Rheinische Post Krefeld Kempen
„Russen die Chance geben, gute Gastgeber zu sein“
Erst führte er Henkel, seit 2016 ist der 55-Jährige Chef von Adidas. Wir sprachen mit dem Dänen über die WM und personalisierte Schuhe.
HERZOGENAURACH Beim Gespräch zeigt Kasper Rorsted Sportschuhe, die in einigen Jahren in jedem größeren Adidas-Shop individuell gefertigt werden sollen. Als ich frage, ob die teuer würden, witztelt er: „Na, hoffentlich“, will sich aber auf keinen Preis festlegen: „Es gibt durchaus Konsumenten, die bereit sind, für einen personalisierten Schuh etwas mehr auszugeben.“ Sind Sie froh, sich nun um Sport statt um Waschmittel zu kümmern? RORSTED Ich bin zu Adidas gewechselt, weil ich mich leidenschaftlich für Sport interessiere. Ich habe jetzt meinen absoluten Traumjob. Und es war ein guter Zeitpunkt, noch einmal etwas Neues zu machen. Aber mit Distanz zu Henkel hat das nichts zu tun: Sonst wäre ich ja nicht elf Jahre geblieben. Sie nahmen aber keinen Mitarbeiter aus Düsseldorf mit ... RORSTED Ja, aus Prinzip. In jedem großen Unternehmen gibt es gute Leute, die es zu fördern gilt. Da wäre es unfair, ihnen Leute vorzusetzen, die man woanders schätzen lernte. Sie lehnen Kungelei gerne mit dem Hinweis ab: „Ich bin freundlich in der Firma, will dort aber keine Freunde haben.“Nun kam Ihr Wechsel zu Adidas zustande, weil Sie und Ihr Vorgänger Herbert Hainer sich gut kennen. Also doch Kungelei? RORSTED Nein, der Aufsichtsrat und nicht der Vorstandschef hat entschieden, dass ich CEO von Adidas werden soll. Das war eine ganz nüchterne Entscheidung. Es hat aber sicherlich eine Rolle gespielt, dass ich zur Firmenkultur bei adidas passe. Weil Sie sportbegeistert sind und als Däne die Duz-Kultur mögen?
RORSTED Beispielsweise. Bis 2020 soll der Gewinn um mehr als 60 Prozent steigen, während der Umsatz nur um 30 Prozent steigen soll. Werden Shirts und Schuhe teurer? RORSTED Nein, das muss nicht sein. Strategisch gesehen, wollen wir die Begehrlichkeit unserer Marken steigern und Umsatz und Gewinn verbessern. Ein wichtiger Treiber ist unser Online-Geschäft, das wir stark ausbauen. 2016 stieg unser Internetumsatz um 60 Prozent auf eine Milliarde Euro. Bis 2020 soll er sich vervierfachen. Das steigert die Rendite überdurchschnittlich, weil wir im Online-Geschäft deutlich profitabler aufgestellt sind. Kurbelt 2018 die Fußball-WM Ihr Geschäft stark an? RORSTED Im Fußball sind wir klarer Marktführer weltweit und sponsern bei der WM im kommenden Jahr elf Mannschaften. Insgesamt rechne ich 2018 mit einem deutlichen Anstieg der Adidas-Trikotverkäufe wegen der WM. Dabei hoffen wir, dass unsere Teams möglichst weit kommen: Mit Deutschland, Spanien und Argentinien rüsten wir ja drei der Favoriten aus. Fahren Sie persönlich zur WM trotz Putins Krim-Annexion? RORSTED Ja, und ich freue mich. Sportereignisse wie die Fußball-WM begeistern Menschen auf der ganzen Welt. Lassen Sie uns den Russen die Chance geben, ein guter Gastgeber zu sein. Ich schätze das Land außerdem persönlich und als Markt – wir beschäftigen 6000 Mitarbeiter und sind Marktführer. Wann schlagen Sie auf globaler Ebene endlich Weltmarktführer Nike? RORSTED Unser Ziel ist, attraktive Produkte auf den Markt zu bringen und jedes Jahr Marktanteile und Gewinn deutlich auszubauen. Aber dies ist kein Tennismatch mit zwei Spielern, das nur einen Sieger kennt. Wir fokussieren uns auf unser eigenes Geschäft und darauf, immer besser zu werden. Es macht keinen Sinn, als Hauptziel auszugeben, Nike zu schlagen. Am meisten wollen Sie in den USA, dem Heimatmarkt von Nike, wachsen, obwohl Adidas dort mit 16 Pro- zent die niedrigste Bruttorendite aller Regionen hat. Gefährdet das Ihre Gewinne? RORSTED Die Logik ist umgekehrt: Die USA sind mit 37 Prozent mit Abstand wichtigster Sportmarkt. In fast allen anderen Märkten sind wir Marktführer oder liegen nur knapp hinter Nike. Um dauerhaft mehr zu verdienen, müssen wir also den US-Marktanteil deutlich erhöhen. In den ersten neunMonatenlegtenwir mit der Marke Adidas in Nordamerika mehr als 30 Prozent zu. Nun müssen wir dranbleiben. Darum bin ich alle paar Wochen auf der anderen Seite des Atlantiks. Stoßen Sie bald Reebok ab? RORSTED Nein. Wir haben einen Plan, um Reebok wieder zu einer Erfolgsmarke zu machen. Diesen Plan
