Rheinische Post Krefeld Kempen
Klavier extra: Kraftvoller Auftakt mit Olli Mustonen
KEMPEN Robert Schumann schrieb seinerzeit die „Kinderszenen“und ein „Album für die Jugend“. Hierdurch angeregt, komponierte Tschaikowsky das „Album für Kinder“, einen reizvollen Zyklus kurzer Klavierstücke mit prägnanten Namen. Mit ihnen begann die neue Saison der Reihe „Klavier extra“. Zu Gast war der finnische Pianist Olli Mustonen. In Kempen ist er kein Unbekannter, 1990 und 2005 stellte er hier bereits seine Meisterschaft unter Beweis. Schon in Tschaikowskys Album, erst recht in den fol- genden Kompositionen von Chopin und Prokofjew, zeigten sich die besonderen Fähigkeiten des Künstlers. Auffallend ist die immense Kraft seiner Hände und seiner Finger, die ihm einen markanten Anschlag auch in schnellen Passagen ermöglicht. Dazu hat er keinerlei Probleme mit schnellen Stimmungswechseln in der Musik. Die 24 kleinen Charakterstücke Tschaikowskys wechseln zwischen feierlich („Morgengebet“, „In der Kirche“), wild („Pferdchenspiel“), traurig („Die kranke Puppe“) und munter („Walzer“). Sensibel klang der Trauermarsch bei „Der Puppe Begräbnis“, folkloris- tisch das „Neapolitanische Tanzlied“. Die auch für Chopin typische Mischung von Virtuosität und Melancholie kennzeichnete auch die Interpretation der beiden dreisätzigen Mazurkas op. 59 und op 56. Mustonen orientierte sich bei Chopins Musik nicht am Ideal einer geglätteten, gefälligen Musik für den großbürgerlichen Salon. Er hob die Härten und scharfe Konturen der Kompositionen hervor.
Da das Konzert Teil der Muziek Biennale Niederrhein war, orientierte sich das Programm entsprechend am Leitmotiv„Verboten“. Das konnte schon für Tschaikowskys Homo- sexualität gelten, zu der er sich im zaristischen Russland nicht bekennen durfte. Es galt auch für Sergej Prokofjew, der in der Stalin-Zeit als Komponist mal gefeiert wurde, mal als prowestlich, dekadent, volksfremd und formalistisch nicht mehr aufgeführt werden durfte.
Prokofjews Sonaten Nr. 9 und Nr. 7 sind nicht leicht zu hören und erst recht nicht leicht zu spielen. Aus ihnen lässt sich eine tiefe Entfremdung hören. Man könnte meinen, sie seien in der Zeit der stalinistischen Repression geschrieben worden. Das stimmt aber nicht, sie waren schon entstanden, bevor Stalins Propagandachef Andrej Schdanow den Boykott des Komponisten einleitete. Ob Prokofjew ahnte, was auf ihn zukam? Von ihm stammen immerhin auch recht fröhliche Kompositionen.
Mustonens Wiedergabe der beiden Sonaten verdient höchste Anerkennung. Das war auch die Meinung der zahlreichen Zuhörer. Sie durften nach begeistertem Beifall in zwei Zugaben Prokofjew noch von einer anderen Seite erleben. Zunächst von einer spielerischen und abschließend von einer kräftigen – mit dem wuchtig gespielten Marsch aus der„Liebe zu den drei Orangen“.