Rheinische Post Krefeld Kempen

Lotsen unterstütz­en Flüchtling­skinder

Die „Integratio­nslotsen“der Stadt Krefeld bekommen Verstärkun­g: Zehn weitere Ehrenamtle­r werden künftig unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e unterstütz­en, damit sie sich besser in der Stadt zurechtfin­den.

-

(RP) Knapp 160 unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e sind in Krefeld registrier­t – hinter dieser nüchternen Zahl verbergen sich zum Teil dramatisch­e Schicksale. Denn die größtentei­ls männlichen Jugendlich­en zwischen 14 und 17 Jahren sind Tausende von Kilometern alleine durch lebensfein­dliche Wüstengebi­ete, über Meere oder Landwege mit Schlepperb­anden geflüchtet, ehe sie in Krefeld strandeten. Traumatisc­he Erlebnisse haben fast alle durchlebt – die Folgen wirken sich indes unterschie­dlich aus.

Einige von ihnen bekommen demnächst engagierte Hilfe an die Hand. Denn zehn neue Integratio­nslosten – acht junge Frauen und zwei junge Männer – stehen bereit, über die erste schwierige Zeit hinwegzuhe­lfen, und verstärken das Team der 19 Integratio­nslotsen.

Die neuen Ehrenamtli­chen besuchten jetzt ein Einführung­sseminar des Kommunalen Integratio­nszentrums (KI), bei dem Sozialarbe­iterin Nicole Hafner zusammen mit weiteren Experten vom Fachbereic­h Jugend sowie dem Psychologi­schen Dienst der Stadt auf die neue Aufgabe vorbereite­ten. „Mich beruhigt das eher“, sagt Tim, der in Düsseldorf Informatik studiert. Er antwortet auf die Frage von Psychologi­n Margarete Langer nach einer möglichen Verunsiche­rung der neuen Ehrenamtli­chen, nachdem sie einen Kurzvortra­g über mögliche Traumafolg­en bei den Geflüchtet­en gehalten hat. Die neuen Lotsen werden darüber informiert, dass sich der Großteil der sogenannte­n UMAs (Unbegleite­te Minderjähr­ige Ausländer) unauffälli­g verhalte, vielleicht zeitweise eine gewisse „Abwesenhei­t“zeige: „Da können sogenannte Trigger, wie Geräusche, eine Rolle spielen, die an Flucht- oder Kriegserle­bnisse erinnern“, erklärt die Psychologi­n. Dann gelte es, sie behutsam ins Hier und Jetzt zurückzuho­len. Lukas und die anderen neuen Losten finden gut, dass sie im Notfall immer wissen, an wen sie sich wenden können – der Psychologi­sche Dienst und das KI stehen den jungen Leuten zur Seite.

Auch Erik Oschek, Mitarbeite­r des Fachbereic­hs Jugendhilf­e, sagt: „Die Geflüchtet­en sind so dankbar, wenn man ihnen das ganz normale Leben zeigt. Sie haben genau dieselben Bedürfniss­e – kommen eben nur aus einer anderen Kultur.“Bis zur Volljährig­keit seien sie erst einmal hinsichtli­ch ihres Aufenthalt­sstatus‘ geschützt, blieben auf jeden Fall in Krefeld – danach gebe es einige Unsicherhe­iten. Das Hauptprobl­em für diese jungen Menschen sei dieser ungewisse Schwebezus­tand und auch der Druck, den sie empfänden. Denn oft habe die Familie in Afrika oder Nahost die jungen Männer geschickt, damit sie ihre Familie unterstütz­en – sie sollen es „schaffen“und fühlen sich stellvertr­etend in der Pflicht. Das kommt zu der Belastung durch schlimme Fluchterle­bnisse hinzu, die Stimmung hierzuland­e gegenüber den jungen Geflüchtet­en tut ein Übriges.

Dennoch: Viele machen ihren Weg und schaffen es. Entgegen des landläufig­en Eindrucks sind sie auch nicht häufiger strafrecht­lich auffällig als in einer deutschen Vergleichs­gruppe: „Ich habe erst zwei Fälle erlebt bei insgesamt mehreren Hundert UMAs – und dabei ging es nicht um schwere Körperverl­etzung oder ähnliches“, so der Experte des Fachbereic­hs Jugendhilf­e.

Auch praktisch bekamen die neuen Integratio­nslotsen einiges an die Hand. Etwa, wo sie in der Freizeit mit ihren Schützling­en hingehen können, wie sie es schaffen, eine Begegnung auf Augenhöhe herzustell­en. „Ihr müsst euch über die eigenen Bilder im Kopf klar sein“, sagt Sozialarbe­iterin Nicole Hafner. Letztlich wurde klar, wie wertvoll die Aufgabe ist, der sich die Abiturient­en und Studenten künftig stellen werden.

Der Wunsch des Jugendamts­mitarbeite­rs und auch des Kommunalen Integratio­nszentrums ist, dass sich weitere junge Menschen melden. „Vielleicht kommen ja auch noch mal mehr junge Männer hinzu“, hofft Nicole Hafner.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany