Rheinische Post Krefeld Kempen
Das Leben im Peter-Billecke-Haus
Im Jahr 1998 eröffnete das Behindertenwohnheim Peter-Billecke-Haus. Nun feierte es 20-jähriges Bestehen. Drei Angestellte und viele Bewohner sind vom ersten Tag an dabei. Die zentrale Lage bietet viele Vorteile.
SÜDBEZIRK Zentral gelegen, unmittelbar hinter dem Bahnhof, nur wenige Meter von der Fabrik Heeder entfernt, liegt das Peter-Billecke-Haus an der Virchowstraße. Es ist ein Behindertenwohnheim, in dem 16 Menschen, die oft schwer mehrfach behindert sind, leben. „Wer zu uns kommt, der wohnt hier faktisch bis zum Tod. Bewohner verlassen uns ansonsten nur, wenn sie medizinische Intensivpflege benötigen. Da fehlen uns die Geräte,“sagt Andrea Brüggershenke, die Bereichsleitung für den stationären Bereich dieses Hauses und der Ulrich-Lange-Stiftung in Traar. Das führt dazu, dass viele der Bewohner seit dem ersten Tag dabei sind. 1998 wurde das Haus eröffnet und feierte jetzt sein 20-jähriges Bestehen.
„Unsere Bewohner fühlen sich hier sehr wohl. Jeder hat sein eigenes Zimmer, einen eigenen Fernseher und so weiter. Wir sehen sie oft lachen, Spaß haben, aber natürlich auch weinen. Sie leben hier ganz normal und haben einen festen Tagesablauf“, sagt Brüggershenke. Dazu gehören auch Beziehungen untereinander, was hier und da auch zu Spannungen führen könne. Außerdem geht jeder täglich arbeiten. Alle sind von morgens acht Uhr an im heilpädagogischen Zentrum. Das sind zwar nur einige hundert Meter, dennoch fährt morgens ein Bus. Die Bewohner gehen gern arbeiten und lieben die Fahrt mit dem Bus.
Zurück kommen viele zu Fuß oder mit dem Rollstuhl. Die Abendgestaltung ist dann frei. „Natürlich gibt es Gruppenangebote, aber jeder kann auch selbst tun, was er möchte“, berichtet die studierte Sozialpädagogin. Sie ist bereits seit 18 Jahren im Peter-Billecke-Haus angestellt und arbeitet seit 15 Jahren in leitender Funktion. Der Namensgeber war auch der Gründer der Einrichtung im Südbezirk. Eigentlich wollte er eine Unterkunft für seinen schwer behinderten Sohn organisieren. Der aber zog nie ein, sondern lebt heute in der Ulrich-Lange-Stiftung in Traar. Peter Billecke verstarb kurz vor Fertigstellung der Einrichtung. Diese wurde daraufhin nach ihm benannt.
Brüggershenke ist ihm dankbar für seinen Einsatz. Und sie liebt ihren Beruf.„Klar, das Drumherum, die Verwaltung, kann manchmal nerven. Aber ich habe unglaublich gern den Umgang mit den Menschen. Das gibt mir extrem viel“, erzählt sie. Sie kommt schnell ins Erzählen. „Wir haben zum Beispiel eine Silvesterfeier gehabt. Da war eine Bewohnerin, die schwer körperlich und geistig behindert ist, richtig gut drauf. Zu einem Lied hat sie in ihrem Rollstuhl so heftig ge- tanzt, dass ich Angst hatte, der ganze Stuhl fällt auseinander“, erzählt sie lachend.
Überhaupt wären ihre Schützlinge sehr lebensfroh. Einige gingen auch regelmäßig in die nahe gelegene Kulturfabrik. Natürlich in Begleitung. 27 Angestellte kümmern sich um die 16 Pflegebedürftigen. Es sei ein schöner, aber auch fordernder Beruf. „Wir haben hier 24 Stunden jemanden da. Das bedeutet Schichtarbeit. Das ist dann manchem Angestellten auch zu viel, wenn er älter wird. Und junge Frauen wechseln dann manchmal, wenn sie Kinder bekommen und so weiter. Die Arbeit mit den Menschen hat aber bisher noch jeder geliebt“, schwärmt die Bereichsleiterin für den sozialen Teil ihres Berufes. Drei Angestellte seien vom ersten Tag an bis heute dabei, andere nur durch die Rente gegangen.
Wenn ihre Schützlinge in die Stadt oder zu einer Veranstaltung gehen möchten, ist das für die Angestellten naturgemäß oft herausfordernd. Die Ausflüge mögen aber nicht nur die Bewohner, sondern auch die Pflegekräfte. Früher sei es regelmäßig in die Kulturfabrik gegangen. „Damals waren wir alle noch jünger. Heute bevorzugen einige eher ruhigere Abendgestaltung. Es ist eben das ganz normale Leben. Auch behinderte Menschen werden schließlich älter und damit auch ruhiger“, erläutert Andrea Brüggershenke. Dann wird sie regelrecht philosophisch. „Ich sehe hier Menschen, die eigentlich jeden Tag ihres Lebens genießen und glücklich sind. Sie haben trotz aller Einschränkungen eine enorme Lebensfreude. Sie sind immer auf Hilfe angewiesen, aber das belastet sie nicht. Andere Menschen haben Gesundheit, Wohlstand und Freiheit und sind trotzdem unzufrieden. Ich rede jetzt nicht von Depressionen, sondern von einfacher Unzufriedenheit. Das verstehe ich nicht“, sagt sie. Sie selbst ist zufrieden und ausgefüllt. Denn auch wenn der Job durchaus Probleme mit sich bringt, was beispielsweise den politischen Rahmen angeht, sagt sie klar: „Ich habe die Entscheidung für diesen Beruf noch nicht eine Sekunde bereut!“