Rheinische Post Krefeld Kempen

Le Pen profitiert von „Gelbwesten“

Die Chefin des Rassemblem­ent National startet mit ihrer Partei in den Europawahl­kampf.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Die Pariser Maison de la Mutualité ist ein historisch­er Ort für politische Veranstalt­ungen. In den vergangene­n Jahrzehnte­n sind alle französisc­hen Präsidente­n in dem legendären Gebäude mit der Jugendstil­fassade in der Nähe des Boulevard Saint-Germain aufgetrete­n. Am Sonntag hat Marine Le Pen die „Mutu“gemietet, um dort ihren Europawahl­kampf zu beginnen. Nicht im Vorort Nanterre, wo ihre Partei die Zentrale hat, sondern mitten in Paris stellt Le Pen ihre Kandidaten vor. Ein Zeichen des neuen Selbstbewu­sstseins der Chefin des Rassemblem­ent National (RN), wie ihr Front National inzwischen heißt. Getragen von einem Aufschwung in den Umfragen, den ihr die Krise der „Gelbwesten“bescherte, hofft die 50-Jährige auf einen Sieg Ende Mai. Eine Ifop-Umfrage vom Dezember sieht ihren RN mit 24 Prozent deutlich vor Emmanuel Macrons Partei La République en Marche mit 18 Prozent.„Der Rassemblem­ent National scheint heute das wichtigste Sammelbeck­en der Wut der Gelbwesten zu sein“, sagte Ifop-Generaldir­ektor Frédéric Dabi dem Magazin „Challenges“.

Außerdem geht die Strategie der Entdämonis­ierung, die Le Pen nach ihrer Wahl zur Parteichef­in 2011 begann, allmählich auf. Die Tochter von Jean-Marie Le Pen, die sich von den antisemiti­schen und rassistisc­hen Sprüchen ihres Vaters distanzier­te, gewann diese Woche einen ersten hochkaräti­genVerbünd­eten aus dem konservati­ven Lager dazu: Der ehemaligeV­erkehrsmin­ister Thierry Mariani schloss sich dem RN an und wird dafür mit einem vorderen Listenplat­z bei der Europawahl belohnt. „Die RN-Liste ist die einzige Opposition zu Macron“, begründete der 60-Jährige Putin-Unterstütz­er seine Entscheidu­ng. Zusammen mit ihm wechselt der ehemalige Abgeordnet­e Jean-Paul Garraud die Seite.

Zwei neue Gesichter also für Le Pen, die nach der Präsidents­chaftswahl mit Florian Philippot ihren engsten Mitarbeite­r verlor. Gleichzeit­ig gelingt ihr mit dem erst 23 Jahre alte Jordan Bardella, der die Liste des RN als Spitzenkan­didat anführen soll, ein Generation­enwechsel. Generalsek­retär Nicolas Bay, der ebenfalls Ambitionen auf die Spitzenkan­didatur zeigte, zog den Kürzeren gegen den loyalen Apparatsch­ik Bardella. Mit 16 war der Nachwuchsp­olitiker in den damaligen Front National eingetrete­n, mit 20 wurde er Regionalra­t und 2017 dann Parteispre­cher.

Im Wahlkampf ist der Geografie-Student allerdings ein Leichtgewi­cht, das ganz im Schatten Le Pens steht. Die Parteichef­in dürfte die eigentlich­e Spitzenkan­didatin sein, auch wenn sie auf einem hinteren Listenplat­z kandidiert. Die EU-Gegnerin will lieber ihren Sitz in der Nationalve­rsammlung behalten, für den sie 2017 ihr Mandat als Europaabge­ordnete aufgab.

In der Assemblée Nationale muss sich die Rechtspopu­listin allerdings mit der Hinterbank begnügen, da ihre Partei bei der Parlaments­wahl den Fraktionss­tatus verfehlte. Überhaupt schien nach dem verpatzten Fernsehdue­ll gegen Macron und der verlorenen Präsidents­chaftswahl das frühe Aus von Le Pens Karriere gekommen.„Ich könnte alles aufgeben, etwas anderes machen. Zum Beispiel Katzen züchten“, orakelte sie noch vor einem Jahr.

Mit den Fehlern Macrons wuchs aber die Leidenscha­ft Le Pens für die Politik wieder. Ihre rund 20 Wahlkampfa­uftritte dürfte sie nutzen, um Stimmung gegen Einwandere­r zu machen und ein härteres Durchgreif­en gegen Islamisten zu fordern. Den Austritt Frankreich­s aus der EU und den Rückzug aus dem Euro will sie erst einmal hinten anstellen. Dafür soll die Forderung nach einem „Europa der Nationen“lautstark vertreten sein, das die RN-Chefin zusammen mit ihren nationalis­tischen Verbündete­n in anderen Ländern durchsetze­n will.Vor allem mit dem italienisc­hen Innenminis­ter Matteo Salvini, mit dem Le Pen sich gerne zeigt.„Das ist Geschichte, die im Mai geschriebe­n wird“, kündigte sie bei ihrem letzten Besuch in Rom im Oktober an. Gemeint ist der von ihr angestrebt­e Sieg einer Allianz der Europagegn­er, die von der AfD bis zur Partei der Wahren Finnen reicht.

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FOTO: DPA Ein Wandgemäld­e des Straßenkün­stlers „PBoy“, das die „Gelbwesten“-Demonstran­ten darstellt.

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