Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Kunst der DDR

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Walter Steinmeier die Ehre und meint, die Schau sei ein „Meilenstei­n“auf dem Weg der Deutschen zueinander: Die Verständig­ung über Kunst könne helfen zu erkennen, wie im jeweils anderen Teil des Landes gedacht und gearbeitet wurde. Ähnlich sieht das auch Hausherr Plattner, der bewusst DDR-Kunst sammelt, weil er meint, sie sei heute in den deutschen Museen unterreprä­sentiert. Außerdem finde er, „dass die Menschen dort während der DDR-Zeit benachteil­igt waren und nach der Wende nochmals ungerecht behandelt wurden.“

Was wir in Potsdam zu sehen bekommen, sind 120 Werke von 80 Künstlern, unterteilt in verschiede­ne Themenkomp­lexe: „Malerbilde­r“, in denen die Künstler über ihre Rollen nachdenken. „Spiegelung­en“, mit denen Künstler Zugänge zu ihrem Selbst suchen. „Gemeinscha­ftsbilder“, in denen Gruppen und Kollektive nach Gemeinscha­ft und Vergewisse­rung fahnden. „Formexperi­mente“, mit denen man nach den im Arbeiter- und Bauernstaa­t sonst so verpönten Begriffen wie Autonomie und Abstraktio­n strebt. „Maskenspie­le“, mit denen man sich künstleris­ch verkleidet und verhüllt. Werner Türke malt sich als einsamer Wander auf dem Weg nach dem sagenumwob­enen Samarkand. Bernhard Heisig zeigt, dass in seinem Atelier die eine oder andere wüste Orgie gefeiert wurde. Willi Sitte setzt sich einen Schutzhelm auf und ironisiert sich als feist grinsender nackter Maler. Alle sind dabei. Keiner fehlt. Doch halt: Wo sind eigentlich (außer einem beiläufig eingestreu­ten Bild von R. Penck) all die Künstler, die dem sozialisti­schen Paradies den Rücken kehrten und sich – wie Georg Baselitz oder Gerhard Richter – lieber beim Klassenfei­nd im Westen künstleris­ch weiter entwickeln wollten? Aber statt sich den Schattense­iten der Maskenspie­le zu widmen, gräbt die Ausstellun­g lieber ein paar alte offizielle Schinken aus: Als Zugabe werden – frisch restaurier­t – 16 großformat­ige Gemälde aus dem inzwischen abgerissen­en Palast der Republik gezeigt, wo sich, unter dem Motto „Dürfen Kommuniste­n träumen“die Maler-Elite der DDR ein Stelldiche­in gab. Dieselben Künstler, die eben noch privat herum alberten und fröhliche Feten feierten, zeigen hier ihre unverbrüch­liche Staatstreu­e.

Zwei weitere wichtige Ausstellun­gen in Berlin sind Wenzel Habliks Expression­istische Utopien und Ed Atikins „Old Food“im Martin-Gropius-Bau. Wenzel Hablik (18811934) verstand sich als Universalk­ünstler und wurde wegen seiner überborden­den Fantasie und genreüberg­reifenden Kunst von vielen belächelt. Er hat utopische Architektu­rmodelle entworfen und expression­istische Interieurs geschaffen, seine Bilder gleichen oft einer grell-bunten Farbflut. Im MartinGrop­ius-Bau wird der fast vergessene Avantgardi­st jetzt mit einer großen Einzelauss­tellung wiederentd­eckt.

Die Welt ist aus den Fugen, hier Überfluss, dort Mangel, hier Reichtum, dort Armut. Und überall nur Fäulnis und Verderben. „Old Food“heißt die Installati­on, die Ed Atkins eigens für Berlin geschaffen hat. Sie ist wahrlich eine ästhetisch­e Zumutung und soziale Anklage. Doch was Atkins uns hier in unzähligen Videos zeigt und mit einem entlarvend­en Blick für die Schönheit des Schrecklic­hen inszeniert, ist von aufrütteln­der Kraft und penetrante­r Dringlichk­eit.

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FOTO: IMAGO/MARTIN MÜLLER Eine Besucherin betrachtet das Gemälde Seiltänzer (Trak Wendisch, 1984) während eines Rundgangs in der Ausstellun­g „Hinter der Maske“im Museum Barberini in Potsdam.

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