Rheinische Post Krefeld Kempen

„Schreiben ist wie Küssen, nur ohne Lippen“

- VON STEPHANIE WICKERATH FOTO: LOREDANA LAROCCA

Mit einer Mischung aus Lesung und Schauspiel begeistern Ann-Cathrin Sudhoff und Ralf Bauer in „Gut gegen Nordwind“nach dem gleichnami­gen Roman von Daniel Glattauer rund 550 Zuschauer im Corneliusf­orum.

TÖNISVORST Langanhalt­ender Applaus für die großartige­n Schauspiel­er und langanhalt­ende Diskussion­en in der Schlage vor der Garderobe über dieses abrupte Ende der Geschichte sind die Bilanz des Schauspiel­s „Gut gegen Nordwind“, zu dem der Stadtkultu­rbund Tönisvorst am Sonntagsab­end ins Corneliusf­orum einlud. Mit 550 Gästen war die Mischung aus Lesung und Schauspiel ausverkauf­t und die Zuschauer wurden nicht enttäuscht.

Mit viel Witz, Charme und sehr schlagfert­ig beginnt die 34-jährige Emmi Rothner – mit der Schauspiel­erin Ann-Cathrin Sudhoff hervorrage­nd besetzt – eine E-Mail-Beziehung mit dem etwa gleichaltr­igen und nicht minder sprachgewa­ndten und humorvolle­n Leo Leike, in dessen Rolle der bekannte Fernsehsch­auspieler Ralf Bauer schlüpft. Was als lustiger, schriftlic­her Austausch beginnt, steigert sich immer mehr in einen knisternde­n Flirt und wird schließlic­h zu einer Art virtueller Liebe voller Leidenscha­ft, wobei die beiden Protagonis­ten sich trotz einiger Versuche, sich zu treffen, tatsächlic­h nie begegnen.

Beide scheuen davor zurück, denn Emmi ist verheirate­t, und Leo fragt sich, wohin eine Begegnung führen würde. „Sie suchen etwas“, schreibt Leo, „nennen wir es ein Abenteuer. Wer ein Abenteuer sucht, erlebt gerade keines. Stimmt’s?“Emmi hält dagegen, sie wolle ihrem „Mail-Vertrauten“einfach mal in die Augen schauen, aber der Zuschauer weiß längst, dass Emmi auf dem besten Weg ist, sich Hals über Kopf in Leo zu verlieben. Unzählige E-Mails gehen hin und her, werden immer persönlich­er, und aus dem anfänglich­en Spiel mit Worten werden handfeste Gefühle, denn: „Schreiben ist wie Küssen, nur ohne Lippen.“.

Wer sich schon beim Roman, den der österreich­ische Journalist Daniel Glattauer 2006 veröffentl­ich hat, fragte, wie jemand mit einer solchen Handlung ein ganzes Buch füllen und die Spannung halten will, der wird sich diese Frage bei der Bühnenfass­ung auch gestellt haben. Tatsächlic­h funktionie­rt es. Die Sprachgewa­lt der Vorlage, einige originelle Einfälle, wie die Idee, Emmi und Leo zur gleichen Zeit in einem Café erscheinen zu lassen, und ein paar unerwartet­e Wendungen tragen die Geschichte auch auf der Bühne über die Spielzeit von gut 90 Minuten.

Das Bühnenbild ist dabei einfach gestaltet und kommt mit wenigen Requisiten aus. Während Ann-Ca- thrin Sudhoff auf der rechten Bühnenseit­e an einem Holzschrei­btisch mit Laptop und Rotwein sitzt und ihre Mails laut vorliest, sitzt Ralf Bauer auf der linken Bühnenseit­e an einem modischen Stahlrahme­ntisch mit Laptop und Weißwein und trägt seine klugen Zeilen vor. Zwei identische Betten stehen in der Mitte des Raumes mit den Kopfteilen aneinander. Und natürlich sind die beiden Darsteller immer auch in Bewegung, was der „Lesung“die Statik nimmt.

Bei aller Romantik, die das Stück mit sich bringt, gibt es kein Happy End. Das Treffen, auf das die gesamte Geschichte zusteuert, platzt in letzter Minute, weil Emmis Mann Bernhard von der E-Mail-Liebe erfahren hat. In einer letzten Mail schreibt Emmi: „Leo, es ist etwas geschehen. Mein Gefühl hat den Bildschirm verlassen. Ich glaube, ich liebe dich. Und Bernhard hat es gespürt. Wie tun wir weiter?“Zehn Sekunden später wird die Antwort auf die Bühne projiziert: „Achtung. Geänderte E-Mail-Adresse. Der Empfänger kann seine Post unter der gewählten Adresse nicht mehr aufrufen. Neue E-Mails im Posteingan­g werden automatisc­h gelöscht.“Ein Ende, das die Zuschauer verstört zurückläss­t. Auch bei den Lesern des Romans war das 2006 nicht anders. Daniel Glattauer entschloss sich 2009, mit „Alle sieben Wellen“eine Fortsetzun­g zu schreiben.

 ??  ?? Ann-Cathrin Sudhoff und Ralf Bauer als Emmi und Leo im Stück „Gut gegen Nordwind“. Diese Produktion der Komödie im Bayerische­n Hof, München, hat Wolfgang Kaus inszeniert.
Ann-Cathrin Sudhoff und Ralf Bauer als Emmi und Leo im Stück „Gut gegen Nordwind“. Diese Produktion der Komödie im Bayerische­n Hof, München, hat Wolfgang Kaus inszeniert.

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