Rheinische Post Krefeld Kempen
KULTURTIPPS
Improvisation über das Erwachsenwerden Herrliche Klaviertrios von Joseph Haydn Auf den Spuren der Griechenland-Krise
Roman Die Amerikanerin Jacqueline Woodson wurde als Autorin von Jugendbüchern bekannt, sie bekam den Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis. Nun hat die 55-Jährige einen Roman für erwachsene Leser veröffentlicht, und „Ein anderes Brooklyn“handelt natürlich von der Jugend. Es geht um August, die heimkehrt nach New York, weil ihr Vater beerdigt wird. In der U-Bahn trifft sie ihre Freundin Sylvia, und diese Begegnung löst Erinnerungen aus: an die Kindheit in Brooklyn, das Aufwachsen mit Vater und Bruder. August überlebte jene Jahre wegen ihrer drei besten Freundinnen – „Noten, die sich aufeinander zubewegten, bis die Band ihren Sound fand“. Um Sound geht es auch in diesem Text, der eine Improvisation über das Heranwachsen ist. „Heute weiß ich, dass nicht der Augenblick tragisch ist. Es ist die Erinnerung.“hols Info Jacqueline Woodson, „Ein anderes Brooklyn“, Piper, 160 S., 20 Euro Klassik Joseph Haydn hat die Musikgeschichte ziemlich unbeschadet überlebt. Das ist eine zugegebenermaßen kuriose Feststellung, aber sie muss einmal ausgesprochen werden. Das liegt daran, dass trotz der scheinbaren Übermacht der anderen Wiener Klassiker wie Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und partiell auch Franz Schubert die Qualitäten von Haydns Kunst nie kleingeredet oder -gehört werden konnten. Die „Schöpfung“ist trotz mancher Banalität ein Wunderwerk, die Streichquartette sind Gipfel an Kommunikationslust, die Sinfonien besitzen Größe und Schwung, die Klaviersonaten haben Pianisten wie Rudolf Serkin, Alfred Brendel oder zuletzt Krystian Zimerman immer wieder als steil ragende Türme nachgebaut, die an Größe Beethoven nur wenig nachstehen.
Vor allem zieht sich eine Konstante durch Haydns Kosmos: der Tiefsinn des Witzes. Haydn schreibt mitunter sehr komisch, sehr lustig, aber diese Eigenschaften treten nicht immer offensiv hervor. Bei Haydn schmunzelt man nicht direkt, sondern erst nach einigem Nachdenken. Zuweilen ist dieser Witz auch subversiv, er hat nichts Grollend-Bärbeißiges wie bei Beethoven, sondern ist einer, den bei- Politthriller Ein bisschen süddeutsche Provinz gemischt mit griechischem Mittelmeerflair und europäischer Bankenwelt – das ist die Kulisse, vor der Wolfgang Schorlau seinen neuen Kriminalroman inszeniert. In „Der große Plan“untersucht der Privatermittler Georg Dengler das Verschwinden einer Mitarbeiterin aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Seine Nachforschungen führen ihn nach Athen und mitten in die Abgründe der europäischen Bankenkrise und die Machenschaften der internationalen Finanzwelt. Was ist bei der Griechenland-Rettung wirklich geschehen? Und wer hat eigentlich die Milliarden europäischer Steuergelder kassiert? Wolfgang Schorlaus neuer Krimi ist hochpolitisch und auf der Suche nach der Wahrheit hinter der Griechenland-Krise. Auch wenn die Fakten oft im Fokus stehen, kommt das Krimi-Vergnügen hier nicht zu kurz. Dieser Politthriller ist lehrreich, ohne dabei anstrengend zu werden. cg Wolfgang Schorlau:
Kiepenheuer und Witsch, 448 Seiten, 14,99 Euro spielsweise die Briten mögen: sophisticated.
Auch in den Klaviertrios gibt es solche Momente, aber man sollte sich hüten, in jedem Triller oder jeder kuriosen Wendung eine Attacke aufs Zwerchfell zu sehen. Bei Haydn herrscht oft die Kunst des Parlando, des geistreichen Miteinanders. Jetzt gibt es eine wunderbare Neuaufnahme (bei Harmonia Mundi) von fünf Werken dieser Besetzung (Klavier, Violine, Violoncello), bei denen der Grad der spirituellen Durchdringung und vielstimmigen Konversation überaus hoch ist. Die Künstler des famosen Trio Wanderer (Jean-Marc Phillips-Varjabédian, Violine: Raphaël Picoux, Violoncello, Vincent Coq, Klavier) spielen einander die Bälle zu, sie führen und begleiten, sie schäkern und bluffen, leisten Überzeugungsarbeit und delegieren Themen an andere. Kurzum: Diese CD ist nichts anderes als ein interdisziplinärer Festakt für drei intelligente Leute.
Wolfram Goertz