Rheinische Post Krefeld Kempen
Le Pen profitiert von „Gelbwesten“
Die Chefin des Rassemblement National startet mit ihrer Partei in den Europawahlkampf.
PARIS Die Pariser Maison de la Mutualité ist ein historischer Ort für politische Veranstaltungen. In den vergangenen Jahrzehnten sind alle französischen Präsidenten in dem legendären Gebäude mit der Jugendstilfassade in der Nähe des Boulevard Saint-Germain aufgetreten. Am Sonntag hat Marine Le Pen die „Mutu“gemietet, um dort ihren Europawahlkampf zu beginnen. Nicht im Vorort Nanterre, wo ihre Partei die Zentrale hat, sondern mitten in Paris stellt Le Pen ihre Kandidaten vor. Ein Zeichen des neuen Selbstbewusstseins der Chefin des Rassemblement National (RN), wie ihr Front National inzwischen heißt. Getragen von einem Aufschwung in den Umfragen, den ihr die Krise der „Gelbwesten“bescherte, hofft die 50-Jährige auf einen Sieg Ende Mai. Eine Ifop-Umfrage vom Dezember sieht ihren RN mit 24 Prozent deutlich vor Emmanuel Macrons Partei La République en Marche mit 18 Prozent.„Der Rassemblement National scheint heute das wichtigste Sammelbecken der Wut der Gelbwesten zu sein“, sagte Ifop-Generaldirektor Frédéric Dabi dem Magazin „Challenges“.
Außerdem geht die Strategie der Entdämonisierung, die Le Pen nach ihrer Wahl zur Parteichefin 2011 begann, allmählich auf. Die Tochter von Jean-Marie Le Pen, die sich von den antisemitischen und rassistischen Sprüchen ihres Vaters distanzierte, gewann diese Woche einen ersten hochkarätigenVerbündeten aus dem konservativen Lager dazu: Der ehemaligeVerkehrsminister Thierry Mariani schloss sich dem RN an und wird dafür mit einem vorderen Listenplatz bei der Europawahl belohnt. „Die RN-Liste ist die einzige Opposition zu Macron“, begründete der 60-Jährige Putin-Unterstützer seine Entscheidung. Zusammen mit ihm wechselt der ehemalige Abgeordnete Jean-Paul Garraud die Seite.
Zwei neue Gesichter also für Le Pen, die nach der Präsidentschaftswahl mit Florian Philippot ihren engsten Mitarbeiter verlor. Gleichzeitig gelingt ihr mit dem erst 23 Jahre alte Jordan Bardella, der die Liste des RN als Spitzenkandidat anführen soll, ein Generationenwechsel. Generalsekretär Nicolas Bay, der ebenfalls Ambitionen auf die Spitzenkandidatur zeigte, zog den Kürzeren gegen den loyalen Apparatschik Bardella. Mit 16 war der Nachwuchspolitiker in den damaligen Front National eingetreten, mit 20 wurde er Regionalrat und 2017 dann Parteisprecher.
Im Wahlkampf ist der Geografie-Student allerdings ein Leichtgewicht, das ganz im Schatten Le Pens steht. Die Parteichefin dürfte die eigentliche Spitzenkandidatin sein, auch wenn sie auf einem hinteren Listenplatz kandidiert. Die EU-Gegnerin will lieber ihren Sitz in der Nationalversammlung behalten, für den sie 2017 ihr Mandat als Europaabgeordnete aufgab.
In der Assemblée Nationale muss sich die Rechtspopulistin allerdings mit der Hinterbank begnügen, da ihre Partei bei der Parlamentswahl den Fraktionsstatus verfehlte. Überhaupt schien nach dem verpatzten Fernsehduell gegen Macron und der verlorenen Präsidentschaftswahl das frühe Aus von Le Pens Karriere gekommen.„Ich könnte alles aufgeben, etwas anderes machen. Zum Beispiel Katzen züchten“, orakelte sie noch vor einem Jahr.
Mit den Fehlern Macrons wuchs aber die Leidenschaft Le Pens für die Politik wieder. Ihre rund 20 Wahlkampfauftritte dürfte sie nutzen, um Stimmung gegen Einwanderer zu machen und ein härteres Durchgreifen gegen Islamisten zu fordern. Den Austritt Frankreichs aus der EU und den Rückzug aus dem Euro will sie erst einmal hinten anstellen. Dafür soll die Forderung nach einem „Europa der Nationen“lautstark vertreten sein, das die RN-Chefin zusammen mit ihren nationalistischen Verbündeten in anderen Ländern durchsetzen will.Vor allem mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini, mit dem Le Pen sich gerne zeigt.„Das ist Geschichte, die im Mai geschrieben wird“, kündigte sie bei ihrem letzten Besuch in Rom im Oktober an. Gemeint ist der von ihr angestrebte Sieg einer Allianz der Europagegner, die von der AfD bis zur Partei der Wahren Finnen reicht.