Rheinische Post Krefeld Kempen
Spahn geht zum Angriff über
Die heiße Phase des CDU-internen Wahlkampfs hat begonnen. Donnerstag starten die Regionalkonferenzen.
BERLIN Der CDU-interne Wahlkampf um den Parteivorsitz nimmt an Schärfe zu. Gesundheitsminister Jens Spahn, dem in dem Rennen um Angela Merkels Erbe nur Außenseiterchancen eingeräumt werden, ging in die Offensive und teilte gegen beide Konkurrenten aus.
Gegenüber CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hob er die gesellschaftspolitischen Unterschiede hervor. Er verwies in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auf seine Ehe mit einem Mann und erklärte, es treffe ihn persönlich, wenn seine Ehe in einem Atemzug mit Inzest oder Polygamie genannt werde.
Kramp-Karrenbauer ist eine Gegnerin der Ehe für alle. Politisch ist die Sache allerdings entschieden: Im Sommer 2017 stimmte der Bundestag mehrheitlich dafür, dass auch homosexuelle Paare eine gesetzliche Ehe schließen können. Zuvor konnten sie nur Lebenspartnerschaften eingehen.
Im Jahr 2015 hatte sich Kramp-Karrenbauer in einem Interview mit der „Saarbrücker Zeitung“sehr deutlich gegen die Ehe für alle ausgesprochen. Sie hatte damals davor gewarnt, die Definition von Ehe über dieVerbindung von Mann und Frau hinaus zu öffnen. Dann seien andere Forderungen nicht auszuschließen, erklärte sie damals und fügte an: „etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen“. Für diese Äußerung hatte Kramp-Karrenbauer heftige Kritik erhalten. Sie erklärte ihre Äußerung mehrfach mit ihrer verfassungsrechtlichen Position zum Thema Ehe. Zurückgenommen hat sie sie nicht.
Auch gegenüber Merz äußerte Spahn persönliche Kritik. Er stellte heraus, er selbst habe in den vergangenen zwei Jahren über 250 Termine mit Parteimitgliedern und Wählern wahrgenommen. Ein Seitenhieb gegen Merz, von dem jeder in der Partei weiß, dass er sich in dieser Zeit auf gelegentliche Einwürfe von der Seitenlinie beschränkte und ansonsten viel Geld in der Finanzwirtschaft verdiente. Zur Frage der Ehe von Ho-
mosexuellen nahm Merz eine differenzierte Position ein. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare halte er für richtig. Er hätte sich aber eine intensivere Debatte und eine Grundgesetzänderung gewünscht, sagte Merz der „Bild“-Zeitung.
Für die drei Kandidaten läuft die heiße Phase des Rennens um Merkels Erbe als CDU-Parteivorsitzende. Am Donnerstag findet die erste von acht Regionalkonferenzen in Lübeck statt. Bei diesen Vorstellungsrunden bekommen die Kandidaten die Gelegenheit, erst zehn Minuten für sich zu werben. Anschließend dürfen die Parteimitglieder ihre Fragen stellen. Bei einer Fragerunde der„Bild“-Zeitung wurde Merz auf sein Vermögen angesprochen. Zunächst ordnete er sich selbst der „gehobenen Mittelschicht“zu. Auf die Nachfrage, ob er Millionär sei, sagte Merz aber dann: „Ich lie- ge jedenfalls nicht drunter.“
Am Dienstag stellten sich die Kandidaten auch noch den Vorständen von Senioren-Union und Junger Union vor. Beide Vereinigungen haben sich bislang – anders als die Frauen-Union, die sich klar für Kramp-Karrenbauer ausspricht – nicht positioniert. In der Jungen Union ist dem Vernehmen nach Merz’ Anhängerschaft groß, obwohl Spahn jahrelang enge Kontakte dorthin pflegte und auch mithilfe der Jungen Union 2014 ins Präsidium der CDU aufrückte. So war Spahns Hinweis auf seine Parteiarbeit an der Basis auch ein Appell an die Partei, einen zu wählen, der sein Ohr an der Basis hat.
In diesem Punkt hat er allerdings eine harte Konkurrentin in Kramp-Karrenbauer, die sich mit ihrer Zuhörtour für das neue Grundsatzprogramm und ihrer intensiven Kommunikation über Briefe an die Parteimitglieder schon einen Vertrauensvorsprung in der Partei erarbeiten konnte.
Während Spahn mit seinen Außenseiterchancen nun auf Attacke umgeschaltet hat, sind Merz und Karrenbauer jeweils bemüht, von ihren Images des Anti-Merkel und der Mini-Merkel wegzukommen. So lobte Merz schon mehrfach die Grünen und grenzte sich hart gegen die AfD ab, die ja in Opposition zu Merkels Politik groß geworden ist. Zugleich setzte er sich zum Ziel, der AfD die Hälfte der Wähler wieder abzujagen. Kramp-Karrenbauer wiederum setzte beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“auf das Thema Steuerpolitik und stellte eine Steuerreform in Aussicht, die einer digitalisierten Welt gerecht werden soll.
Alle drei Kandidaten grenzen sich bei innen- und flüchtlingspolitischen Themen von der Kanzlerin ab – und positionieren sich damit in der zentralen Frage, die Merkel so viel Reputation gekostet hat, anders.