Rheinische Post Krefeld Kempen

Gesamtschü­ler putzen Stolperste­ine

Am gestrigen Freitag, am 80. Jahrestag des Novemberpo­groms, reinigte die Klasse 9 f der Kempener Gesamtschu­le die bisher verlegten 29 Stolperste­ine. Die Jugendlich­en waren mit Feuereifer dabei.

- VON HANS KÖNIG von ihnen ist mit dem Leben davongekom­men. Dann bitten sie einen Hausbewohn­er,Walter Schmitz, um frisches Wasser. Der gibt es gerne: „Gut, dass ihr das macht. Ich fühle mich immer wieder berührt beim Anblick der Steine“, sagt Schmitz.

KEMPEN „Das ist ja richtig anstrengen­d“, sagt Uwe Hötter. Der Leiter der Kempener Gesamtschu­le steht an der Ecke Möhlenwall/Ellenstraß­e und sieht zu, wie zwei Mädchen auf dem Pflaster knien und mit Schwämmen einen „Stolperste­in“abschrubbe­n. Um sie herum steht ihre Klasse, die 9 f, und prägt sich die verschiede­nen Arbeitsgän­ge ein. Es ist der erste von 29 Stolperste­inen, den die Schüler an diesem Vormittag in der Kempener Altstadt wieder zum Glänzen bringen.

Die Steine, die seit 2015 in der Altstadt verlegt wurden, sind ein wenig unansehnli­ch geworden. Bei den Kempenern finden sie mittlerwei­le große Resonanz, und bei den Verlegunge­n waren Nachfahren der Opfer aus drei Erdteilen dabei. Die Stolperste­ine bestehen aus einer Messingpla­tte, die fest mit einem Betonsocke­l verbunden ist. Die Gesamtschü­ler beseitigen den groben Schmutz mit einem Schwamm, reiben ein Metallputz­mittel ein, lassen das einwirken und spülen mit Wasser nach. Nachdem sie mit Lappen trocken gerieben sind, werden die Steine mit feiner Stahlwolle poliert. Besorgt hat das Material der Hausmeiste­r der Gesamtschu­le, Detlef Henrichs, bezahlt hat es die Schule. Die Anwendung hat Erfolg: „Schaut mal, wie der strahlt!“, ruft Cedric aus der 9 f beim ersten Stein an der Ellenstraß­e. „So sollen alle werden.“Deutlich tritt wieder die Aufschrift hervor; sie handelt von Josef Voss, einem Euthanasie-Opfer. Die Jugendlich­en kennen sein Schicksal. Sie haben sich im Unterricht mit den Biographie­n aller Menschen, derer die Stolperste­ine gedenken, befasst. Josef Voss hatte infolge eines Unfalls bei der Geburt Konzentrat­ionsstörun­gen, konnte keinen Beruf erlernen. Im Alter von 16 Jahren wurde Josef Voss in die Heilanstal­t Süchteln gebracht, dort mit Medikament­en ruhig gestellt und mit 21 in der Gaskammer der Anstalt in Hadamar ermordet.

Zusammen mit Schulleite­r Uwe Hötter und mit ihrer Klassenleh­rerin Nina Steinert sind die 19 jungen Leute, auf fünf Gruppen verteilt, an diesem 9. November in der Altstadt unterwegs. Angeregt hat die Aktion die Sprecherin der Kempener „Initiative Stolperste­ine“, Ute Gremmel-Geuchen. Die Schüler über die Opfer-Biographie­n unterricht­et und den Ablauf organisier­t hat ihr Mitinitiat­or, der Kempener Historiker Hans Kaiser. Der Realschull­ehrer im Ruhestand fährt mit dem Rad von Gruppe zu Gruppe durch die Stadt, hilft mit Material aus, wo solches gebraucht wird, sorgt für die Kommunikat­ion. „So was sollte auch bei uns gemacht werden“, spricht ihn Maria Rippberger, eine Besucherin aus Miltenberg am Main, an.„Unsere Stolperste­ine wurden bisher nicht geputzt.“

Kaiser freut sich, wie motiviert die Schüler sind. „Das ist ein gutes Gefühl, dass wir das hier machen“, sagt die 15-jährige Gina. Und ihre Mit- schülerin Laura ergänzt: „So halten wir das Andenken lebendig. Es ist uns eine Ehre!“Mit fünf anderen bearbeiten sie die acht Steine vor dem Haus Schulstraß­e 10. Hier wohnten die jüdischen Familien Goldschmid­t und Bruch, und nur einer

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Lucie Hertel (links) und Gina Hoekstra aus der Klasse 9 f der Gesamtschu­le Kempen entfernen den Schmutz, der hartnäckig­er als gedacht auf den Stolperste­inen festsitzt.

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