Rheinische Post Krefeld Kempen
Tränen, Neubeginn und ein etwas taktloses Geschenk: das Protokoll eines historischen CDU-Parteitags.
kommt übrigens aus dem Sauerland. Das heißt übersetzt für das Wahlverhalten: Ziemiak wählt zunächst Spahn und in der Stichwahl Merz.
3.05 Uhr Jens Spahn legt sich endgültig fest: Er will in jedem Fall antreten. KeinWackeln und kein Zurückweichen.
8.25 Uhr Beim Frühstück im Hotel Mövenpick macht sich NRW-Innenminister Herbert Reul Sorgen um das Abstimmungsverhalten der Delegierten. Er hat sich für Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ausgesprochen. Ob sie gewinnt, da ist er nicht ganz sicher. „Wenn Friedrich Merz die Delegierten mit seiner Rhetorik begeistert, entscheidet bei vielen die Stimmung, nicht die nachhaltigen Chancen des neuen Vorsitzenden bei den Wahlen.“Nach Umfragen ist Kramp-Karrenbauer bei den Wählern deutlich beliebter als Merz. Zur gleichen Zeit sitzt der EU-Abgeordnete David McAllister beim Frühstück im Atlantic-Hotel und rechnet fest mit einerWahl Annegret Kramp-Karrenbauers.
9.37 Uhr Friedrich Merz ist der erste Kandidat im Plenarsaal des CDU-Parteitags in Hamburg.
9.45 Uhr Jetzt ist auch Jens Spahn im Plenarsaal eingetroffen.
10.05 Uhr Mit Annegret Kramp-Karrenbauer, eher unauffällig, ist die dritte des Trios im Plenarsaal. Alle drei waren zuvor beim ökumenischen Gottesdienst im Hamburger Michel.
10.09 Uhr Die Angst vor der Spaltung geht um. Der frühere NRW-Regierungssprecher und Staatssekretär Andreas Krautscheid meint: „Manchmal ist es leichter, in einen Parteitag reinzugehen, als aus ihm herauszukommen.“
10.30 Uhr Der Saal ist brechend voll. Ein Parteitag der Rekorde: 1700 Gäste, 1600 Journalisten, 1001 Delegierte. Der technische Leiter schließt den Saal. Jetzt dürfen nur noch diejenigen mit einer „Poolkarte“den Plenarsaal betreten.
10.38 Uhr Angela Merkel eröffnet den Parteitag und erntet Jubelstürme, obwohl sie noch kein Wort gesagt hat. Der Beifall will nicht enden, Merkel kommt nicht zu Wort. Nach vier Minuten heißt die Noch-Vorsitzende die Delegierten willkommen. „Danke, Chefin, für 18 Jahre Vorsitz“steht auf Plakaten.
11.28 Uhr Die mit Spannung erwartete letzte Rede Angela Merkels als CDU-Vorsitzende beginnt.
11.31 Uhr Der Dank an den langjährigen Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler führt zu den ersten Tränen auf dem Parteitag. Ein großer Dank an das gesamte Team im Konrad-Adenauer-Haus.
11.49 Uhr Eine wichtige Erkenntnis Merkels: „Die CDU von 2018 ist nicht mehr die von 2000.“Der frühere Parteisprecher Jochen Blind legt nach: In jedem Merkel-Jahr sind 12.000 Neumitglieder hinzugekommen. Insgesamt also über 200.000 Neue. Damit ist die Partei auch eine Merkel-CDU. Denn die Neuen wussten, auf wen sie sich da einlassen.
12.03 Uhr Die Rede ist zu Ende. Es war ihr eine Freude und eine Ehre. Die kühle Merkel hat Tränen in den Augen und beendet ihre Rede mit stockender Stimme. Bei Applaus-Minute drei gibt es die ersten „Angie“-Rufe. Es folgen immer mehr Plakate mit „Danke, Chefin“. Der Applaus dauert satte zehn Minuten.
12.16 Uhr Die Delegierten sind völlig ergriffen. Sie posten offen Bilder ihrer Tränen. Allen ist klar: Da geht eine Große.
12.30Uhr Der stellvertretende CDU-Vor- sitzende und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier überreicht der scheidenden Vorsitzenden einen Taktstock des Hamburger Star-Dirigenten Kent Nagano. Als Zeichen dafür, einen Klangkörper wie die CDU mit all den starken, aber auch schwierigen Charakteren zum harmonischen Klingen zu bringen. Es ist ausgerechnet der Taktstock, den er beim Konzert in der Elbphilharmonie während des G20-Gipfels nutzte, als draußen der Mob tobte. Geschmacklich ist das Geschenk zweifelhaft.
13.23 Uhr Während der Aussprache wird viel gerechnet. Führungskräfte gehen davon aus, dass etwa je 450 Delegierte dem eher sozial-liberalen Lager Kramp-Karrenbauer und dem konservativen Merz/Spahn-Lager zuzuordnen sind. Um die restlichen 100 wird jetzt in den Reden der Kandidaten gerungen.
13.46 Uhr Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Versammlungsleiter, gibt bekannt, dass die Kandidatenvorstellung in alphabetischer Reihenfolge beginnt. Jeder Kandidat, jede Kandidatin hat 20 Minuten.
13.51 Uhr Die erste Kandidatin, Annegret Kramp-Karrenbauer, beginnt. Der Saal ist schlagartig ruhig.
13.58 Uhr Kramp-Karrenbauer berichtet von ihrem Eintritt in die CDU 1981. Damals war die Angst vor dem Atomkrieg das beherrschende politische Thema. Sie habe aber eine Partei gewählt, die optimistisch sei, Kurs halten könne und einen klaren Kompass habe. Dafür sei sie in die CDU eingetreten.
14 Uhr Langsam kommt sie in Fahrt. „Die Partei muss wieder Strahlkraft entwickeln. Auf den politischen Gegner einschlagen kann jeder von uns. Das reicht uns nicht aus.“
14.05 Uhr Programmatik und Pragmatismus: „AKK“fordert, die Komfortzone zu verlassen. Zugleich verlangt sie mehr Mut. „Wenn wir diesen Mut haben, dann leben wir in einem Deutschland, das keine Angst vor der Digitalisierung hat, dann leben wir in ländlichen Räumen, in denen nicht nur einmal am Tag ein Bus kommt. Dann bekommen wir 5G an jeder Milchkanne.“Das ist ein Seitenhieb gegen Bildungsministerin Karliczek, die kürzlich meinte, man brauche die schnelle Mobilfunktechnik 5G nicht überall.
14.07 Uhr Die Kandidatin kann auch die Tonalität der CDU:„Leistung muss sich lohnen. Wer arbeitet, muss mehr im Alter bekommen als die Grundsicherung. Wir brauchen einen Staat, der sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt – Kleinkriminelle, kriminelle Clans, Steuerhinterzieher, aber auch gewaltbereite linke Chaoten wie in Hamburg bei G20.“