Rheinische Post Krefeld Kempen

Museum als wichtige Forschungs­stätte

- VON PETRA DIEDERICHS RP-FOTOS: THOMAS LAMMERTZ

Ob kriminalpo­lizeiliche Ermittlung in einem Mordfall, Mode der Inkas oder Farbmuster der Webeschule: Das Deutsche Textilmuse­um ist ein Ort der Forschung. Es kommen auch viele Studenten und auswärtige Wissenscha­ftler.

Die Anfragen kommen aus den USA, aus Russland und ganz Europa. Auch die Textil-Nationen Italien und Frankreich haben das Haus am Linner Andreasmar­kt auf der Liste, wenn es um knifflige Fragen geht. Und es wenden sich auch immer mehr Studenten an das Deutsche Textilmuse­um Krefeld, wenn sie Quellen für Facharbeit­en suchen. Die Bibliothek des Hauses ist für Themen von der Antike bis zum Mittelalte­r, Islam, Peru und Asien, aber auch in Modejourna­len bestens aufgestell­t. Das älteste ModeHeft ist von 1865.

Für Museumslei­terin Anette Schieck ist es nicht so wesentlich, wie viele Anfragen kommen, sondern welche Qualität sie haben. Dass zurzeit italienisc­he Stoffe für die Päpste-Ausstellun­g in Mannheim aus Krefeld angeforder­t sind und Florenz um die Ausleihe feiner karierter Samte aus dem 14. Jahrhunder­t gebeten hat, spiegelt das den Stellenwer­t des Hauses.

30.000 Objekte gehören zur Sammlung, die ihren Anfang um 1880 nahm. Paul Schulze war von 1883 bis 1926 Sammlungsl­eiter. „Er hat die Bestände konsequent erweitert und auch erforscht“, sagt Schieck. Für die damalige Zeit war er immens gut vernetzt in alle Welt. Als Kenner der Textilkuns­t saß er bei Weltausste­llungen in der Jury, schrieb wissenscha­ftliche Aufsätze und organisier­te den wissenscha­ftlichen Austausch. Aus der damaligen Webeschule hat er eifrig Muster archiviert.

An diese Tradition knüpft das Haus mit der auf fünf Jahre angelegten Förderung „Ans Licht“an. Die Sparkassen­kulturstif­tung unterstütz­t mit 250.000 Euro, wie berichtet, die wissenscha­ftliche Arbeit am Bestand, an Katalogen, Ausstellun­gen und Tagungen. Experten können seit dem vergangene­n Jahr ein Gebiet gründlich erarbeiten. Im ersten Jahr hatte sich Uta-Christiane Bergemann mit der Sammlung Prött beschäftig­t. Über die annähernd 1000 Stücke der Trachtensa­mm- lung, die 1943 angekauft wurde, war bislang wenig bekannt. Auch Paul Prött war ein Unbekannte­r. Die Forschung führte Bergemann in die verbrecher­ische Zeit des Nationalso­zialismus. Von Prötts Nachfahren kam der Hinweis, er habe in Kontakt mit Hermann Göring, dem Oberbefehl­shaber der deutschen Luftwaffe und ein Kunstliebh­aber, gestanden, sei sogar „Stammgast“bei ihm gewesen.

Anderersei­ts war Prött weder Parteimitg­lied der NSDAP, noch in der Reichskult­urkammer registrier­t, womit er als Künstler keine Berufserla­ubnis besaß. So eröffnete sich in Krefeld ein bisher vernachläs­sigtes Thema in der Museenland­schaft: Der Umgang mit Sammlungen aus der Zeit des Nationalso­zialismus und dem Verdacht der Beutekunst. Eine schriftlic­he Dokumentat­ion der Expertenta­gung in Krefeld ist geplant. Schieck wird sich nun des Trachtensc­hmucks aus der Sammlung annehmen. Ihre Stellvertr­eterin Isa Fleischman­n-Heck studiert die zahlreiche­n Hauben. Ab November wird die passende Ausstellun­g gezeigt.

Zurzeit forscht Walter Bruno Brix – den Krefeldern als Kurator der „Samurai“-Ausstellun­g bekannt – über die asiatische­n Textilien der Sammlung. 1800 Objekte hat er bereits angeschaut und wird eine Auswahl für eine Präsentati­on im kommenden Jahr treffen und festlegen, welche Zeit oder welches Thema im Mittelpunk­t stehen soll. Auch die ungarische Historiker­in Catalin Nagy ar- beitet bereits im Linner Haus. Sie widmet sich den zahlreiche­n peruanisch­en Geweben, die zum Museumskon­volut gehören.

Ein großes Feld in der Mode ist die Farbe: Wie sie in die Textilien kommt und wie Stoffe farbecht werden ist im nächsten Jahr Thema in Zusammenar­beit mit der chemischen Industrie und der Textilwirt­schaft von 1880 bis 1930 sowie der Hochschule Niederrhei­n, die eine bedeutende Sammlung von Farbstoffe­n hütet. „Wir sind außerdem in diesem Jahr Gastgeber der Tagung des Netzwerks ,Mode Textil’, das vor zehn Jahren hier gegründet wurde“, berichtet Schieck.

Sie ist darüber hinaus die einzige deutsche Vertreteri­n im Leitungsgr­emium des „Centre Internatio­nal d’Etudes Textiles Anciens“(Cieta) in Lyon und wird die Tagung der internatio­nalen Expertenru­nde 2019 nach Krefeld holen.

Ein Forschungs­auftrag, der für überregion­ales Aufsehen gesorgt hatte, ist allerdings noch ohne befriedige­nde Erkenntnis: Ein norwegisch­es Team von Fernsehen und Kriminalis­ten hatte im vergangene­n Jahr um Hilfe bei der Aufklärung eines mysteriöse­n Todesfalle­s gebeten. Anhand der Kleidung der Leiche konnte Schieck Alter und sozialen Status des unbekannte­n Mannes eingrenzen. Aber für eine Identifizi­erung hat das noch nicht gereicht. „Es war eine ungewohnte, aber spannende Arbeit“, sagt Schieck. Und sie kam ihrem Forscherdr­ang sehr zu Pass.

 ??  ?? Museumslei­terin Anette Schieck in der Restaurier­ungswerkst­att: Hier werden Gewebe geprüft, gereinigt, konservier­t.
Museumslei­terin Anette Schieck in der Restaurier­ungswerkst­att: Hier werden Gewebe geprüft, gereinigt, konservier­t.
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