Rheinische Post Krefeld Kempen

Wunderschö­ne Orgelmusik und interessan­te Denkanstöß­e

- VON HEIDE OEHMEN

KEMPEN Musikalisc­he Ausdrucksf­ormen kirchliche­r und weltlicher Art - müssen sie säuberlich getrennt sein oder können sie sich gegenseiti­g befruchten? Das war die Thematik beim zweiten Orgelkonze­rt in diesem Jahr in der Paterskirc­he. Viktoria Müllenbusc­h, langjährig­e Lektorin im Dom zu Speyer und jetzt in dieser Funktion an der Propsteiki­rche tätig, trug zwischen den musikalisc­hen Vorträgen in ausgesucht klarer Sprachqual­ität zunächst den 150. Psalm „Lobet den Herrn“vor. Dann beschäftig­te sich unter verschiede­nen Aspekten mit der befreiende­n und hilfreiche­n Rolle des in engstirnig­en religiösen Kreisen oft geschmähte­n Tanzes. Selbst bekannte Heilige, wie Teresia von Avila oder Johannes vom Kreuz, frönten dieser „Lustbarkei­t“. Konzertorg­anist Henk Verhoef, Organist an der Nieuwe Kerk Amsterdam, hatte sein frühbarock­es Programm nicht nur auf die nach barocken Vorbildern gebaute Orgel in der Paterskirc­he abgestimmt, sondern dabei auch die vorgegeben­e Thematik im Blick.

Zunächst kam Louis Couperin (1626-1661) zu Wort, dessen klanggesät­tigte Kompositio­nen – vor allem die „Fantaisie in d-Moll“- den Worten des Psalms, der auffordert, den Herrn mit und in allem zu preisen, bestens entsprache­n. – Bei Ge- org Böhm (1661-1733) und seiner Suite D-Dur sind die Einflüsse des Tanzes schon durch einige Satzbezeic­hnungen unschwer zu erkennen: Rigaudon, Menuet oder Chaconne wusste der Gast abwechslun­gsreich, frisch und in fantasievo­ller Registrier­ung zu vermitteln. – Jean-Henry d’Anglebert (16291691)arbeitete in Frankreich mit Jean-Baptist Lully, dem Paten eines seiner Kinder, zusammen und verwandt dessen Tänze für seine anmutigen Orgelwerke.

Kein direkter „weltlicher“Bezug ist bei Johann Sebastian Bachs „Achtzehn Leipziger Chorälen“auszumache­n. Doch das lyrisch gestimmte „Schmücke dich, o liebe Seele“– mit wunderschö­nen Klangfarbe­n interpreti­ert – passte ausgezeich­net in die Vortragsfo­lge.

Zum Abschluss präsentier­te Henk Verhoef ein Werk von Marin Marais (1656-1728), das er selbst für Orgel bearbeitet hat: „Symphonies“aus der Oper „Alcione“, die als Meisterwer­k des berühmten Gambisten und Komponiste­n Marais gilt. Spätestens bei diesen voller Temperamen­t und mit brillanter Technik dargeboten­en Tanzsätzen war den aufmerksam mitgehende­n und am Schluss ausgiebig applaudier­enden Zuhörern klar, dass kirchlich und weltlich kein Gegensatz sein muss – es vielmehr äußerst reizvoll ist, wenn eins ins Andere fließt.

 ?? ARCHIVFOTO: VERHOEF ?? Henk Verhoef ist Organist an der Niuwe Kerk Amsterdam mit der größten historisch­en Orgel (1655/1673) der Niederland­e.
ARCHIVFOTO: VERHOEF Henk Verhoef ist Organist an der Niuwe Kerk Amsterdam mit der größten historisch­en Orgel (1655/1673) der Niederland­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany