Rheinische Post Krefeld Kempen
Sippel ist auf jeden Fall vorbereitet
Borussias Torwart Yann Sommer musste beim 0:2 in Frankfurt verletzt raus. Den Ersatzmann traf keine Schuld an der Niederlage. Ob er Samstag gegen RB Leipzig zum siebten Mal für Gladbach spielt, hängt von der Nummer eins ab.
Yann Sommer spürte die Leiste. Borussias Torhüter versuchte es noch, doch es ging nicht. „Yann konnte keine langen Bälle mehr spielen“, erklärte Trainer Dieter Hecking nach dem 0:2 der Borussen bei Eintracht Frankfurt. „Unserem Athletiktrainer ist aufgefallen, dass Yann Probleme hat. Ich sollte mich dann schon mal aufwärmen und habe dabei versucht, Blickkontakt zu Yann aufzubauen. Er hat dann erst ein Zeichen gegeben, dass alles okay sei. Ich habe mich daraufhin erst einmal wieder auf die Bank gesetzt. Kurz darauf kam aber doch das Signal, dass er ausgewechselt werden muss“, sagte Tobias Sippel, der Sommer ab der 17. Spielminute ersetzte.
Ob es am Samstag (18.30 Uhr) gegen RB Leipzig für ihn den siebten Einsatz gibt, hängt von Yann Sommers Leiste ab. „Vielleicht war die Auswechslung nur eine Vorsichtsmaßnahme, damit es nicht noch schlimmer wird. Wir müssen jetzt in den nächsten Tagen schauen, wie sich die Sache entwickelt“, sagte Sippel. Sollte er spielen, will er seine makellose Heimbilanz fortsetzen. Zwei Spiele gab es mit Sippel im Borussia-Park, beide wurden 2:0 gewonnen.
Insgesamt spielte Sippel jetzt sechsmal für Gladbach, Bei seinen ersten vier Einsätzen – im Oktober 2015 gegen Wolfsburg (2:0), im Mai 2016 in Darmstadt (2:0), im Pokalspiel in Drochtersen im August 2016 (1:0) und schließlich im September 2017 gegen Stuttgart (2:0) – blieb Sippel ohne Gegentor. Dann kam das 1:6 in Dortmund und der Nimbus des „Zu-Null-Sippel“war dahin.
TTobias Sippel horgan Hazard hatte etwas herausgefunden: Es kann sehr hilfreich sein, flach zu schießen. Das hatte ihm nicht nur der Kollege Matthias Ginter geraten. Gegen Augsburg tat es der Belgier und traf zum 2:0. Nun in Frankfurt trat Hazard zum Elfmeter an. Er hatte das schon viermal getan in dieser Saison und hatte viermal getroffen – auch in psychologisch druckvollen Situationen wie in letzter Minute gegen Hannover nach langer Videoassistent-Wartezeit. Zweimal schoss er flach, zweimal halbhoch – nun „knallte“er den Ball hoch auf das Tor und traf die Latte. Das kann passieren, doch war es bezeichnend für das Spiel der Borussen insgesamt: Denn der Lerneffekt aus dem Augs-
In Frankfurt stand Sippel (29) zum dritten Mal in dieser Saison im Gladbacher Gehäuse, somit hat er in dieser Spielzeit ebenso viele Einsätze wie in den beiden vorangegangenen Spielzeiten zusammen. Er spielte beim 2:0 gegen Stuttgart und beim 1:6 in Dortmund. Nun gab es mit Sippel das 0:2 in Frankfurt. Den Torhüter traf aber keine Schuld daran. „Es ist immer ärgerlich, wenn man den Torwart wechseln muss. Aber Tobias Sippel hat es gut gemacht“, sagte Hecking.
Kevin-Prince Boateng (43.) und Luka Jovic (90. + 2) brachten nun in Frankfurt den Ball an Sippel vorbei, es waren seine Gegentore sieben und acht als Borusse. Kurios: Ein 2:0 gab es in vier der sechs SippelSpiele, erstmals jedoch siegte der Gegner mit diesem Resultat.
Dass er quasi kalt ins Spiel musste, war kein Problem für Sippel. „Es ist ja nicht so, dass man sich wie ein Dauerkarteninhaber auf die Bank setzt und sich in Ruhe das Spiel anguckt. Man ist als Torhüter immer darauf fokussiert, dass etwas passieren kann und man kurzfristig hereinkommt. Deswegen bin ich ja hier. Ich bin auf so einen Fall vorbereitet“, sagte der Torwart.
Mit seiner Darbietung im sechsten Spiel für Gladbach war er zufrieden. „Dafür, dass ich so lange nicht gespielt habe, war es okay. Es gibt aber immer Luft nach oben. Trotzdem denke ich, dass die Jungs wieder gemerkt haben, dass sie sich auf mich verlassen können. Grundsätzlich ist es immer schön, mal wieder zu spielen, auch wenn das Spiel verloren geht“, sagte Sippel.
