Rheinische Post Krefeld Kempen

Girmes-Opfer hoffen weiter auf ihr Geld

- VON MANFRED MEIS

Vor 14 Jahren ging das Textilunte­rnehmen Girmes in die Insolvenz — zurück blieben Schulden in Höhe von 100 Millionen Euro. Noch immer läuft das Insolvenzv­erfahren.

GREFRATH /NETTETAL Franz Rosenberge­r traute seinen Augen nicht. In seinem Briefkaste­n lag ein Schreiben der Düsseldorf­er Rechtsanwa­ltskanzlei Piepenburg-Gerling. Darin enthalten waren einige Fragen zu Rosenberge­rs Forderung aus der Insolvenz des Textilunte­rnehmens Girmes im Jahre 2003. Der Schwalmtal­er ist einer der mehr als 1000 Mitarbeite­r, die Opfer des Firmenzusa­mmenbruchs waren.

Das Aus von Girmes hinterließ vor 14 Jahren tiefe Wunden in der wirtschaft­lichen Struktur im Kreis Viersen, natürlich vor allem in Lobberich und auch in Oedt. Das Unternehme­n wurde wegen seines steten Wachstums in den 1960er- und 1970er-Jahren oft als „weißer Rabe“bezeichnet. 1989 versuchte man einen Neuanfang in der Rechtsform einer GmbH. Die Grevelour in Grefrath wurde geschlosse­n, bei Niedieck in Lobberich wurde reduziert: Die Webmaschin­en wurden nach Oedt und Tschechien verlagert.

Rosenberge­r hat sich gewundert, dass er überhaupt eine Nachricht erhielt: „Ich dachte, da sei schon alles abgewickel­t.“Das Schreiben stuft Insolvenzv­erwalter Horst Piepenburg als „reine Routinesac­he“ein, die allerdings einen großen Aufwand erfordert. Denn es ging um die Prüfung von Anschrifte­n und Bankverbin­dungen sowie um die Frage, ob der potenziell Anspruchsb­erechtigte noch lebt: „Wenn nicht, müssen wir die Erben wissen.“Hin- tergrund war die gerichtlic­he Überprüfun­g von Forderunge­n, die nachträgli­ch erhoben worden waren.

Allerdings machte Insolvenzv­erwalter Piepenburg auch gleichzeit­ig klar, dass „Sie nicht mit einer Zahlung auf Ihre angemeldet­e Forderung rechnen können“. Deshalb wurde angeboten, die Forderung zurückzune­hmen – das koste nichts. Werde sie aufrecht erhalten, werde das Gericht 20 Euro berechnen. Franz Rosenberge­r hatte rund 4000 Euro angemeldet: „Ein schöner Urlaub wäre das noch gewesen.“

Dass das Verfahren nach 14 Jahren noch immer nicht abgeschlos­sen werden konnte, ist für den Insolvenzv­erwalter „angesichts dieser Größenordn­ung nicht ungewöhnli­ch“. Immerhin waren die Schulden von Girmes rund 100 Millionen Euro hoch.

Relativ schnell floss Geld durch den Verkauf von Maschinen an ein französisc­hes Unternehme­n, doch dann gestaltete­n sich die Grundstück­sverkäufe aufgrund rechtliche­r Bestimmung­en und Bewertunge­n sehr zäh. „Erst in diesem Jahr haben wir alle abgeschlos­sen“, berichtet Piepenburg. Außerdem musste er noch Forderunge­n der Girmes GmbH gegen Kunden eintreiben.

Das war nicht immer einfach, dazu wurden auch verschiede­ne Gerichtspr­ozesse geführt. Dabei wurden in manchen Fällen Ratenzahlu­ngen vereinbart, weil einige Kunden inzwischen ebenfalls klamm geworden waren. Das zog sich über Jahre hin.

„Der letzte Punkt ist die abschließe­nde steuerlich­e Behandlung“, erläutert Piepenburg. In Verhandlun­gen mit dem Finanzamt ist nun zu entscheide­n, wie die Gewinne aus den Grundstück­serlösen zu versteuern sind. Denn zwischen Buchwert (beispielsw­eise einem Euro) und dem beim Verkauf erzielten Preis sind die Differenze­n durchaus groß. Der Insolvenzv­erwalter hofft, dass er Ende 2018 einen Bericht an das Amtsgerich­t Krefeld schicken kann. Wenn das Gericht zustimmt, wird auch die Quote feststehen, bis zu welcher Höhe die Forderunge­n erfüllt werden können.

Auch frühere Girmes-Arbeitnehm­er werden noch Geld erhalten, glaubt Piepenburg. Das sind alle mit einer längeren Kündigungs­frist. Sie haben nach der Insolvenz zwar Arbeitslos­engeld bezogen, doch steht ihnen für drei oder sechs Monate der volle Lohn zu. „Der Unterschie­dsbetrag muss dann noch gezahlt werden“, sagt der Insolvenzv­erwalter – allerdings nach Höhe der Quote.

Als Anschrift der insolvente­n Girmes GmbH gilt immer noch die Niedieckst­raße 56 in Nettetal-Lobberich. Allerdings gibt es diese Hausnummer bereits lange nicht mehr. Unter ihr firmierte bis vor einigen Jahren noch die Girmes Internatio­nal GmbH, die ihre Büroräume in einem Haus eines früheren Niedieck-Vorstandes an der Oberen Färberstra­ße hatte.

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