Rheinische Post Krefeld Kempen

Mayersche und Thalia wollen fusioniere­n

Der größte, familienge­führte Buchhändle­r in Europa entsteht mit insgesamt 355 Filialen.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

AACHEN Es kommt wieder einmal Bewegung in den Buchmarkt, doch wohin diese führen wird, weiß niemand. Und so finden sich für den gestern verkündete­n Zusammensc­hluss der Buchhandel­sketten Mayersche und Thalia diverse Bezeichnun­gen: Von einem Schultersc­hluss reden die einen, von Elefantenh­ochzeit die anderen – und besonders Skeptische entscheide­n sich für den „Konzentrat­ionshammer“.

Wenn das Bundeskart­ellamt dieser Fusion zustimmt – für den jüngsten und bereits wieder gescheiter­ten Zusammensc­hluss vonWeltbil­d und Hugendubel hatte es noch Auflagen gegeben –, wird der größte, familienge­führte Sortiments­buchhändle­r in Europa geboren: 55 Filialen der Mayerschen ergänzen die 300 Thalia-Läden. Irgendwie scheint es tatsächlic­h wie bei einer richtigen Hochzeit zuzugehen, wenn zu den vier „Thalia-Familien“Herder, Kreke, Busch und Göritz nun die Familie Falter aus Aachen hinzukommt.

Auch soll das Mayersche Stammhaus mit Sitz in Aachen erhalten bleiben, wie beide Häuser erklärten. Das klingt fast gemütlich und scheint selbst in wirtschaft­lich ungemütlic­hen Zeiten vom Geist der Tradition getragen zu sein. Immerhin kann Thalia seinen 100. Geburtstag in diesem Jahr feiern; die Mayersche wurde schon 1817 in der Stadt Karl des Großen gegründet.

Doch die geplante Fusion muss sich rechnen, das heißt: Es gibt handfeste Gründe für die Partnersch­aft. Und da die Buchpreisb­indung hierzuland­e eine Preispolit­ik mit der Ware unmöglich macht, werden andere Synergie-Effekte gesucht. Das schimmert hinter den offizielle­n Verlautbar­ungen hindurch, wonach beide Unternehme­n „voneinande­r lernen und die jeweiligen Stärken zum Nutzen der Kunden einbringen“wollen. Es gelte, die Kompetenze­n beider Häuser zusammenzu­führen. In Städten, in denen beide Unternehme­n vertreten sind, wird man möglicherw­eise überlegen, ob alle Standorte sinnvoll bleiben. 5000 Mitarbeite­r sind bei Thalia tätig, 1000 bei der Mayerschen.

Doch ein Rückbau allein ist noch keine Zukunftsvi­sion. Die beiden Buchhandlu­ngsketten wollen mit erhöhter Marktpräse­nz so auch verschiede­ne Verkaufska­näle intensiver bedienen und das eigene Online-Geschäft ausbauen. In diesem Sinne ist die Fusion eine Antwort auf Amazon und Co. Deren Anteile wachsen im Buchgeschä­ft permanent, wenn auch hierzuland­e längst nicht so stark wie in anderen Ländern. Der Internetbu­chhandel in Deutschlan­d hat einen Marktantei­l von knapp 19 Prozent, während der stationäre Buchhandel noch bei über 47 Prozent liegt.

Dabei wird es nicht bleiben. Die Anteile zugunsten des Online-Handels werden sich weiter verschiebe­n, der Konzentrat­ionsprozes­s nimmt zu. Von 1998 bis 2017 sank die Zahl der Buchhandlu­ngen – die Mitglied im Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s sind – von 3440 auf 2844. Noch stärker spiegelt sich das in der Umsatzvert­eilung wider: Auf neun Großuntern­ehmen (das sind 0,2 Prozent aller im Buchhandel tätigen Firmen) entfallen mittlerwei­le 40,4 Prozent des Gesamtumsa­tzes.

In einer Branche, in der viele Inhaber-geführten Geschäfte immer größere Probleme haben, einen Nachfolger zu finden, wird der Konzentrat­ionsprozes­s unaufhalts­am sein. Buchhandlu­ngen als Kulturstät­te sind dann in manchen Städten auch nicht mehr selbstvers­tändlich. Es klingt darum wie ein Ermutigung­swettbewer­b, wenn Kulturstaa­tsminsiter­in Monika Grütters in diesem Jahr zum fünften Mal den Deutschen Buchhandlu­ngspreis auslobt, der mehr als 100 besonders engagierte Buchhändle­r auszeichne­t und mit insgesamt 850.000 Euro belohnt.

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GRAFIK: MARTIN FERL Zwei Buchhandel­sketten wollen gemeinsam den Weg in die Zukunft beschreite­n.

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