Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Knipser der zweiten Liga
Der Kölner Stürmer Simon Terodde ist kurz davor, der erfolgreichste Torschütze der eingleisigen 2. Liga zu werden.
KÖLN Simon Terodde hat ein Ritual. Nach jedem eigenen Tor legt er die Hand vor die Stirn und tut so, als würde er im Publikum nach einer bestimmten Person suchen. So jubelt er seit sechs Jahren. Damals traf der gebürtige Bocholter für Union Berlin beim MSV Duisburg. Seine Eltern waren im Stadion, und so suchte er nach ihnen: „Das hat mir bislang immer Glück gebracht“, sagt Terodde. Zu dieser Zeit hätte sich der heute 30-Jährige wohl nicht ausmalen können, in welche Sphären ihn sein Torinstinkt später einmal führen sollte. Schon bald könnte Terodde der erfolgreichste Torschütze seit Einführung der eingleisigen 2. Bundesliga 1981 sein.
109 Tore erzielte er bislang in der zweithöchsten deutschen Spielklasse. Allein in dieser Saison gelangen ihm bereits 20 Treffer – wohlgemerkt nach gerade einmal 15 Partien. Eine Quote, die in Europa ihresgleichen sucht. Zwölf Tore fehlen dem 1,92-Hünen aber noch, um in der ewigen Torschützenliste die langjährige Nummer eins einzuholen. Sven Demandt kann aus seiner Zeit bei Fortuna Düsseldorf, Hertha BSC und Mainz 05 insgesamt 121 Treffer vorweisen. Gut möglich, dass Demandt den Rekord bereits nach dieser Saison los sein wird. „Von mir aus kann Simon gern noch zwölf Tore machen und Köln steigt auf. Dann wären wir wohl beide sehr zufrieden“, sagt Demandt deshalb humorvoll.
Doch was macht diesen Stürmer mit der Nummer neun eigentlich so gefährlich?„Zuerst einmal musst du in einer guten Mannschaft spielen. Das tut Simon. Der 1. FC Köln wird aufsteigen“, erklärt Demandt.„Und du musst natürlich auch Vertrauen in dich selbst haben. Er hat momentan einen überragenden Lauf. Simon ist ein kompletter Stürmer.“
Und das Toreschießen ist dann doch irgendwie auch eine Gabe, die nicht zu erlernen ist. Den Druck, vor 50.000 Zuschauern allein aufs Tor zuzulaufen und den Torwart zu überwinden, kann man im Training nicht simulieren. „Wenn man das lernen könnte, gäbe es viel mehr Torjäger. Man kann nicht trainieren, Torjäger zu werden“, sagt Demandt. „Man braucht eine gewisse Erfahrung und Ruhe beim Abschluss. Letztendlich muss man das Toreschießen auch im Blut haben.“Und das scheint Terodde zu haben. Auffällig ist, dass er seinen Schnitt fast kontinuierlich von Spielzeit zu Spielzeit steigert. Und so ist es kaum verwunderlich, dass Terodde in seinen vergangenen beiden Zweitliga-Jahren jeweils Torschützenkönig wurde. In dieser Saison hat er bereits in der Hinrunde mehr Treffer auf dem Konto als der Torschützenkönig der vergangenen Saison, Marvin Ducksch.„Ich denke, dass er so erfolgreich ist, weil er das Wohl der Mannschaft über sein eigenes stellt. Für ihn ist der Aufstieg mit Köln wichtiger als den Rekord zu brechen“, sagt Demandt.
Es wäre nach 2017 der bereits zweite Aufstieg für Terodde. Damals schoss er den VfB Stuttgart zurück in die Bundesliga. In der Beletage des deutschen Fußballs konnte sich Terodde aber nicht behaupten. Die Schwaben setzten ihm Mario Gomez vor die Nase. „Es gibt Spieler, die nur in der 2. Bundesliga funktionieren“, sagt Demandt. „Aber Simon hat ja noch gar keine Chance bekommen, sein Können über einen längeren Zeitraum in der Bundesliga zu beweisen.“Demandt bemüht deshalb einen Vergleich. „Über Mi- chael Preetz wurde auch gesagt, dass er ein toller Spieler für die 2. Bundesliga ist, es aber für die Bundesliga nicht reicht.“Preetz reifte während seiner Zeit bei Hertha BSC zum Nationalspieler und wurde 1999 Torschützenkönig der Bundesliga.
Was Terodde Mut machen kann, ist, dass auch Preetz den Durchbruch in seinen Dreißigern geschafft hat. Im gleichen Alter, in dem auch Terodde heute ist. Das Problem: In der 2. Bundesliga spielt Terodde oftmals in Mannschaften, die eine enorme offensive Qualität besitzen. Eine Etage höher konnte der VfB Stuttgart denselben Spielstil nicht vollends durchdrücken. Ähnlich könnte es sich beim 1. FC Köln im kommenden Jahr verhalten. Und Terodde ist sicherlich kein Konterspieler. „Das spielt eine große Rolle“, sagt Demandt. „Im Spitzenfußball ist es nicht hinderlich, wenn man Geschwindigkeit mitbringt. Simon ist definitiv nicht der schnellste Spieler.“
Terodde wird versuchen, Demandt eines Besseren zu belehren. Vorher steht aber noch eine andere Aufgabe an. Er möchte den 1. FC Köln zum Aufstieg schießen. Dann dürfte der Torrekord in der 2. Liga automatisch seiner werden.