Rheinische Post Krefeld Kempen
Basislager auf dem Weg zur hohen Kunst
Der Amerikaner Haim Steinbach stellt Zelte ins Kurhaus Kleve.
KLEVE Die Iglu- und Tunnelzelte mit ihren bunten und leichten wie widerstandsfähigen Stoffen erscheinen wie ein Basislager auf dem Weg zur hohen Kunst. Sie sind in dem zwei Etagen hohen Saal des Museums Kurhaus Kleve auf einer mit Schal-Brettern eingezogenen Zwischenetage aufgeschlagen und erinnern von oben betrachtet auch an die Occupy-Zelte vor den Banken in New York oder Frankfurt, die mit ihrem Protest gegen den „Raubtierkapitalismus“die Straße besetzten.
Der Amerikaner Haim Steinbach, der die Zelte im Kurhaus installiert hat, lässt beide Interpretationen zu: Auf der einen Seite eben jenes nomadische Vorbeiziehen und flüchtige Halten, auf der anderen Seite die Besetzung aus Protest. Man dürfe seine Werke durchaus politisch interpretieren, sagte er in Kleve. Im Kurhaus hat man beide Perspektiven: Die der Banker, die von oben herab auf die Zelte zu ihren Füßen gucken, als auch die Perspektive der Besetzer: Unterhalb der in knapp zwei Meter Höhe eingebauten Ebene führt ein verschlungener Weg durch die eng gesetzten Stützen des Gerüstes, das die Zeltstadt trägt, und Einschnitte in den Brettern lassen den Blick hinauf in und durch die Zelte zu.
Steinbach, 1944 im israelischen Rehovot geboren, kam als Jugendlicher in die USA und wurde Mitte der 1980er Jahre international mit seinen in Regalen platzierten Alltagsgegenständen bekannt, schuf große Installationen und Schriftarbeiten, war auf der documenta. Das Museum Kurhaus Kleve widmet dem israelisch-amerikanischen Künstler nach 18 Jahren die erste große Einzelausstellung in Deutschland.„Haim Steinbach. Every Single Day“titelt die Ausstellung, die der Künstler im ganzen Haus installiert hat. Sie zeigt große Installationen aus den 1990er Jahren ebenso, wie eine neue Einrichtung für das Klever Kurhaus. Die stört gewohn- ten Wege: Lange Ständerwerke stehen quer durch die Säle, verbauen den gewohnten Durchgang, man muss Umwege laufen, guckt vor Bilder an, wo sonst Türen waren. Von diesen Ständerwerken – einfache industrielle Aluminiumkonstruktionen aus dem Trockenbau – leuchten monochrome, auf Rigips-Platten gemalte Bilder weit in die Sichtachsen des Hauses. „Blue Velvet“ist eine stahlblaue Fläche – doch um sie sehen zu können, muss man hinter die Konstruktion schauen. Sie trägt, wie die anderen monochromen Bilder, einen Filmtitel.
Aus gefundenen Textfetzen wirft Steinbach Schriftbilder auf die Wand: Da steht eine wunderbare Rilke-Zeile über hellgrauem Rechteck oder verkündet eine riesiges, wandfüllendes„No Elephants“vom Ende der Dickhäuter. Oder auch nicht: Denn wie sagt Steinbach: seine Werke dürfen auch politisch interpretiert werden, man möge an die Republikaner denken – und deren Wappentier sei der Elefant. Aber Elefanten, die Trump wählen, seien eben unerwünscht.