Rheinische Post Krefeld Kempen
Zum Fürchten, diese Bayern
Der Tabellenführer gewinnt das Spitzenspiel in Dortmund mit 3:1 und setzt sich ab.
DORTMUND In der Westfalenhalle gibt’s Gänsehaut zu stolzen Preisen. Horror-Fans aus aller Welt kommen zum „Wochenende der Hölle“. Sie zahlen bis zu 125 Euro Eintritt, damit sie Schauspieler wie Danny Trejo („From Dusk till Dawn“) oder Melinda Clarke („Return of the Living Dead“) aus der Nähe erleben dürfen.
Auch ein paar Meter weiter werden tüchtige Preise für ein kleines Gruselstück bezahlt. Gut 80.000 Fußballfans erleben, wie der Bundesliga-Tabellenführer Bayern München sich bei seinem vermeintlich ärgsten Rivalen Borussia Dortmund im ehemaligen Westfalenstadion mit 3:1 durchsetzt. In vier Meisterschaftsspielen hat der neue Münchner Trainer Jupp Heynckes aus einem Fünfpunkte-Rückstand auf Dortmund einen SechspunkteVorsprung gemacht. Und als er verspricht, „wenn die verletzten Spieler zurückkommen, werden wir attraktiveren und hoffentlich genauso erfolgreichen Fußball spielen“, da wird es vielen Anhängern der Mitbewerber ganz kalt.
Sie sind wieder zum Fürchten, diese Bayern. Heynckes hat ihnen in Rekordzeit System, neue Leidenschaft und Lust am Fußball beigebracht. Und er sieht sich noch nicht am Ziel. „Wir haben vor allem in der ersten Halbzeit eine sehr gute Leistung gebracht“, erklärt der 72-Jährige, „aber wir dürfen nicht vergessen, dass Dortmund auch drei hervorragende Torchancen hatte.“
Im Unterschied zu den Gastgebern gehen die Münchner mit ihren Gelegenheiten in kühler Meisterschaft um. Eine Mischung aus Entschlossenheit im Kopfball (Kingsley Coman gegen Julian Weigl), Überblick bei einer zarten Flanke durch den Strafraum (Thiago), Kunstfertigkeit in der Ballannahme und der Weiterleitung (James) und Eleganz im Abschluss (Arjen Robben) bringt ihnen die Führung. Und während der BVB-Verteidiger Sokratis an der Seitenlinie behandelt werden muss, nützen die Gäste ihre Überzahl. Robben und Joshua Kimmich kombinieren sich bis zur Grundlinie durch, Kimmichs Flanke befördert Robert Lewandowski mit der Hacke ins Netz. „Das ist mein Job“, stellt der Pole lakonisch fest.
Für die Dortmunder, die „eine Hälfte nur hinterhergelaufen sind“, wie ihr Trainer Peter Bosz zu Recht urteilt, ist die Begegnung damit beinahe entschieden. „Nach einem 2:0 ist es einfacher, hier zu spielen“, sagt Lewandowski. Und Heynckes erklärt: „Wenn wir 2:0 führen, haben wir die Klasse und die Disziplin, so eine Führung zu halten oder auszubauen.“Das gelingt den Bayern, obwohl sie im zweiten Durchgang eher in den Verwaltungsmodus schalten und Dortmund mit mehr Engagement in die Zweikämpfe geht. Eine Flanke von David Alaba trudelt ins Tor, weil Lewandowski dem Ball entgegenfliegt und damit die BVBAbwehr inklusive Torwart Roman Bürki irritiert. Mit dem 3:0 ist die Partie endgültig vorbei. Der herausragende Dortmunder Christian Pu- lisic verbucht noch ein Fleißkärtchen, als er kurz vor Schluss drei Münchner an der Eckfahne schlecht aussehen lässt und dem Kollegen Marc Bartra das 1:3 ermöglicht. „Pulisic“, sagt Bosz, „war wie das Publikum, er hat nie aufgegeben.“Die Mitspieler des 19-jährigen USAmerikaners dürfen sich angemessen ermahnt fühlen.
Bosz gibt allerdings die Hoffnung nicht auf, dass seine im Vergleich zu den jüngeren Auftritten deutlich verbesserte Mannschaft bald auch wieder auf den Pfad besserer Ergebnisse einbiegt. „Es sind drei Wo- chen, in denen es nicht gut war“, betont der Niederländer, „wir haben noch sieben Monate in der Bundesliga, um es besser zu machen. Und das schaffen wir auch.“
Mit berechtigtem Trotz verweigert er sich der Ansicht, dass durch das 1:3 die Meisterschaft am elften Spieltag zugunsten der Münchner entschieden wäre. Da ist er sich mit dem Amtsbruder Heynckes einig. „Wir sollten den Ball flach halten“, entgegnet der Trainer-Routinier auf die Frage, ob mit dem Spiel in Dortmund die Machtverhältnisse geklärt seien. Es sieht vielleicht nur so aus.