setzen wir jetzt konsequent um. Nun ist Adidas aber in eine Bestechungsaffäre in der College-Basketball-Liga verwickelt, bei der den Eltern eines Amateurspielers 100.000 Dollar zugeschoben worden sein sollen. Stoppt das den US-Vormarsch? RORSTED Nein, Basketball macht nicht einmal ein Prozent unseres Geschäftes in den USA aus. Wir sind dabei, mit externen Beratern die Vorwürfe und Fakten nachzuvollziehen und arbeiten vollumfänglich mit den Behörden zusammen. Adidas gibt pro Jahr 2,5 Milliarden Euro für Sportsponsoring und Marketing aus. Ist das Verschwendung? RORSTED Im Gegenteil. Gerade die Investitionen in die großen Klubs wie Real Madrid, Bayern München oder Manchester United lohnen sich: Einen beträchtlichen Teil der Ausgaben holen wir durch Verkauf der Trikots in der ganzen Welt herein - inklusive des sehr wichtigen Marktes China. Ansonsten zahlen die Investitionen auf unser Image und unsere Popularität ein. Wir sind eine der bekanntesten Marken des Globus, obwohl wir so gut wie nie TVWerbung schalten. Bei Schalke 04 stieg Adidas aus, davor bei Leverkusen, Nürnberg oder Chelsea. Also nur noch Superklubs? RORSTED Sagen wir es so: die Strahlkraft als globale Marke zählt. Wir kündigten sogar den Sponsoring-Vertrag der dänischen Nationalmannschaft, obwohl ich ja Däne bin. Gleichzeitig sponsern wir aber hunderte junger Talente, um einige der künftigen Superstars bei uns zu haben. Sollen Partnerschaften auch helfen, Ihre niedrigen Forschungs- und Entwicklungsausgaben von nicht einmal einem Prozent des Umsatzes auszugleichen? RORSTED Auch 164 Millionen Euro sind viel Geld. Aber richtig ist, dass wir auch bei Innovationen gerne mit Partnern kooperieren, um ge- meinsam mit ihnen immer bessere Produkte zu fertigen. BASF entwickelte für uns das Mittelsohlenmaterial Boost – die leichten, federnden Schuhe sind ein Hit. In unserer neuen Speedfactory in Ansbach bauen wir mit unserem Partner Oechsler bald bis zu 500.000 Sportschuhe im Jahr. Und in wenigen Jahren wollen wir dank unserer Partnerschaft mit dem Silicon-Valley-Startup Carbon personalisierte Schuhe aus dem 3D-Drucker auch in den Shops anbieten. Der Kunde kommt rein, der Fuß wird vermessen, nach einer Weile ist der maßgeschneiderte Schuh fertig. Zurück zum Fußball: Die immer höheren Einnahmen vieler Vereine führen zu Exzessen wie dem 220 Millionen Euro teuren Kauf von Neymar durch Paris St. Germain. Besorgt Sie das als Fußballfreund? RORSTED Ja. Wir müssen in Deutschland und Europa eine Financial FairPlay-Regel im Fußball durchsetzen. Vereine sollten nicht viel mehr Geld ausgeben können, als sie im regulären Geschäft verdienen. So verhindern wir, dass einzelne Klubs eine ganze Liga dominieren. So wie Bayern München, wo Adidas sogar mit 8,33 Prozent beteiligt ist? RORSTED Ich hoffe und erwarte zwar, dass Bayern München wieder Meister wird und sich auch in der Champions League gut schlägt. Aber das basiert auf einer jahrelangen soliden Aufbauarbeit. Und der große Erfolg von RB Leipzig als Zweitem in der Bundesliga zeigt, dass es keines gigantischen Budgets bedarf, um den Bayern nahe zu rücken. Leipzigs Spieleretat von 45 Millionen Euro in der vergangenen Saison lag deutlich unter dem Schnitt der Bundesliga. Respekt vor deren langfristiger Planung und guter Jugendarbeit! Damit Bayern vorne bleibt, muss Heynckes noch lange Trainer bleiben. RORSTED Es ist gut, dass Jupp Heynckes den Bayern in dieser Saison beigesprungen ist. Ich schätze ihn sehr. Aber wie es in der nächsten Saison weitergeht, das muss der Vorstand alleine entscheiden. Da mischen wir uns als Sponsor nicht ein. REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS INTERVIEW.