Rheinische Post Krefeld Kempen
Martina Boscher feiert Weltmeistertitel im Feldbogenschießen
Die Kempenerin war in Cortina d’Ampezzo erfolgreich.Die Sportart ist recht unbekannt, die Leistung umso beeindruckender.
Weltmeistertitel sind etwas Besonderes. Doch viele Sportler feiern sie in Sportarten, die in der Öffentlichkeit keine große Beachtung finden. Manche werden von der breiten Öffentlichkeit zu unrecht nicht einmal als Sport anerkannt. Eine dieser Spitzenathletinnen die noch dazu vom Niederrhein kommt - sie wuchs in St. Hubert auf - ist Martina Boscher. Ihre Sportart ist das Feldbogenschießen. Dieses ist nicht olympisch und damit dem breiten Publikum nicht bekannt.„Die Menschen kennen meist das olympische Bogenschießen. Wir sind aber im Feld unterwegs. Unsere Scheiben stehen in Wäldern, auf Abhängen und so weiter. Der Untergrund ist uneben, die Abstände schwer einzuschätzen“, beschreibt die 54-Jäh- rige ihren Sport.
Und eben die letzte Komponente, die schwere Abschätzbarkeit der Abstände von der Scheibe, sorgte bei der WM in Cortina d’Ampezzo für viel Aufregung. Da nämlich die Schützen ob des wechselnden Hintergrundes kaum ersehen können, wie weit die Scheibe entfernt ist, wird die Entfernung durch Schildchen angezeigt. Diese waren aber in einem Durchgang im Finale falsch.
„Wir lagen zunächst in Führung“, beschreibt Boscher die emotionale Berg- und Talfahrt. „Italien war der Favorit, ging als bestgesetztes Team ins Rennen und hatte den Heimvorteil. Aber wir standen sehr gut da. Und plötzlich hatten wir alle, ob ich am Blank-, Lisa Unruh am Recurveoder Carolin Landesfeind am Compound-Bogen eine Tendenz nach oben. Das war komisch. Bei den Italienerinnen war es auch so, aber nicht so deutlich“, beschreibt sie die Situation. Des Rätsels Lösung? Die Entfernung war um fünf Meter zu weit angegeben. Damit waren die Visiere falsch eingestellt.
„Jetzt könnte man sagen: War doch für alle gleich. Aber das stimmt nicht, denn unterschiedliche Pfeile nehmen das anders an. Außerdem hätte jemand, der zu tief hält ja einen Vorteil“, erklärt Boscher das Problem. An der letzten Scheibe war das Deutsche Team wieder besser, doch es reichte nur zu Silber. Währen die Italienerinnen jubelten legte die Mannschaftsleitung Protest ein. Dem wurde stattgegeben und Deutschland hatte den Titel.
„Das war irgendwie bizarr. Die Zuschauer wurden nicht informiert. Plötzlich standen wir ganz oben. Die Italienerinnen waren ziemlich bedröppelt, richtige Freude kam da nicht auf“, ärgert sich die sympathische Schützin ein wenig. Doch nach ein paar Tagen ist die Erkenntnis über das Erreichte doch gesackt. „Ich bin Weltmeisterin! Wie oft passiert das im Leben?“, fragt sie Rhetorisch. Dazu trugen auch ihre Vereinskameraden bei den Bogenschützen Münster, für die sie startet, ihren Teil bei. „Als ich ankam haben sie sich vor mir verbeugt. Das war schön“, erzählt sie lachend.
Im Einzel legte sie noch einen fünften Rang drauf. Der ist aber kaum weniger wertig für sie. Zumal es sehr eng war. Erst im Stechen schied sie aus. Nächste Ziele sind nun die Europameisterschaft in Makice, Slowenien, und die World Games. Für beides muss sie sich noch qualifizieren. Den Titel aber nimmt ihr niemand mehr.