Rheinische Post Krefeld Kempen
Trockenheit: Pilzrundgang fast ohne Pilze
Bei der Pilzsuche gilt es nicht nur, giftige Arten zu erkennen, sondern auch auf Frische zu achten. Die meisten Pilzvergiftungen in Deutschland seien „unechte Vergiftungen“durch verdorbene Pilze. Das sagte Biologin Regina Thebud-Lassak bei einer Exkursion
Normalerweise stolpert ein Spaziergänger im Wald im Herbst über Pilze, wo immer er hin schaut. Die Vielfalt ist groß und nicht alles, was ein Pilz ist, wird auch als solcher erkannt. Tatsächlich sind Pilze nach den Tieren und vor den Pflanzen die zweitgrößte Organismengruppe in Deutschland. Doch wer sich derzeit als Pilzsammler betätigen möchte, der muss einen langen Atem und viel Glück haben. „Die lange Trockenheit sorgt dafür, dass die Pilzkörper nicht ausgebildet werden. Manche Pilze beginnen damit, brechen dann aber aufgrund mangelnder Feuchtigkeit dasWachstum ab“, sagte Dr. Regina Thebud-Lassak. Die promovierte Biologin, die sich auf Mykologie, also Pilzkunde, spezialisierte, bot auf Bitten der VHS einen Pilzrundgang durch den Forstwald an.
20 Teilnehmer waren gekommen und wollten sich von der Expertin erstes Wissen darüber vermitteln lassen, wie sie Speise- von Giftpilzen unterscheiden könnten. Dabei konzentriere sie sich aber nicht nur auf diese Arten. Sie führte einen Streifzug durch ihr Fachgebiet an und betonte die Bedeutung von Pilzen für das Ökosystem. Anschauungsmaterial gab es freilich weniger als gewünscht.„Als wir zum ersten Mal einen Rundgang absolvierten, war es länger feucht gewesen. Damals fanden wir gut 50 Arten“, erzählte die Biologin. Diesmal bedurfte es großer Aufmerksamkeit.
Nach einer Einführung mit viel Wissenswertem über diese Lebewesen, die weder den Tieren, noch den Pflanzen zugezählt werden, sondern taxonomisch ein eigenes Reich bilden, entließ sie die Teilnehmer für eine halbe Stunde in den Wald. Die Aufgabe war, alle Pilze zu sammeln, die sie finden könnten. Das Ergebnis wurde auf einer Plane ausgebreitet. Mit 15 Arten, darunter zwei essbare, fiel es äußerst dürftig aus. Und auch die Menge blieb weit hinter den Hoffnungen zurück.„Das ist schon eine sehr geringe Biomasse. Aber das war ob der Bedingungen zu erwarten“, sagte die Expertin.
Doch obschon die Ausbeute dürftig war, die Teilnehmer an der Exkursion lernten viel. So wusste Thebud-Lassak zu berichten, dass das, was üblicherweise als Pilz bezeichnet wird, nur ein Teil des Lebewesens ist. „Der Pilzkörper ist eigentlich nicht viel anderes, als die Frucht. Wenn wir diese als ‚Pilz’ bezeichnen ist das etwa so, als würden wir eine Kirsche mit dem Kirschbaum gleichsetzen“, sagte sie. Tat- sächlich bestehe der eigentliche Pilz, also praktisch der Baum, aus dem im Substrat, also dem Nährboden, verborgenen Myzel. Das sind feine Fäden, die Holz oder andere organische Materialien durchziehen. Übrigens: Das weltweit größte bekannte Lebewesen ist ein Pilz. Biologen fanden im Bundesstaat Oregon in den USA einen Pilz, der sich über eine Fläche von rund 900 Hektar erstreckt. Dass es sich um ein einzelnes Individuum handelt, bewiesen genetische Tests.
„Bei diesem Pilz handelt es sich um einen Hallimasch“, sagte die Biologin. Solche fanden die Exkursionsteilnehmer auch im Forstwald. Allerdings ist deren Myzel wohl kleiner als das in Oregon. Da die Pilzkörper eben nur die Früchte sind, sei es wichtig, diese vorsichtig zu ernten. „Wenn Pilzsucher unterwegs sind, sollten sie bemüht sein, den Fruchtkörper so zu ernten, dass sie das Myzel so wenig wie möglich verletzen. Dieses kann sonst Schaden nehmen oder eingehen. Wenn Sammler zum Beispiel einen schönen Steinpilz finden und ihn vorsichtig ernten, dann wächst dort bald ein neuer Fruchtkörper. Reißen er ihn mitsamt Myzel aus der Erde, dann kommt nichts mehr. Das ist, als rissen Gärtner beim Kirschen pflücken den ganzen Ast ab“, schärfte sie den Teilnehmern ein.
Wichtig sei auch, darauf zu achten, ob die Pilze frisch sind. All zu oft würden Sammler Pilze mitnehmen und essen, die zu alt sind. „Der größte Teil der Pilzvergiftungen in Deutschland sind so genannte ‚unechte Pilzvergiftungen’. Sie entstehen dadurch, dass Menschen eigentlich essbare, aber bereits verdorbene Speisepilze zu sich nehmen. Das ist das ‚Jäger und Sammler-Gen’ in uns. Wenn wir et- was finden, wollen wir es auch nutzen“, sagte sie. Ihre Tipps: „Schauen sie die Pilze genau an.Würden sie sie im Supermarkt kaufen? Sind die Lamellen noch gerade, oder schon zusammengezogen, sind die Ränder noch frisch und knackig, oder schon verschrumpelt?“
Wer das befolge, der könne mit etwas Fachwissen eine leckere Mahlzeit aus demWald holen. Die Exkursionsteilnehmer jedenfalls waren trotz der geringen Ausbeute zufrieden. Raid Kweiri sagte „Ich war vor einigen Jahren schon einmal mit jemandem unterwegs. Jetzt wollte ich mehr wissen. Meine Frau hat mir die Teilnahme zum Geburtstag geschenkt, und es ist interessant.“Ebenfalls durch seine Frau wurde Stefan Tilmans animiert. „Sonst gehe ich mit ihr, und sie kennt sich gut aus. Jetzt will ich aber auch selbst etwas wissen und in der Lage sein, mitzuhalten“, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Luba Hakenberg, die in Russland aufwuchs, sammelte dort oft Pilze und möchte dies nun auch in Deutschland tun. „Mir ging es vor allem darum, ob hier ähnliche Arten zu finden sind. Bei Pilzen sollten man ja vorsichtig sein, und ich möchte gern auch hier, wie früher in Russland, auf Pilzsuche gehen“, erzählte sie. Wissen über Pilze nahmen die Teilnehmer reichlich mit nach Hause. Die Ausbeute der essbaren Pilze war dürftig. Nur eine Hand voll der gefunden Hallimasche war frisch genug, sie zu verzehren. Immerhin machte die Expertin Pilzliebhabern Mut: „Wenn es nun ein paar Tage regnen sollte und die Substrate ordentlich durchfeuchtet werden, sollten die Pilze noch einmal kräftig wachsen.“Bis zum ersten Frost können Pilzliebhaber also hoffen.