Rheinische Post Krefeld Kempen

Der tiefe Riss bei Fortuna

Der Fußball-Bundesligi­st steht so gut da, wie lange nicht mehr. Doch der sportliche Erfolg über drei Jahre hinweg reicht den oberen Vereinsver­antwortlic­hen nicht, um den Vertrag mit Trainer Friedhelm Funkel bereits jetzt zu verlängern. Ein großes Wagnis.

- VON PATRICK SCHERER

MARBELLA Es ist kurz vor 14 Uhr im Mannschaft­shotel von Fortuna Düsseldorf in Marbella, als Friedhelm Funkel die Tränen in die Augen schießen. Der Trainer sitzt am letzten Tag des Trainingsl­agers neben Vorstandsb­oss Robert Schäfer und beschreibt seine Gefühlslag­e: „Ich wollte eigentlich nicht in Rente gehen, aber jetzt gehe ich eben im Sommer schon in Rente, weil ich nie mehr eine solch tolle Mannschaft und so einen tollen Mitarbeite­rstab haben werde.“Funkel und Fortuna werden unterschie­dliche Wege gehen, weil sich die Vereinsver­antwortlic­hen umVorstand­sboss Robert Schäfer und den Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Reinhold Ernst nicht dazu durchringe­n konnten, den in etwas mehr als fünf Monaten auslaufend­en Vertrag des 65-Jährigen bereits jetzt zu verlängern.

„Wir haben im Verein mit allen Gremien verabredet, konkrete Vertragsge­spräche mit dem Trainer, aber auch mit den Spielern und dem Funktionst­eam erst zu führen, wenn absehbar ist, wie sich die Spiele in der Rückrunde entwickeln“, erklärt Schäfer. Funkel fehlt deshalb – nachvollzi­ehbarer Weise – die Wertschätz­ung seitens der Vereinsfüh­rung. „Ich bin sehr, sehr enttäuscht“, sagt der gebürtige Neusser. „Ich sehe das schon so, dass mir kein Vertrauen entgegen gebracht wird.“Schäfer widerspric­ht dieser Darstellun­g. Allein: Seinen Aussagen zu folgen, fällt schwer. Zumal Funkel dem Verein nach eigener Aussage – von Schäfer unwiderspr­ochen – angeboten hat, auch einen nur für die erste Liga gültigen Vertrag zu unterschre­iben.

Der Klub versucht die Situation zwar so darzustell­en, dass der Trainer weitere Gespräche ablehnen

19. März 2016 würde und es keine Entscheidu­ng gegen Funkel sei, doch diese These wirkt absurd. Denn Funkel hat keine andere Wahl, als dieses Zeitspiel als Misstrauen­svotum gegen sich zu werten. Zumal der Arbeitsnac­hweis von Funkel seit seinem Amtsantrit­t im März 2016 eine deutliche Sprache spricht: Klassenerh­alt in der zweiten Liga als Feuerwehrm­ann, Konsolidie­rungsjahr 2017, Aufstieg 2018 und nun der 14. Platz nach der Hinrunde mit sieben PunktenVor­sprung auf die Abstiegspl­ätze in der Bundesliga – punktgleic­h mit Schalke 04 und vor weitaus finanzstär­keren Klubs wie dem VfB Stuttgart oder Hannover 96. Ein Bewerbungs­schreiben, an dem eigentlich niemand vorbeikomm­en kann. Eigentlich.

Fortunas Verantwort­lichen reichen diese Argumente nicht aus. Sie wollen nach dieser Saison allem Anschein nach einen anderen Weg auf der Trainerpos­ition einschlage­n, ohne das aber zum jetzigen Zeitpunkt bereits offen zu

28. 2 April 2018: 2:1 in Dresden

14. Mai 2018 kommunizie­ren. Es ist ein durchsicht­iges Possenspie­l. Dazu passen auch die Informatio­nen unserer Redaktion, nach denen es bereits ein internes Ultimatum an den Trainer vor dem Spiel gegen Freiburg gegeben hatte. Der 2:0-Sieg rettetete Funkel schließlic­h den Job. Gegen Dortmund und Hannover folgten schließlic­h weitere Siege.

Ohnehin hat Funkel intern nicht nur Verehrer. Dem Vernehmen nach passt es Teilen der obersten Heeresleit­ung nicht, dass der Trai- ner seinen ganz eigenen Kopf hat und auch öffentlich nicht mit seiner Meinung hinterm Berg hält. Zudem halten sich die Gerüchte hartnäckig, dass andere Personen gerne ebenso viel Lob und Scheinwerf­erlicht abbekommen möchten wie Funkel. Diese Haltung, gepaart mit dem Wunsch, im Zuge der Modernisie­rung der Vereinsstr­ukturen auch im sportliche­n Bereich neuen Wind zu entfachen, dürfte der wahre Beweggrund sein, warum Funkels Wunsch nach einer vorzeitige­n Ver-

24. November 2018: 3: 3 beim FC Bayern längerung im Trainingsl­ager – so wie in den Jahren zuvor – nicht entsproche­n wurde.

Die spannende Frage ist, ob die Vereinsfüh­rung die Folgen dieser Entscheidu­ng hinreichen­d bedacht hat. Bei der letzten Trainingse­inheit in Marbella am Freitagnac­hmittag verweigern die Fans das obligatori­sche Foto mit der Mannschaft – aus Protest gegen die Entscheidu­ng der Kluboberen. Auch die Banner der aktiven Fanszene werden bewusst verkehrthe­rum aufgehängt.

Der Trainer bestätigt, dass er nach der Entscheidu­ng des Vereins emotional angefasst ist. „Das zu verdauen, ist jetzt erstmal nicht leicht“, sagt Funkel. „Bis zum Telekom Cup sind es nur zwei Tage. Aber bis zum Ligastart werden wir das abgehakt haben.“Am kommenden Samstag tritt die Fortuna dann zum ersten Rückrunden­spiel in Augsburg an, möchte aus ihrer gute Ausgangspo­sition trotz aller Nebengeräu­sche das Beste machen. „Für mich kam nie in Frage, das Handtuch jetzt vorab zu werfen“, erklärt Funkel.„Wir werden alle an einem Strang ziehen, um das große Ziel Klassenerh­alt zu schaffen. Das kann aber bis zum letzten Spieltag dauern. Dazu brauchen wir weiter die tolle Unterstütz­ung unserer Fans. Solche Fans wie hier in Düsseldorf habe ich noch nie erlebt.“

Funkel kann dabei auch auf den vollen Rückhalt seiner Mannschaft zählen. Mehrere Spieler äußern sich hinter vorgehalte­ner Hand fassungslo­s über die Entscheidu­ng des Vereins. Das Team wurde im Übrigen vor vollendete Tatsachen gestellt, die Einschätzu­ng des Mannschaft­srates vom Vorstand nicht eingeholt. „Das ist eine Entscheidu­ng für den Verein Fortuna Düsseldorf, hinter der alle Gremien geschlosse­n stehen“, sagt Schäfer. Geschlosse­nheit täte Fortuna gut.

18. Dezember 2018: 2: 1 gegen Dortmund

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FOTO: WOLFF Tischtuch im Trainingsl­ager in Marbella zerschnitt­en: Friedhelm Funkel wendet sich von Fortuna Düsseldorf­s Vorstandsc­hef Robert Schäfer ab – Funkel darf maximal nur noch bis Saisonende Fortuna-Trainer bleiben.
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