Rheinische Post Krefeld Kempen

Steuerbetr­ug: Sechs Millionen Euro Beute

Ein Mann steht vor Gericht, weil er mit Scheinfirm­en Rückzahlun­gen vom Finanzamt ergaunert hat.

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(dpa/atrie) Einem Kölner Unternehme­r wird seit Donnerstag vor dem Landgerich­t Krefeld der Prozess gemacht, weil er mehr als sechs Millionen Euro Steuern hinterzoge­n haben soll. Der 58-Jährige soll mehrere Scheinfirm­en unter anderem in Krefeld unterhalte­n haben und mit einem so genannten Umsatzsteu­erkarussel­l Geld am Finanzamt vorbei geschleust haben. Der Mann sitzt bereits seit einem halben Jahr in Untersuchu­ngshaft.

Der Prozess wirft ein Licht auf das seit vielen Jahren bekannte Problem des Mehrwertst­euersystem­s: Es gilt innerhalb Europas als sehr betrugsanf­ällig. Die Europäisch­e Kommission schätzte den jährlichen Schaden EU-weit bereits vor fünf Jahren auf 160 Milliarden Euro, davon 50 Milliarden durch Karussellg­eschäfte, wie sie der Kölner Unternehme­r begangen haben soll.

Laut Staatsanwa­lt in Krefeld ist der 58-jährige Angeklagte der Schöpfer eines solchen „groß angelegten Steuer-Betrugssys­tems mit zahlreiche­n Scheingese­llschaften“, um „in großem Ausmaß“Steuern zu hinterzieh­en. Die Unternehme­n sollen nur dem Zweck gedient haben, dem Finanzamt steuerfrei­e Ausfuhren ins Ausland vorzutäusc­hen und Steuererst­attungen zu kassieren.

Dafür seien massenhaft Scheinrech­nungen produziert worden. Tatsächlic­h hätten die angebliche­n Lieferante­n von IT-Produkten keine unternehme­rischen Tätigkeite­n ausgeübt. Mit 28.000 Euro ungerechtf­ertigter Steuer-Erstattung habe man den Betrug 2013 gestartet, beim nächsten Mal seien es bereits 209.000 Euro gewesen. Insgesamt listet die Anklage 29 Fälle auf.

Der Angeklagte wollte sich beim Prozessauf­takt nicht zu denVorwürf­en der Anklage und auch nicht zu seiner Person äußern. Sein Verteidige­r Michael Hayn regte ein Rechtsgesp­räch an, zu dem sich die Prozessbet­eiligten dann zurückzoge­n. Sollte es im Rechtsgesp­räch zu einer Strafabspr­ache im Gegenzug für ein Geständnis kommen, könnte sich der Prozess erheblich verkürzen.

Bei der Herstellun­g eines Produkts wird auf jeder Fertigungs­ebene Umsatzsteu­er fällig. Unternehme­r können sich die sogenannte Vorsteuer aber erstatten lassen, wenn sie Rechnungen vorlegen. Beim Karus- sellbetrug nutzen die Kriminelle­n aus, dass die Finanzämte­r bei Produktion­s- und Handelsstu­fen über EU-Grenzen hinweg den Überblick verlieren.

Seit Jahren wird eine Änderung diskutiert: Die Pflicht zur Entrichtun­g der Mehrwertst­euer soll vom Lieferante­n auf den Abnehmer verlagert werden. Betrug mit dem Vorsteuera­bzug soll so unterbunde­n werden. Der Europäisch­e Rat hatte im vergangene­n Oktober solche Maßnahmen in bestimmten Fällen begrüßt.

Geführt wird das Verfahren von der Vize-Präsidenti­n des Landgerich­ts, Sabine Tackenberg. Sie hat bereits rund 50 Zeugen geladen und 20Verhandl­ungstage bis in den April hinein geplant.

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