Rheinische Post Krefeld Kempen

Schnelle Urteile über andere

- HEIKE KLUTE, PFARRERIN IN LINN

Wie schnell ist man bei der Hand mit Urteilen über andere Menschen. Da ist die eine zu dick, die andere zu dünn, zu still oder zu schrill, da passt einer nicht ins Bild. Einer zieht sich schnell zurück und wird von den anderen bald als merkwürdig eingestuft. Und wenn dann ein anderer Dampf ablassen will über eigene Probleme, hackt man lieber auf anderen herum als zuzugeben: Ich habe Ärger, oder ich habe etwas falsch gemacht.

Manchmal sind es „nur“Stammtisch­parolen, die man in solchen Situatione­n zum Besten gibt. Oft richtet sich der eigene Ärger aber gegen Menschen, die nichts damit zu tun haben. Neudeutsch nennt man das Mobbing. Da wird jemand „zum Sündenbock“gemacht und „in die Wüste geschickt“. Das „Opfer“hat es ja nicht besser verdient. Das funktionie­rt im persönlich­en wie im öffentlich­en Bereich.

So ähnlich geschieht es ja mit dem Ziegenbock, über den es im 3. Mosebuch in der Bibel heißt: „Aaron legt seine beiden Hände auf den Kopf des Bockes und spricht über ihm alle Verfehlung­en aus, durch die sich die Leute (...) schuldig gemacht haben. So legt er alle Sünden des Volkes dem Bock auf den Kopf und lässt dann das Tier (...) in die Wüste jagen. Der Bock trägt alle diese Sünden weg.“Nur: Es ist ein Zeichen der Vergebung, das Gott den Menschen damals geschenkt hat. Es ist keine „Technik“, die eigenen Sünden loszuwerde­n.

Es ist traurig, dass Menschen andere für ihre Fehler und ihre Launen büßen lassen. Es zeugt von mehr Größe, an Lösungen für die eigenen Fehler zu arbeiten und Unbeteilig­te da heraus zu halten. Der unbeliebte Mitarbeite­r hat nichts damit zu tun, wenn ich für Fehler gerügt werde. Und auch die Flüchtling­e hierzuland­e sind nicht schuld an all den Problemen unserer Gesellscha­ft.

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