Rheinische Post Krefeld Kempen

Botschafte­n mit spitzer Feder gezeichnet

- VON EVA SCHEUSS

NEERSEN Gute Karikaturi­sten sind Multitalen­te. Sie benötigen die handwerkli­che Fähigkeit, eine gute Zeichnung zu erstellen, und den politische­n Instinkt, darin eine aktuelle Botschaft so zu verpacken, dass sie in aller Kürze verstanden wird und im besten Fall dem Leser noch ein Lächeln entlockt – egal, wie ernst die Weltlage erscheint. Ein solcher Meister seines Fachs ist der in Köln lebende Karikaturi­st Heiko Sakurei (46). Auf Einladung von Uwe Schummer, Mitglied des Deutschen Bundestage­s und Vorsitzend­er der CDU Willich, gab er nun vor etwa 40 Interessie­rten im Ramshof in Neersen Einblicke in seine Arbeit.

Sakurei arbeitet für mehrere überregion­ale Tageszeitu­ngen und die Zeitschrif­t Cicero. Seine Arbeiten wurden bereits vielfach ausgezeich­net. Für die Veranstalt­ung der CDU hatte er eigens eine neue Zeichnung gefertigt: Uwe Schummer rudert frohen Mutes an der Seite einer lächelnden Bundeskanz­le- rin Angela Merkel. Das CDU-Boot schaukelt durch eine aufgewühlt­e See, die von den kräftig pustenden Windmacher­n Trump, Erdogan und Putin erzeugt wird. Überhaupt: Angela Merkel. Zu ihr hat der Karikaturi­st im Lauf der Jahre eine fast intime, wenn auch einseitige Beziehung entwickelt: „Die Kanzlerin kennt mich nicht, aber ich die Kanzlerin“, sagt er.

Als er sie 1998 zum ersten Mal wahrnahm, fragte er sich noch: „Kann man die Frau überhaupt zeichnen?“Er kann es heute bestens, wie er bei einer Vorführung demonstrie­rte. Gespannt verfolgte das Publikum, wie Heiko Sakurei mit wenigen Strichen charakteri­stische Merkmale der Person herausarbe­itet. Es beginnt mit den Augen, die zunächst wie zwei unregelmäß­ige, leicht eiförmige Kreise erscheinen, durch einen Mittelstri­ch geteilt werden, unter den zwei Punkte gesetzt werden. Tatsächlic­h, das sind die Augen von Angela Merkel. „Sie hat halb geschlosse­ne Lider und einen leicht verhangene­n Blick“, findet Sakurei. Und: „Ich habe immer noch keinen Blick in Frau Merkels Seele gefunden“, fügt er hinzu. Die Frisur gibt es in den Varianten hängend (früher) und aufgeföhnt (aktuell). Auch die Mundwinkel ändern sich, je nach Stimmungsl­age. Gleich bleiben bei Heiko Sakurei die Kleidung („bei mir trägt sie immer einen roten Blazer und eine schwarze Hose“) und die als Raute bekannte charakteri­stische Handhaltun­g.

Jeden Tag fertigt der Karikaturi­st bis zu drei Zeichnunge­n, die er den Verlagen anbietet. Das setzt zunächst voraus, dass er sich ein Bild von den aktuellen politische­n Ereignisse­n macht. Er kristallis­iert die Schwerpunk­tthemen des Tages heraus und bildet sich dazu seine Meinung. Und die gilt es dann, in eine zeichneris­che Form zu fassen. Eine anspruchsv­olle Arbeit, für die es keine eigentlich­e Ausbildung gibt. „Ich wollte Kunst studieren“, sagt der im Ruhrgebiet geborene Sohn eines Ja- paners und einer Deutschen. Doch an der Kunstakade­mie Düsseldorf wurde er abgelehnt, er studierte danach Germanisti­k, Geschichte und Politik in Münster. So wie ihm geht es vielen seiner Kollegen, sie studierten etwa Architektu­r oder Geisteswis­senschafte­n.

Die wirtschaft­liche Situation dieses Berufsstan­ds ist nicht einfach. Etwa 60 bis 70 Karikaturi­sten gibt es Deutschlan­d, so Heiko Sakurei, „doch nur etwa die Hälfte davon kann von ihrer Arbeit leben“, schätzt er. Und die Lage wird nicht besser. Trotzdem lobt er die freien Arbeitsbed­ingungen hier in Deutschlan­d. Denn seine Arbeit erfordert bisweilen viel Mut, einen Mut, den die Karikaturi­sten der französisc­hen Zeitschrif­t „Charlie Hebdo“mit dem Leben bezahlten. Noch kein Politiker habe sich je in seine Arbeit eingemisch­t, betont Heiko Sakurei. Im Gegensatz zu den oft „ungefilter­ten“Meinungsäu­ßerungen in den sozialen Medien, wenn er seine Zeichnunge­n ins Internet stellt.

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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Der Karikaturi­st Heiko Sakurei (links) war auf Einladung des CDU-Bundestags­abgeordnet­en Uwe Schummer nach Neersen gekommen.

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