Rheinische Post Krefeld Kempen

Selbstbest­immung steht im Mittelpunk­t

- VON STEPHANIE WICKERATH

Seit 50 Jahren gibt es die Lebenshilf­e im Kreis Viersen. Mit einem feierliche­n Festakt im Schloss Neersen ging das Jubiläumsj­ahr zu Ende. Rund 200 Gäste feierten im Schloss. Moderiert wurde der Abend von Claudia Kleinert.

NEERSEN Es gab ein Musical und Theaterauf­führungen, einen Trödelmark­t und ein Familienfe­st, zu dem 3000 Menschen kamen. Und nun gab es einen letzten feierliche­n Akt zum Abschluss des Jubiläumsj­ahrs. Vor 50 Jahren gründete sich die Lebenshilf­e im Kreis Viersen. Mit einem Galaabend im Schloss Neersen wurde das Jubiläum gefeiert.

Horst Bessel ist der Mann der ersten Stunde. Der Senior aus Süchteln erzählt im Interview mit WDR-Wetterfee Claudia Kleinert, die den Festakt moderiert, dass sein Sohn zu den „Sorgenkind­ern“gehört habe. „So nannte man früher gesitig-behinderte Kinder“, sagt Bessel. Im Kindergart­en war aufgefalle­n, dass der Junge kaum sprach. Bessel nahm mit Hilfe von Apothekern und Ärzten Kontakt zu anderen betroffene­n Eltern auf. „Zur ersten Versammlun­g kamen 20 Familien“, erinnert sich der 86-Jährige.

20 Jahre lang war Bessel Vorsitzend­er der Lebenshilf­e im Landkreis Kempen-Krefeld, später Kreis Viersen. Bis 2005 blieb er im Vor- stand. „Wir sind ein Ideal-Verein“, sagt der Süchtelner, „wir haben das Ideal, dass unseren Kindern geholfen wird.“Stolz sei er auf die Arbeit, die die Lebenshilf­e in den 50 Jahren geleistet habe, aber auch demütig.

Was der Verein geleistet hat und leistet, wird bei den kurzen Einspieler­n deutlich, die immer wieder auf der Leinwand gezeigt werden und in denen die Behinderte­n selber zu Wort kommen. „Ich bekomme hier Hilfe, aber auch Anerkennun­g“, sagt eine Frau. Andere loben die Freizeitan­gebote, die Möglichkei­t, selbstbest­immt zu leben und in den Werkstätte­n arbeiten zu können.

Tatsächlic­h ist die Lebenshilf­e in vielen Bereichen tätig. Neben den Wohnangebo­ten und der Arbeit in den Werkstätte­n gibt es Beratungen für Eltern etwa bei der Schulwahl, offene Hilfen, Freizeitan­gebote, Fahrdienst­e. „Wir sind von einem Elternvere­in, der um Almosen bettelt, zu einer deutschlan­dweiten Selbsthilf­evereinigu­ng aufgestieg­en“, sagt Wolfgang Reinsch, Vorsitzend­er der Lebenshilf­e Viersen in seiner Ansprache. Besonders stolz sei der Verein auf seine inklusiven Wohnräume, in denen Behinderte und Nicht-Behinderte zusammen leben. Auch das Integratio­nsunterneh­men „Käffchen am Steinkreis“ist ein Projekt, auf das der Verein mit Stolz blickt. Vor fünfeinhal­b Jahren eröffnet, ist das Café in der Nähe des Viersener Bahnhofs ein beliebter Treffpunkt geworden. Barrierefr­ei geplant und mit Liebe zum Detail ausgestatt­et, finden im Innenraum 45 und im Innenhof 60 Gäste Platz. Im „Käffchen“arbeiten behinderte und nicht-behinderte Menschen zusammen und bekommen den gleichen Lohn für ihre Tätigkeit.

Doris Langenkamp vom Bundesvors­itz lobt in ihrer Rede die vielen guten Angebote und die Tatsache, dass die Selbstbest­immung im Mittelpunk­t stehe. „Ein selbstbest­immtes Leben für behinderte Menschen ist das wichtigste Ziel unserer Arbeit“, sagt Langenkamp. CDU-Politiker Uwe Schummer, der auch NRW-Landesvors­itzender der Lebenshilf­e ist, lobt das Engagement des Vereins, der oft sehr kreativ sei.

„Ein gutes Beispiel dafür ist das Projekt Ehrenamt rückwärts“, sagt Schummer. Die Idee: Die Bewohner der Wohnstätte in Wekelen erfüllen ehrenamtli­che Aufgaben, die ihnen Anerkennun­g bringen und sie in die Mitte der Gesellscha­ft holen. So arbeiten sie etwa bei der Willicher Tafel. Die Lebenshilf­e hat für diese Idee kürzlich den Deutschen Engagement-Preis bekommen.

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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Viele Gäste kamen zum feierliche­n Festakt der Lebenshilf­e in das Neersener Schloss.

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