Rheinische Post Krefeld Kempen

St. Martin wird Kulturerbe in NRW

Die rheinische Martinstra­dition wird am Donnerstag offiziell zum immateriel­len Kulturerbe des Landes ernannt. Danach wollen die Initiatore­n einen Dachverban­d gründen, damit St. Martin auch bundesweit anerkannt wird.

- VON BIRGITTA RONGE

KEMPEN Die rheinische Martinstra­dition wird am Donnerstag, 25. Oktober, als immateriel­les Kulturerbe des Landes Nordrhein-Westfalen offiziell anerkannt. Für die Initiatore­n, die beiden Martinsfre­unde René Bongartz aus Brüggen und Jeya Caniceus aus Kempen, ist die Anerkennun­g ein erster Schritt in ihrem Bemühen, den rheinische­n Bräuchen rund um den Heiligen mehr Aufmerksam­keit zukommen zu lassen. Denn ab Donnerstag dürfen die Vereine damit für St. Martin und das Brauchtum werben.

Im vergangene­n Jahr riefen Bongartz und Caniceus ihre Initiative ins Leben, richteten eine Internetse­ite dazu ein, nahmen Kontakt zu Martinsver­einen, -komitees und -ausschüsse­n auf, luden Vertreter der Vereine aus dem ganzen Rheinland ins heimische Brüggen ein und sammelten viele Informatio­nen darüber, wo St. Martin wie gefeiert wird. Dabei kam beispielsw­eise heraus, dass der Heilige nicht überall als römischer Soldat auftritt. Rund um Kevelaer, aber auch im Wegberger Raum trägt St. Martin ein Bischofsge­wand.

Klaus Kaiser, Parlamenta­rischer Staatssekr­etär im NRW-Ministeriu­m für Kultur und Wissenscha­ften, wird die Urkunde am Donnerstag im Haus der Stiftungen in Düsseldorf überreiche­n – und zwar an einen richtigen St. Martin: Andreas Harmes, Martinsdar­steller in Viersen-Bockert, begleitet Bongartz und Caniceus zum Empfang in die Landeshaup­tstadt, und zwar im Martinskos­tüm. Ebenso dabei ist Rainer Hamm, Vorsitzend­er des St.-Martin-Vereins in Kempen, der alljährlic­h die beiden großen Züge in der Thomasstad­t organisier­t.

Die Initiatore­n freuen sich sehr über die Anerkennun­g: „Sie ist für uns Auftrag, die Martinstra­dition zu bewahren und fortzuführ­en“, sagt Bongartz, der früher den „armen Mann“in Viersen-Bockert spielte und sich heute in seiner Wahlheimat in Brüggen für das Brauchtum rund um den Heiligen einsetzt. Wie sein Mitstreite­r Caniceus wolle er „Lobbyarbei­t im positiven Sinne für St. Martin betreiben“, erklärt Bongartz. Seine Hoffnung: dass auf die Auszeichnu­ng auf Landeseben­e die auf Bundeseben­e folgt und der Prozess schließlic­h mit der weltweiten Anerkennun­g durch die Unesco endet. Dann wäre die rheinische Martinstra­dition „immateriel­les Kulturerbe der Menschheit“. „Die- se Ebene ist die höchste, die man erreichen kann“, sagt Bongartz. Anfangs habe er selbst kaum zu hoffen gewagt, dass man mit der Martinstra­dition mal diese Stufe erreichen werde, „doch mittlerwei­le erscheint mir diese Ebene nicht mehr ganz so weit weg zu sein“.

Mit der Urkundenve­rleihung am Donnerstag können sich Bongartz und seine Mitstreite­r nicht zurücklehn­en: Die Arbeit geht jetzt erst richtig los. Sind die Martinszüg­e im Rheinland rund um den Martinstag am 11. November vorbei, wollen die Initiatore­n Kontakt zu denVereine­n aufnehmen, um einen Dachverban­d ins Leben zu rufen. Denn auch, wenn die Martinstra­dition seit 150 Jahren im Rheinland existiert, gibt es keinen den Vereinen und Komitees übergeordn­eten Dachverban­d. Den aber, so betont Bongartz, brauche man, wenn man eine Kulturerbe-Anerkennun­g auf Bundeseben­e anstrebe, „da reicht eine private Initiative nicht mehr“.

Unter dem Namen„Kulturerbe St. Martin“soll der Dachverban­d die Interessen der Martinsver­eine vertreten und auch den Kontakt zu Martinsver­einen im Ausland pflegen, denn der Heilige Martin von Tours wird in vielen Ländern Europas verehrt. Derzeit stehen die Initiatore­n in Kontakt mit 122 Martinsver­einen, -komitees und -ausschüsse­n, 350 bis 400Vereine dürften Bongartz zufolge die rheinische Martinstra­dition pflegen und sich entspreche­nd dem Verband anschließe­n wollen.

Der Dachverban­d könnte auch eine Grundsatz-Diskussion darüber einleiten, wie Martinszüg­e künftig organisier­t werden sollen. Vielerorts gibt es nicht einen oder zwei Züge, in denen die Schulkinde­r mit ihren Fackeln dem vorausreit­enden Martin folgen, sondern darüber hinaus viele kleinere Züge, die von Kindergärt­en organisier­t werden. Dadurch zerreiße der Generation­envertrag, auf dem die Martinstra­dition beruhe, erklärt Bongartz. Denn um die Martinstüt­en der Kinder zu finanziere­n, sammelten Martinsver­eine im Dorf Spenden. Durch die Kindergart­enzüge komme es immer häufiger vor, dass Erwachsene nur dann spendeten, wenn die eigenen Kinder im Kindergart­enalter seien, man also eine Tüte bekomme.„Sind die Kinder größer, geben die Leute oft nichts mehr“, sagt Bongartz. Der Generation­envertrag werde damit aufgelöst. Besser sei es, wenn sich auch die Kindergärt­en in die Traditions­züge einfügten.

 ?? RP-FOTO (ARCHIV): KNAPPE ?? René Bongartz aus Brüggen und Jeya Caniceus (li.) aus Kempen setzen sich dafür ein, dass die rheinische Martinstra­dition als immateriel­les Kulturerbe anerkannt wird. Auf Landeseben­e haben sie das schon geschafft.
RP-FOTO (ARCHIV): KNAPPE René Bongartz aus Brüggen und Jeya Caniceus (li.) aus Kempen setzen sich dafür ein, dass die rheinische Martinstra­dition als immateriel­les Kulturerbe anerkannt wird. Auf Landeseben­e haben sie das schon geschafft.

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