Rheinische Post Krefeld Kempen
Größte Mafia-Razzia Europas
Internationale Fahnder haben in mehreren Staaten rund 90 Verdächtige aus dem Umfeld der italienischen ’Ndrangheta festgenommen. Auch in Nordrhein-Westfalen gab es Zugriffe.
SOLINGEN/ROM Die Fahnder kamen im Morgengrauen. Mit einer groß angelegten weltweiten Razzia sind internationale Sicherheitsbehörden am Mittwoch gleichzeitig gegen die italienische Mafia-Organisation ’Ndrangheta vorgegangen. Die Ermittler schlugen in Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden und Südamerika zu. Auch in Nordrhein-Westfalen gab es Durchsuchungen von Restaurants undWohnungen. Dort lag der Schwerpunkt im Rheinland und im Ruhrgebiet.
In Solingen wurde ein ehemaliger Inhaber einer Im- und Exportfirma festgenommen, der laut Landeskriminalamt (LKA) Bezüge zur ’Ndrangheta hat. „Dem 55-Jährigen wird vorgeworfen, an der Einfuhr großer Mengen Rauschgift beteiligt gewesen zu sein“, teilte das LKA mit. Die Ermittler beschlagnahmten bei ihm Geschäftsunterlagen sowie weitere Beweismittel. In Duisburg wurden mehrere Einrichtungen durchsucht, darunter auch ein stadtbekanntes Eiscafé im Zentrum. In Pulheim wurde ein 45 Jah- re alter italienischer Gastwirt einer Osteria in seiner Wohnung verhaftet. Und auch in Grevenbroich gab es eine Festnahme.
Die Operation lief unter dem Decknamen „Pollino“und war laut federführender italienischer Polizei die bisher umfangreichste ihrer Art in Europa. Nach Angaben der italienischen Ermittler wurden insgesamt mehr als 90 Menschen festgenommen, 15 davon in Deutschland, die meisten in NRW. Ihnen werden unter anderem Drogenhandel, Geldwäsche und die Zugehörigkeit zu einer Mafiaorganisation vorgeworfen. Für den groß angelegten Schlag gegen die Mafia wurde eine staatenübergreifende Ermittlungsgruppe durch die Niederlande, Italien und Deutschland gegründet. Filippo Spiezia, Vizepräsident der europäischen Justizbehörde Eurojust und nationales Mitglied für Italien, sagte: „Heute haben wir eine deutliche Botschaft an das organisierte Verbrechen in Europa gesendet.“Die ’Ndrangheta sei eine aggressive Bande und eine der mächtigsten verbrecherischen Vereinigungen. Sie kontrolliere den Großteil des europäischen Kokainhandels in Verbindung mit systematischer Geldwäsche, Bestechung und Gewalttaten, erklärte Spiezia.
In den Niederlanden wurden vier Tonnen Kokain und 140 Kilogramm Ecstasy-Tabletten sichergestellt. In Deutschland waren mehr als 500 Landes- und Bundespolizisten an der Aktion beteiligt, darunter auch Spezialeinheiten wie SEK und GSG9. Laut LKA war die Razzia in NRW Er- gebnis jahrelanger Ermittlungsarbeit, die mit der Beschlagnahmung von 80 Kilogramm Kokain in einem Pferdecontainer im Rotterdamer Hafen im Dezember 2015 begonnen hatte. „Recherchen ergaben, dass die Inhalte des Containers für die Düsseldorfer Im- und Exportfirma des 55-Jährigen Pulheimers bestimmt waren“, so das LKA.
Die ’Ndrangheta ist in Süditalien beheimatet und laut Ermittlern dafür bekannt, zur Tarnung legale Geschäfte in anderen Ländern wie Deutschland zu gründen, um dann nach Übersee zu expandieren, Drogen zu schmuggeln, illegale Gelder zu waschen und neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. „Indem sie ihre Aktivitäten auf mehrere Länder aufteilt, will die Mafiagruppe Unterschiede zwischen den Strafverfolgungssystemen ausnutzen und sich der Aufmerksamkeit entziehen“, erklärte Filippo Spiezia. „Denn jedes Verbrechen, dessentwegen getrennt ermittelt wird, erscheint zunächst nur als Einzeltat und nicht als Teil einer organisierten Struktur.“