Die Art, wie das Spiel verloren ging, ärgerte Sippel. „Es kam wieder burg-Spiel, der war nicht zu erkennen.
Da hatten die Gladbacher in den entscheidenden Momenten das Richtige getan, das gelang in Frankfurt nicht. Es war wie in den beiden Frankfurt-Treffen zuvor, im PokalHalbfinale und beim 0:1 in der Hinrunde: Borussia ließ sich von der Eintracht den Schneid abkaufen. Dass die Frankfurter dies zuweilen mit unlauteren Mitteln tun, ist bekannt. Doch auch Augsburg ist in ähnlicher Art unangenehm, und da waren die Borussen in der Lage, das auszuhalten, auch an der Schmerzgrenze. Es geht nicht darum, die Fairness mit Füßen zu treten, sondern dem Gegner klarzumachen: Mit uns nicht! alles Mögliche zusammen. Der Schiedsrichter, die Lattenschüsse, ungenutzte Chancen – dann verliert man so ein Spiel. Aber ich denke, wir waren besser als Frankfurt und hätten eigentlich mindestens einen Punkt verdient gehabt. Aber dafür muss man eben auch die Tore machen“, sagte Sippel. Das wiederum ist nun mal nicht sein Job, weswegen er, auch, weil Frankfurt nur wenige Chancen hatte, nicht viel ändern konnte an der unschönen Geschichte des Abends. Es war kein Torwart-Spiel.
„Es ist halt im Moment so bei uns, dass wir manchmal in den entscheidenden Situationen einen Schritt zu spät kommen“, sagte Sippel. Beim 0:1 prallte er mit Oscar Wendt zusammen, der dann wegen einer Risswunde am Oberschenkel raus musste. „Es tut mir natürlich leid, dass ich Oscar auch noch verletzt habe. So hatten wir zur Halbzeit schon zwei Wechsel verloren, das hat Frankfurt auch ein bisschen in die Karten gespielt. Aber ich denke, im Großen und Ganzen haben wir es im zweiten Durchgang dennoch ganz ordentlich gelöst. Wir haben uns nur nicht für den Aufwand belohnt“, sagte Sippel.
„Es ist ja nicht so, dass man sich wie ein Dauerkarteninhaber auf
die Bank setzt“
Torwart Borussia Mönchengladbach
Serie statt Reiz-Reaktions-Schema
So aber kam es wie in Köln: Borussia hätte nach der Steigerung in Halbzeit zwei mindestens einen Punkt mitnehmen müssen, doch sie tat es nicht. Auch, weil es erneut ein Tor gab, das, wie die beiden Gegentore in Köln, leicht zu verteidigen gewesen wäre. Stichwort: Lerneffekt. So aber gab es in der Fremde, wo die Gladbacher bis Ende November noch sehr erfolgreich waren, eine erneute schmerzhafte Erfahrung. Nach Köln gab es die Reaktion gegen Augsburg, in Frankfurt gab es wieder den Rückfall, nun muss gegen Leipzig zwangsläufig wieder die Reaktion folgen.
Borussia ist derzeit also nach dem Reiz-Reaktions-Schema unterwegs mit dem Ziel Europa. Das jedoch ist ein Weg ohne Garantien, sondern einer, der Druck erzeugt: Bleibt mal eine Reaktion aus, dann ist es angesichts der Enge in der Tabelle gleich problematisch. Zwischen Champions-League und einer Europa-Niete liegt kaum etwas. Hätte Borussia nur zwei Auswärtspunkte geholt, wäre das Bild ein anderes. Betrachtet man die letzten acht Spiele, gibt es wegen des Nullertrags in der Fremde eine Minusbilanz, weil daheim zwei von zwölf Punkten nicht geholt wurden (1:1 gegen Schalke), es auswärts aber keinen Ausgleich gab. Es ist eine Milchmädchenrechnung, die aber zeigt wie dünn das Eis ist.
Es ist sicherlich indes ein Klagen auf hohem Niveau. Und dass den Borussen derzeit das Spielglück fehlt, ist unbestritten. Doch es hilft nicht zu lamentieren, die Lösung ist, das Spielglück zu erzwingen. Darum muss sich etwas ändern.
Die Borussen propagieren immer wieder das Von-Spiel-zu-Spiel-Denken. Dabei geht es darum, sich zu fokussieren auf die nächste Aufgabe. Das ist gut und richtig. Doch was Lerneffekte angeht, wäre es gut, nicht nur von Spiel zu Spiel etwas umzusetzen, sondern mal einen Langzeitspeicher einzurichten, ein Archiv. Das wäre vielleicht das Lernziel für den Februar (und den Rest der Saison): Borussia sollte das ReizReaktions-Schema durchbrechen mit einer Serie oder einem „Lauf“, wie es Trainer Dieter Hecking nennt.
Karsten Kellermann