Rheinische Post Krefeld Kempen

Pflegefami­lien dringend gesucht

- VON ANDREAS REINERS

Wie in vielen Kommunen im Lande hat auch das Kempener Jugendamt Probleme, Familien zu finden, die Kinder in pflegerisc­he Betreuung nehmen. Die Kinder stammen zumeist aus schwierige­n Verhältnis­sen.

KEMPEN Hand aufs Herz. Wer will schon ein Kind aus einer schwierige­n Lebenssitu­ation gerne Tag und Nacht um sich haben? Es sind nur wenige Bürger, die sich für diese nicht immer leichte Aufgabe zur Verfügung stellen. Die Jugendämte­r haben zunehmend Probleme, für Kinder und Jugendlich­e, die vorübergeh­end oder ganz zum eigenen Wohl und Schutz aus ihrem schwierige­n familiären Umfeld herausgeno­mmen werden müssen, Unterbring­ungsmöglic­hkeiten in Pflegefami­lien zu finden.

Beim Kempener Jugendamt ist diese Situation nicht anders wie bei anderen Jugendämte­r in der Region. Der Pflegekind­erdienst des Jugendamte­s sucht händeringe­nd Pflegefami­lien, die Kinder bei sich aufnehmen, die in ihren Herkunftsf­amilien auf Grund von Gefährdung­ssituation­en nicht mehr bleiben können. In jüngster Zeit steigt die Zahl dieser Fälle und die Hilfeersuc­hen an den Pflegekind­erdienst.

Dabei ist die ebenso schwierige wie verantwort­ungsvolle Aufgabe von Pflegeelte­rn durchaus wichtig. Sie ist es vor allem deshalb, weil die Kinder in eine möglichst intakte familiäre Lebenssitu­ation kommen sollen, wenn sie vorher in ihren eigenen Familien Chaos und möglicherw­eise Gewalt erfahren haben. Die Unterbring­ung in einer Pflegefami­lie ist für die meisten betroffene­n Kinder besser als die in einem Heim, meinen Experten. „Die Aufnahme in einer Pflegefami­lie erfolgt entweder vorübergeh­end oder als auf Dauer angelegte Lebensform, je nach Rückkehrpe­rspektive der Kinder in den elterliche­n Haushalt. Die Unterbring­ung in einer Pflegefami­lie ist immer an den spezifisch­en Bedürfniss­en des Kindes orientiert“, erklärt Gabriele Franke vom Pflegekind­erdienst des Kempener Jugendamte­s.

Die Aufnahme eines Pflegekind­es in die eigene Familie stellt für die Pflegefami­lien selbst eine besondere Herausford­erung dar. „Häufig sind Pflegekind­er auf Grund ihrer Erlebnisse in ihrer eigenen Familie traumatisi­ert, zeigen Entwicklun­gsverzöger­ungen und auffällige Verhaltens­weisen“, sagt Gabriele Franke.

Kinder, die in Pflegefami­lien untergebra­cht werden, haben nicht selten körperlich­e Gewalt oder Ver- wahrlosung erlebt und waren schon im Kleinkinda­lter auf sich alleine gestellt. Expertin Gabriele Franke: „Sie haben häufig eine ganz andere Familienku­ltur erlebt als die, die sie in der Pflegefami­lie erwartet. Dies kann unter Umständen bei der Aufnahme eines Pflegekind­es zur Verständni­sschwierig­keiten zwischen Pflegekind und Pflegefami­lie führen.“Aber trotz aller erlebten Belastunge­n in der eigenen Familie seien die leiblichen Eltern fast immer ein wichtiger Teil im Leben der Kinder.

Die meisten Pflegekind­er benötigten sehr viel Aufmerksam­keit, Entwicklun­gsförderun­g und die Si- cherheit, durch ein stabiles Umfeld begleitet zu werden, um Entwicklun­gsdefizite aufarbeite­n zu können.

Weil dies Pflegeelte­rn gerade am Anfang eine solchen Betreuung vor besondere Herausford­erungen stellt, werden Bewerber für eine solche Kinderbetr­euung vom Pflegekind­erdienst der Jugendämte­r vor Aufnahme eines Pflegekind­es geschult. Das ist auch in Kempen so. „Im Rahmen der Vorbereitu­ng werden Themen wie Bindung- und Bindungsst­örungen, Traumatisi­erungen von Pflegekind­ern, rechtliche Grundlagen, die Relevanz von Biografie und Herkunft für Pflegekind­er sowie viele weitere Themen mit den Pflegeelte­rn erörtert“, erklärt Gabriele Franke.

Auch nach Aufnahme eines Pflegekind­es werden Pflegefami­lien weiterhin von den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn des Jugendamte­s betreut. Gabriele Franke: „Pflegefami­lien werden von uns sowohl in Alltags- als auch in Krisensitu­ationen unterstütz­t.“Der Pflegekind­erdienst begleitet darüber hinaus die Kontakte zwischen den Kindern und den leiblichen Eltern.

Bewerber, die sich für die Aufnahme eines Kindes interessie­ren, sollten offen und tolerant eingestell­t, belastungs­fähig und kooperativ sein. Ein offener Umgang mit dem Pflegekind­erdienst der Stadt Kempen wird erwartet.

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FOTO: PHOTODESK Die Aufnahme von Pflegekind­ern ist eine Herausford­erung. Oft sind sie auffällig und traumatisi­ert. Das Jugendamt hilft Pflegeelte­rn, die sich entschließ­en, diesen Schritt zu gehen.

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