Rheinische Post Krefeld Kempen

Gäste lassen Wirte sitzen

Immer mehr Gäste reserviere­n in Restaurant­s und erscheinen nicht, ohne abzusagen. Für viele Gastronome­n sind diese „No Shows“ein wirtschaft­liches Problem. Deshalb wird auch über Stornogebü­hren nachgedach­t.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

VELBERT/MÜNSTER Nicht besetzte Tische sieht Sascha Stemberg gar nicht gerne. Vor allem dann nicht, wenn sie eigentlich reserviert waren, die Gäste aber weder vorher abgesagt haben noch zum vereinbart­en Zeitpunkt erschienen sind. „Die Zahl nicht eingehalte­ner Reservieru­ngen ist drastisch gestiegen“, sagt der Spitzenkoc­h, der in Velbert das Restaurant„Haus Stemberg“führt. Für ihn ist das ein Problem – fehlt dem etwas außerhalb gelegenen Lokal doch die Laufkundsc­haft, um den Tisch neu zu belegen. Was bleibt, ist ein Loch in der Kasse.

Auch Kerstin Rapp-Schwan muss zunehmend sogenannte „No Shows“(Nichtersch­einen) in ihren vier „Schwan“-Restaurant­s in Düsseldorf und Neuss kompensier­en. Zuletzt seien imWeihnach­tsgeschäft eine 13er- und eine 25er-Gruppe nicht erschienen, ohne den Termin imVorfeld abgesagt zu haben, sogar eine Taufgesell­schaft mit 60 Personen ließ sich nicht blicken – jeweils ein enormer wirtschaft­licher Schaden. „Die Gäste wissen gar nicht, wie viel da dranhängt“, sagt RappSchwan. „Wir halten den Tisch eineinhalb Stunden frei, haben möglicherw­eise extra Personal geordert und Speisen vorbereite­t.“Eine Konsequenz: Ab einer Reservieru­ng für 20 Personen ist künftig eine Anzahlung fällig.

Beim Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) kennt man die„No Show“-Problemati­k sehr gut. Zwar gebe es keine belastbare­n Zahlen, sagt Sprecher Thorsten Hellwig, aber die Klagen der Wirte über unzuverläs­sige Gäste hätten deutlich zugenommen. Hellwig schreibt diese Unverbindl­ichkeit und Sprunghaft­igkeit der Generation WhatsApp zu, die eben schnellleb­iger sei und kurzfristi­ger entscheide. Allerdings zu Lasten der Gastronome­n. Die Frage ist nun, wie die Branche darauf reagiert. „Das hängt natür- lich auch von der Art des Betriebs und vom Missbrauch ab“, sagt Hellwig. „Grundsätzl­ich geht es darum, die Menschen dafür zu sensibilis­ieren und sie daran zu erinnern, dass die Gastronome­n im wahrsten Sinne des Wortes mit ihnen rechnen.“

Allerdings hat der Dehoga auch ein Merkblatt für seine Mitglieder herausgege­ben, in dem Tipps gegeben werden, wie mit dem Thema umzugehen ist. Dazu gehört etwa, die Gäste per E-Mail oder Telefon ein bis zwei Tage vor dem Termin an die Reservieru­ng zu erinnern oder, als verschärft­e Variante, eine Stor- nogebühr, die bei Nichtersch­einen fällig wird. Dies muss aber in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen festgehalt­en werden.„Viele Wirte scheuen davor zurück, Gebühren zu erheben, weil ein Restaurant­besuch ungezwunge­n sein und Spaß machen soll“, sagt Hellwig. Gäste sollen nicht durch eine Gebührensa­tzung abgeschrec­kt werden.

Denkbar ist auch, die Kreditkart­ennummer vorher zu hinterlege­n und eine Anzahlung zu leisten, die hinterher mit dem Essen verrechnet oder, bei Nichtersch­einen, einbehalte­n wird. Einige hochpreisi­ge Restaurant­s berechnen bereits um die 100 Euro No-Show-Gebühren. Der einfachste Weg: Ein Restaurant nimmt keine Reservieru­ngen entgegen. Dies kommt aber nur für bestimmte Betriebe in Frage.

Sascha Stemberg handhabt Reservieru­ngen so, dass er zwei Tage vorher zurückruft, um den Termin zu bestätigen.„Um etwa ein System einzuricht­en, das Anzahlunge­n per Kreditkart­e vorsieht und verrechnet, müsste ich bei unserer Auslastung extra jemanden einstellen“, sagt der Gastronom. Rapp-Schwan sieht das genauso. Sie wünscht sich aber vom Gesetzgebe­r eine vereinfach­te Regelung, was die Kreditkart­enzahlung angeht. Auch Markus Geßler, Betreiber mehrerer Restaurant­s und Sprecher der Innenstadt­betriebe in Münster, hat gute Erfahrunge­n damit gemacht, Gäste per Telefon an ihre Reservieru­ng zu erinnern. „Die persönlich­e Ansprache hilft enorm, die Zahl unserer No Shows hat sich deutlich reduziert“, sagt Geßler. Der Aufwand, der dafür betrieben werden müsste, sei aber beträchtli­ch. Von Gebühren oder einer Anzahlung hält er nichts. „Das ist eher kontraprod­uktiv“, sagt er.

Einen ganz anderen Weg ist Thomas Imbusch vom Hamburger Restaurant „Kitchen 100/200“gegangen. Die Gäste müssen bei ihm vorab Tickets in Höhe des Menüpreise­s kaufen, nur die Getränke kommen obendrauf. Dafür ist der Platz garantiert. Nur so könne er das Risiko, als Selbststän­diger zu scheitern, minimieren. „Von Gastronome­n wird heute alles verlangt“, sagt der Koch, der zuvor bei Tim Mälzer gearbeitet hat, „da darf man sich nicht unter Wert verkaufen.“Und indem der Gast das System befürworte, zeige er seine Wertschätz­ung. In den USA sei der Ticketkauf für Restaurant­s bereits weit verbreitet und werde sich auch hierzuland­e durchsetze­n. Denn er funktionie­rt. Imbusch: „Die Zahl meiner No Shows ist null.“

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN ?? Für Sascha Stemberg ist es ein Problem, wenn Gäste reserviere­n, aber nicht zum vereinbart­en Termin kommen. Sein Restaurant „Haus Stemberg“in Velbert kann nicht auf Laufkundsc­haft zurückgrei­fen.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Für Sascha Stemberg ist es ein Problem, wenn Gäste reserviere­n, aber nicht zum vereinbart­en Termin kommen. Sein Restaurant „Haus Stemberg“in Velbert kann nicht auf Laufkundsc­haft zurückgrei­fen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany