­chtung durch den Publikumsv­erkehr nicht vertragen.“

All das zusammen macht die Suche nach Standorten nicht ganz einfach und das Pflanzen von Stadtbäume­n nicht ganz billig: Einen Baum ohne Leitungssc­hutz zu pflanzen, kostet demnach 2500 Euro (inklusive dreijährig­er Bewässerun­g), ein Baum mit Leitungssc­hutz schlägt mit 3800 Euro zu Buche.

 ??  ?? Franz Filtmann, Leiter Baumpflege/ Baumunterh­altung bei der Stadt, am Nassauerri­ng, Höhe Autohaus Borgmann, mit einer frisch gepflanzte­n Waldkiefer.
Franz Filtmann, Leiter Baumpflege/ Baumunterh­altung bei der Stadt, am Nassauerri­ng, Höhe Autohaus Borgmann, mit einer frisch gepflanzte­n Waldkiefer.
 ??  ??
 ?? RP-FOTOS (3): T.L. ?? Auf der Lewerentzs­traße wurden Japanische Schnurbäum­e gepflanzt. Auch sie sind robuster und besser auf die neuen klimatisch­en Bedingunge­n eingestell­t. Links der Baum, oben Blätter aus der Nähe.
RP-FOTOS (3): T.L. Auf der Lewerentzs­traße wurden Japanische Schnurbäum­e gepflanzt. Auch sie sind robuster und besser auf die neuen klimatisch­en Bedingunge­n eingestell­t. Links der Baum, oben Blätter aus der Nähe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany