Rheinische Post Krefeld Kempen
Medikamente für Flüchtlinge
Roland Schwanke hat für Action Medeor ein Büro im Nordirak aufgebaut. Jetzt berichtet er von Erbil.
VORST Als er abflog, war es im Nordirak 35 Grad war. Im Sommer kann es sehr heiß werden, 50 Grad und plus. Nach sechs Monaten ist Roland Schwanke auf Stippvisite bei seinem Arbeitgeber, bei Action Medeor in Vorst, und berichtet von seiner Arbeit vor Ort. Schon lange hat Bernd Pastors, Vorstandssprecher von Action Medeor, geplant, in Erbil im Nordirak ein Büro einzurichten. Vor allem geht es darum, die Hilfe zu koordinieren und die Wege zu kontrollieren. Als die Flughäfen für internationale Flüge gesperrt waren, blieb nur die Alternative über den Landweg. Aber die Abfertigung an der türkisch-irakischen Grenze dauere „ewig“. Die Schlange der Lkws hat eine Länge wie von Tönisvorst bis nach Köln. Die Wartezeit bis zur Grenze dauert drei bis fünf Tage. Doch jetzt sind internationale Flüge nach Erbil wieder möglich, so dass Luftfracht mitgeschickt werden kann.
Roland Schwanke ist in der internationalen Hilfe ein alter Hase. Er hat bereits in Georgien, Tschetschenien, Angola, Irak, Somalia, Albanien, Kosovo, Vietnam, Azerbaijan, Philippinen, Liberia, Somalia, Indonesien, Tanzania, Jordanien und Indien gearbeitet. Vor Action Medeor war er für Ärzte ohne Grenzen oder im Auftrag der UN unterwegs. Der gelernte Krankenpfleger, Rettungsassistent und Fachkraft für den klinischen Betrieb kannte Erbil bereits. Mit einem Fahrer und einer Assistentin hat er jetzt in der irakisch-kurdischen Stadt – sie ist Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan im Nordirak – ein Büro für die ständige Präsenz vor Ort eingerichtet und knüpft in erster Linie Kontakte zu den medizinischen Diensten. In der Stadt lebt 1,4 Millionen Menschen (durch die Flüchtlinge wahrscheinlich heute noch mehr). Die Zitadelle von Erbil gilt als älteste kontinuierlich bewohnte Siedlung der Welt und wurde von der UNESCO 2014 zum Weltkulturerbe erklärt. Die Stadt Erbil selber ist nicht zerstört, aber wer 20 Kilometer aufs Land fährt, stößt auf die ersten Ruinen. „Da ist alles platt gemacht worden.“
Ging es bislang vor allem um die Versorgung der 40 bis 45.000 Binnenflüchtlinge in den Lagern, so sollen die Flüchtlingslager im Laufe des Jahres aufgelöst werden. Die Menschen sollen nach Mossul zurückkehren, doch die Stadt ist nach den Kämpfen gegen den IS vor allem im Ostteil stark zerstört, der Westteil ist ausgeplündert. Für die Rückkehrer, so Schwanke, gibt es nichts: keine Arbeit, keine Infrastruktur, keine Lebensmittel. „Diese Menschen schwimmen im Nirgendwo“.
Nicht anders sieht die Situation für über 200.000 Flüchtlinge aus, die bei Verwandten und Bekannten in Familien untergekommen sind. Sie sind nicht registriert und werden nicht unterstützt. Diese Flüchtlinge fallen „durch viele Raster“. Roland Schwanke hat jetzt mit dem städtischen Krankenhaus Roz Hallad eine direkte Adresse gefunden, an die Medikamente ausgeliefert werden sollen. Das Krankenhaus sei komplett überrannt, täglich kämen 800 Menschen, viele davon Flüchtlinge, in die Ambulanz, vor allem nachts.
Wenn Schwanke am 29. Mai zurückkehrt, fliegt er nach Bagdad, um sich in der Hauptstadt als Nichtregierungsorganisation (NGO) registrieren zu lassen und ein Dauervisum für den gesamten Irak zu bekommen. Über Emails und SkypeKonferenzen ist Schwanke ständig mit der Zentrale von Action Medeor verbunden und in ständigem Kontakt mit Dirk Angemeer, Bereichsleiter Medikamentenhilfe. Allerdings funktioniere das Internet nicht immer, die frei verlegten Leitungen könnten bei Wind leicht reißen. Bei seinem Heimatbesuch berichtet Schwanke, die Stadt Erbil sei sicher. So gehe er gerne auf dem Markt einkaufen oder halte mit dem Friseur um die Ecke ein Schwätzchen.
Das Büro in Erbil ist durch Mittel des Aktionsbündnisses Deutschland hilft für zwei Jahre finanziert. Doch für die Hilfslieferungen von Medikamenten ist Action Medeor weiterhin auf Spenden angewiesen.